[WestG] [AUS] LWL-Freilichtmuseum zeigt in Sonderausstellung Lebensgeschichten aus dem Handwerk, Hagen

Pascal Pawlitta Pascal.Pawlitta at lwl.org
Do Jun 27 09:43:08 CEST 2013


Von: "Uta Wenning-Kuschel" <uta.wenning-kuschel at lwl.org>
Datum: 26.06.2013, 11:27


AUSSTELLUNG

"Mit Hand und Herz": LWL-Freilichtmuseum zeigt in Sonderausstellung Lebensgeschichten aus dem Handwerk

Menschen, die im Handwerk arbeiten rückt das LWL-Freilichtmuseum Hagen in seiner diesjährigen Sonderausstellung in den Mittelpunkt. Die Ausstellung, die der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) am 9. Juni eröffnet hat, zeigt, welche Faktoren die Lebenswege von Handwerkern prägen. Insgesamt werden 19 Lebenswege von Handwerkern aus Westfalen auf sehr persönliche und individuelle Art im Sonderausstellungsgebäude präsentiert. 

Hand auf`s Herz, wer hätte nicht gerne einen Beruf, von dem er sagt: "Das ist mein Leben"? Es gibt einige Berufsfelder, in denen sich berufliches und privates Interesse verbinden lassen. Handwerksberufe gehören oft dazu. So stellt Tischlermeister Friedel Papenfort aus Rheda-Wiedenbrück rückblickend fest: "Mein Beruf - das war mein Leben." 

Friedel Papenfort ist einer der Handwerker, die für die diesjährige Sonderausstellung des LWL-Freilichtmuseums Hagen aus ihrem Leben erzählt haben. Seine Begeisterung für das eigene Handwerk, das er mit Herz und Hand ausübt, findet sich bei vielen Handwerkern. Diese Liebe zum Beruf entspricht einer Berufung und  prägt die Lebenswege vieler im Handwerk. Sie zieht sich wie ein roter Faden durch die Lebensläufe der befragten Handwerker.


Biografie ist nicht gleich Biografie

Erinnerung ist immer selektiv. Das heißt, man erinnert sich an Ereignisse und Erfahrungen, die für einen selbst wichtig sind; Unwichtiges hingegen gerät schneller in Vergessenheit. "Für die Ausstellung haben wir aus der Vielzahl der erinnerten Themen und der gezeigten Objekte eine bewusste Auswahl getroffen, nicht aber die einzelnen Lebenswege bewertet. Wir haben die Faktoren ausgewählt, die die Lebenswege im Handwerk prägen, die in mehreren Biografien zu finden sind und daher eine gewisse Beispielhaftigkeit ermöglichen. Denn es gilt: Biografie ist nicht gleich Biografie und trotz aller Individualität der Erinnerung und Lebenswege gibt es Gemeinsamkeiten", erklärt Ausstellungsmacherin Dr. Lisa Maubach. 

Vier Leitthemen benennen diese prägenden Faktoren: "Familie verpflichtet?", "Innovation", "Qualifizierung, Weiterbildung, Umschulung" und "Zweites Standbein". Zu jedem Leitthema gibt es biografische Beispiele, die in der Ausstellung auf "Lebensbühnen" präsentiert werden. Zwei Beispiele: Die Biografie der Tischlermeisterin Ursula Sandhäger steht für "Familie verpflichtet?". Ursula Sandhäger ist die vierte Generation einer Tischlerfamilie aus Rheda-Wiedenbrück. Nach dem Schulabschluss entscheidet sie sich in den 1980er Jahren für den Tischlerberuf. Sie findet kaum einen Ausbildungsplatz, weil sie einen für Mädchen damals noch untypischen Beruf ergreifen möchte. Schließlich absolviert sie die Lehre bei ihrem Vater. Als Gesellin geht sie in andere Werkstätten, u. a. nach Dresden. Nach der Meisterprüfung heiratet sie einen Landwirt. Vier Kinder und die Mitarbeit auf dem Hof lassen kaum Zeit für ihren erlernten Beruf. Ihr Meisterbrief, ein Hochzeitsfoto und eine selbstgebaute Stehlampe sind in der Ausstellung Zeichen ihrer Biografie. 

Die Biografie des Gelsenkirchener Maßschneiders Peter Hanns Balk steht für die Gruppe "Zweites Standbein". Seine handgefertigten Produkte werden von industrieller Massenware verdrängt. Um am Markt bestehen zu können, findet Peter Hanns Balk neue Produktfelder: Er fertigt Kostüme fürs Theater, Varieté und Zirkus und verarbeitet Pelze. Dafür benötigt er zusätzliches Werkzeug und kauft von einem Kürschner eine Pelznähmaschine.

Nur durch die erzählte Lebenserinnerung wird die Bedeutung der Objekte in der Ausstellung erkennbar. Sie machen die Erinnerungen für die Besucher sichtbar. Die Pelznähmaschine ist ein Zeichen für den wirtschaftlichen Umbruch, der Meisterbrief für fachliches Know-how und das Hochzeitsfoto markiert eine Weichenstellung für den weiteren Lebensweg. 

Die Ausstellung lebt von den vorgestellten Persönlichkeiten. Sie lassen die Besucher an ihren unterschiedlichen privaten und beruflichen Leben teilhaben und gewähren sehr persönliche und manchmal überraschende Einblicke in ihre Lebenswege. Dabei ermöglichen sie den  Ausstellungsbesuchern auch Bezüge zur eigenen Biografie. So wird ein Meisterbrief des Opas vielleicht mit anderen Augen betrachtet.


Fokus Arbeitswelt

Der Fokus auf die arbeitenden Menschen mit ihren Erfahrungen und Erinnerungen bietet Einblicke in die Arbeitswelt des Handwerks. Der Beruf dient der Existenzsicherung und ist daher sinnstiftend für die persönliche Identität. Er prägt den individuellen Lebensweg. Aber die Arbeit prägt nicht nur den Einzelnen, sondern unterliegt selbst dem Einfluss der jeweiligen wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Situation. Diese Wechselwirkung zwischen Arbeit und äußeren Rahmenbedingungen sowie ihrem Einfluss auf individuelle Lebenswege nachzugehen, ist eine der Aufgaben des Kompetenzzentrums Handwerk und Technik im LWL-Freilichtmuseum Hagen. Die diesjährige Sonderausstellung zeigt erste Ergebnisse der Arbeit des Kompetenzzentrums, das im Herbst 2011 gegründet wurde.


Hintergrund

Diese Ausstellung rückt die im Handwerk arbeitenden Menschen in den Mittelpunkt, bezieht die Handwerkerinnen und Handwerker selbst mit ein. Für die Ausstellung berichteten zwei Handwerkerinnen und 13 Handwerker von ihren eigenen Lebenswegen, einige darüber hinaus auch von bereits verstorbenen Familienangehörigen. Sie erzählten nicht nur, sondern zeigten Gegenstände, die für ihre Lebensgeschichten bedeutsam sind: Urkunden, Werkzeuge und Werkstücke. Das Blättern in Fotoalben und in Ordnern mit Zeugnissen rief weitere Erinnerungen hervor, so dass am Ende der Gespräche viele  Informationen zusammenkamen. Lisa Maubach ergänzte diese Informationen durch weitere Forschungsergebnisse in Archiven. Insgesamt werden nun 19 Biografien in der Ausstellung gezeigt. 

Die Ausstellung ist bis zum 31. Oktober zu sehen. Dazu gibt es ein Begleitbuch, 80 Seiten, ISBN 978-3-926190-28-4, 6,80 Euro.


INFO

Veranstaltungsort:
LWL-Freilichtmuseum Hagen
Westfälisches Landesmuseum für Handwerk und Technik
Mäckingerbach
58091 Hagen

Tel.: 02331 7807-0
Fax: 02331 7807-120
E-Mail: freilichtmuseum-hagen at lwl.org 

Zeitraum: 09.06.-31.10.2013


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