[WestG] [AKT] LWL-Industriemuseum erwarb hochkaraetige Ansichtskarten zur Bergbaugeschichte
Alexander Schmidt
Alexander.Schmidt at lwl.org
Fr Jul 29 11:45:32 CEST 2011
Von: "LWL-Pressestelle" <presse at lwl.org>
Datum: 27.07.2011, 12:44
AKTUELL
Zechenkarten über Streik, Zwangsarbeit, Weltwirtschaftskrise
LWL-Industriemuseum erwarb hochkarätige Ansichtskarten zur
Bergbaugeschichte
Im Zeitalter der Digitalfotografie gibt es eine wahre
Bilderflut. Das war vor 100 Jahren anders. So wurden zwar um
1900 von populären Motiven wie dem Hohensyburger Kaiserdenkmal
zahlreiche Ansichtskarten gedruckt. Zechenkarten hingegen sind
sehr selten und dementsprechend auf dem Sammlermarkt heiß
umkämpft.
Umso wertvoller sind die jüngsten Neuzugänge in der Sammlung
des LWL-Industriemuseums. 30 seltene Zechenpostkarten konnte
der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) jetzt aus dem Erbe
eines verstorbenen Sammlers erwerben. 20 dieser Karten wurden
kurzfristig in die Sonderausstellung "Von Alma bis Zollverein.
Ruhrbergbau im Spiegel der Ansichtskarte" integriert, die noch
bis 25. Oktober im Rahmen der Reihe "Galerie Industriearbeit"
im LWL-Industriemuseum Zeche Zollern zu sehen ist.
Die Bildquellen zeigen zumeist längst abgerissene Bergwerke,
darunter auch Motive von hohem sozialgeschichtlichen Wert. So
ist auf einer Zechenkarte aus Dorsten die "Rückkehr der
Kriegsgefangenen ins Lager" abgebildet. Es handelt sich um
Zwangsarbeiter, die während des Ersten Weltkriegs auf Zeche
Fürst Leopold eingesetzt wurden. "Es ist das erste Mal in
meiner 25-jährigen Sammeltätigkeit, dass mir eine solche
Darstellung unterkam", freut sich Dr. Thomas Parent,
stellvertretender Direktor des LWL-Industriemuseums, über den
wertvollen Neuerwerb.
Zwei frühe Sammelbilder aus Essen-Katernberg ergänzen die Zeche
Zollverein I/II - ursprünglich eine symmetrische Anlage mit
zwei Malakofftürmen - mit Darstellungen von Amtshaus und Kirche,
Bahnhof und Kaiser-Wilhelm-Turm. Reizvoll sind Sammelbilder,
die Bergwerke mit Burgen aus vorindustrieller Zeit
kontrastieren: Zeche Altendorf mit der Ruine Altendorf in
Essen-Burgaltendorf, Zeche Neu-Iserlohn mit Schloss Dellwig in
Dortmund-Lütgendortmund.
Eine Farbkarte der Zeche Julia in Herne dokumentiert nicht nur
die Jugendstil-Fassaden der Tagesanlagen, sondern auch den
"Baderaum für die Arbeiter" und den "Umkleideraum". Vor dem
Zechentor von Victor in Castrop-Rauxel haben sich 1905
streikende Bergleute versammelt. In der Gruppe sind auch
Bergarbeiterfrauen zu sehen, die sich mit ihren Männern
solidarisieren. Auf dieser Ansichtskarte, die laut Poststempel
erst sechs Jahre später verschickt wurde, ist der originale
Erläuterungstext, der gezielt auf den Bergarbeiterstreik
hinwies, nachträglich wegretouchiert worden. Parent: "Offenbar
erschien er 1911 nicht mehr zeitgemäß, sondern
verkaufsschädigend."
In Hamm-Hövel zeigt eine Ansichtskarte von 1908 einen
Leichenzug und ein Massengrab, nachdem eine
Schlagwetterexplosion auf Zeche Radbod mehr als 350 Todesopfer
gefordert hatte. Ein weiteres Sammelbild kombiniert die
Tagesanlagen von Radbod mit den Skulpturen des Denkmals, das
noch heute an dieses Unglück erinnert. Zu sehen sind ein
kniender Bergmann und eine trauernde Witwe mit weinender
Tochter. Mit Poststempel vom 7.1.1933 wurde eine Neujahrskarte
des Bergwerks Sachsen in Hamm-Heessen verschickt. Der
aufgedruckte Erläuterungstext spielt auf die
Weltwirtschaftskrise an: "Bedroht vom Stilllegungstode.
Deutsche helft uns! Ihr helft Euch selbst."
Ruhrgebiets-Geschichte wird auch in zwei neu angekauften
Ansichtskarten widergespiegelt, die keine Kohlenzechen
abbilden. Ein Sammelbild aus Dortmund-Dorstfeld zeigt "Zieglers
Wintergarten" mit Restauration und Bierkeller. In dieser
Gastwirtschaft wurde 1889 der Alte Verband gegründet, die
Keimzelle der Bergarbeitergewerkschaft. Bei einer
Straßenansicht aus Dortmund-Bövinghausen, deren Briefmarke mit
Porträt Friedrich Eberts am 11.9.1931 abgestempelt wurde, ist
der ursprüngliche Straßenname durch Retouche unleserlich
gemacht worden. "Er lautete Kronprinzenstraße und war nach der
Ablösung der monarchischen Herrschaft in Deutschland durch die
Weimarer Demokratie nicht mehr zeitgemäß", erläutert Historiker
Parent. Aufgestempelt wurde nun nachträglich der neue Name:
"Bövinghauserstr."
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