[WestG] [AUS] Zeitenwende: Wie die Moderne aufs Land kam, Muenster, ab 11.02.2014

Weidner, Marcus Marcus.Weidner at lwl.org
Fr Feb 7 11:54:47 CET 2014


Von: "Stadt Münster" <info at presse-service.de>
Datum: 07.02.2014, 11:13


AUSSTELLUNG

Zeitenwende: Wie die Moderne aufs Land kam Historische Fotografien spiegeln um 1900 Umbrüche in einem westfälischen Dorf / Stadtmuseum und Friedrich-Hundt-Gesellschaft präsentieren LWL-Wanderausstellung

Zunächst das Fahrrad, dann das erste Auto im Dorf, schließlich asphaltierte Straßen und die erste Fabrik. Aber auch diese Motive: Der genügsame Feierabend auf der Holzbank vorm Fachwerkhaus, stolze Schützenfeste, rustikale Jagdgesellschaften,  die Laienspielschar. 40 Fotografien dokumentieren am Beispiel Harsewinkels (Kreis Gütersloh) den Abschied von der  Vergangenheit hin zum  langsamen, aber  unaufhaltsamen Wandel zur Moderne, wie er sich um 1900 im ländlichen Westfalen vollzog. 

Die gemeinsam vom Stadtmuseum und der Friedrich-Hundt-Gesellschaft präsentierte Zeitreise umfasst die Jahre 1884 bis 1955. Sie  nimmt die Besucher mit in die Phase der industriellen Umbrüche, die immer mehr Traditionen verdrängt und schließlich verschwinden lässt.  "Zeitenwende" heißt die Wanderausstellung des LWL-Medienzentrums für Westfalen in Kooperation mit dem LWL-Museumsamt für Westfalen, die sich aus einem seltenen Glücksfall früher Fotografie speist:  Aus dem mit  2000  Glasplattennegativen reich bestückten Archiv des Dorfateliers Jägers -  ein Schatz der  inzwischen beim  LWL bewahrt wird - hat Dr. Volker Jakob, Leiter des Bild-, Film-, Tonarchivs im LWL-Medienzentrum für Westfalen, seine Auswahl getroffen. Zu sehen sind Motive vom Leben auf dem Land, Aufnahmen von Gebäuden, Brauchtum und faszinierende Portraits.

Das Besondere an der Sammlung: Eine überaus dichte, facettenreiche und biografisch präzise nachvollziehbare Bildüberlieferung - durchgehend ohne Brüche über 100 Jahre. ""Vier Generationen des 1884 gegründeten Fotoateliers haben Bilder ihrer Heimat geliefert. Sie zeigen, wie sich der Ort vom späten Biedermeier hin zur Moderne entwickelte", erklärt Dr. Jakob. Darüber hinaus lässt sich durch diese gesicherte Überlieferung die technische, wirtschaftliche und ästhetische Geschichte des fotografischen Gewerbes im ländlichen Raum Westfalen skizzieren. Und das ist laut Jakob eine einzigartige Gelegenheit, orts- und landesgeschichtliche Aspekte der Geschichte in Westfalen zueinander in Beziehung zu setzen. Fotodokumente dieser Phase aus Westfalen sind ohnehin rar gesät.


Zur Geschichte der Fotografie

Dabei hielt die Fotografie früh Einzug in Westfalen. Friedrich Hundt, ein junger Metallarbeiter, präsentierte bereits sechs Monate nach der spektakulären Entdeckung des Verfahrens der mechanischen Bildherstellung 1839 in Paris, in Münster selbst erzeugte "Daguerreotypien", kleine Bildunikate auf Silberplatten. Über die notwendigen Mittel zum Erwerb der teuren Unikate verfügte zunächst  nur die wohlhabende Oberschicht. Erst mit dem Einzug der  Papierfotografie und  ihrer beliebigen Vervielfältigung wurde die Fotografie erschwinglich. Bald ließen sich auch in anderen westfälischen Städten Fotografen nieder - ein dichteres Netz von Ateliers in Westfalen entstand.


Das Atelier Jäger in Harsewinkel

Johann Hermann Jäger, 1845 in Gütersloh geboren, stammte aus einer Buchbinder-Familie. Auf seinen Wanderjahren entdeckte er den Reiz des Fotografenhandwerks und richtete - zurück in Harsewinkel - ein Atelier ein. Immer mehr macht er die Fotografie zu seinem Beruf.  Er lichtet Bauern und Handwerker ab, fotografiert Brauchtum, setzt  feine Damen ins rechte Licht. Seine Portraits, darunter die eindrucksvollen Studien des "alten Meyer" oder  der "Schnieder-Moer" sind Beispiele bester  Fotokunst, sensibel ausgeleuchtet und sorgsam komponiert.  Neben der Auftragsfotografie dokumentiert Jäger die letzten malerischen Winkel der kleinen Stadt. Seine Aufnahmen zeigen Nachbarn oder Dorfbewohner in ihrem Alltag und ihrer Freizeit und Motive des öffentlichen Lebens. Seltener sind reportageartige Ereignisfotografien wie der Brand des Klosters in Marienfeld. Auch die Söhne -  Heinrich, Fritz und Ernst - treten in die väterlichen Fußstapfen. Der Jüngste führt bis zu seinem Tod 1963 das Atelier. Vier Generationen lassen über 100 Jahre lang die Besucher in der Ausstellung teilhaben an der "Zeitenwende".


INFO

Ausstellung "Zeitenwende - Aspekte der westfälischen Fotografie des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts", 11. Februar bis 13. April im Stadtmuseum Münster in Kooperation mit der Friedrich-Hundt-Gesellschaft. Zur Ausstellung ist ein Bildband erschienen (19,90 Euro). Er ist im Museumsshop oder über den Buchhandel erhältlich.


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