[WestG] [AKT] Detektivarbeit im Untergrund: Stadtarchaeologe Johannes W. Glaw untersucht Knochenfunde an der Apostelkirche

Alexander Schmidt Alexander.Schmidt at lwl.org
Do Jul 28 10:56:17 CEST 2011


Von: "Stadt Gütersloh" <info at presse-service.de>
Datum: 27.07.2011, 12:49


AKTUELL

Detektivarbeit im Untergrund
Stadtarchäologe Johannes W. Glaw untersucht Knochenfunde an der 
Apostelkirche

Vorsichtig hebt Johannes W. Glaw das zerbrechliche Fundstück 
aus der Erde. Es ist ein menschlicher Totenkopf. War es Mord? 
Keiner der Bauarbeiter am Veerhoffhaus hatte sich zuvor richtig 
herangewagt. Doch der Stadtarchäologe winkt ab. Nach seiner 
Schätzung liegt der Tote hier mindestens schon 200 Jahre 
vergraben - friedlich.

Ruckartig verstummten am 12. Mai die Maschinen. Arbeiter waren 
beim Ausheben eines Kabelschachtes an der Apostelkirche auf 
Knochen gestoßen. Braun, fast holzartig stachen ein 
Schädelfragment und ein Oberkiefer samt vier Zähnen aus der 
Erde heraus. Die Männer staunten nicht schlecht. Ihr erster 
Anruf ging jedoch nicht bei der örtlichen Polizei ein, sondern 
direkt bei Ulrich Paschke von der Denkmalbehörde. Den 
schockierte die Nachricht nicht, schließlich weiß er genau, 
dass sich bis zum Jahr 1828 ein Friedhof auf dem Rasen vor der 
Apostelkirche befand. Ein Fall also für den Archäologen 
Johannes Glaw.

Verpackt in Pappkartons und Tüten liegen die Knochen jetzt 
wohlbehalten in Glaws Arbeitszimmer. Auf den ersten Blick 
verraten hier zahlreiche Stücke wie Beilspitzen, Steine und 
weitere Exponate seine Leidenschaft für die Archäologie. Im 
Hauptberuf Lehrer für Kunst und Mathe am Evangelisch 
Stiftischen Gymnasium, studierte Glaw zeitgleich von 2001 bis 
2006 Archäologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität 
Münster.

"Es ist eine zentrale Kulturwissenschaft, die mich total 
fasziniert", schwärmt der Pädagoge. Nur zu gerne verbringt er 
seine Freizeit als ehrenamtlicher Stadtarchäologe Güterslohs 
und wird oft zu Baustellen in der Innenstadt gerufen. Die 
Archäologie sei keine Schatzsuche, vielmehr baue sie auf 
Vermutungen. Auch wenn der letzte Knochenfund an der 
Apostelkirche schon rund 25 Jahre zurückliege, könne er bei 
gezielten Grabungen sicher noch jede Menge mehr Knochen unter 
dem Rasen finden. Das Gräberfeld reichte damals bis an die 
Häuserreihe am alten Kirchplatz heran, vermutet Glaw. Weil der 
Platz um 1828 irgendwann nicht mehr ausreichte, der neue 
Friedhof an der St. Pankratius Kirche allerdings erst 1831 
angelegt wurde, mussten die Gütersloher ihre Toten wohl oder 
übel auf dem offenen, zur Kirche gehörigen Gelände begraben.

"Ein schöner aber kein ungewöhnlicher Fund", sagt der 
Archäologe über die jüngsten Knochenfunde und blättert in 
seinem Notizbuch. Dort hat er den exakten Fundort, die 
Ausrichtung der Knochen und weitere wichtige Details genau 
dokumentiert. Neben Schädel- und Kieferknochen fand Glaw eine 
Rippe, Lenden- und Brustwirbel sowie handgeschmiedete Nägel und 
ein Stück einer Tonpfeife. "Die Knochen müssen jedoch nicht 
zwangsläufig zur gleichen Person gehören", warnt er vor 
voreiligen Schlüssen. Einzig eine DNA-Analyse könne Gewissheit 
bringen, doch das sei viel zu aufwändig und kostspielig und es 
der Sache nicht wert. Ziemlich sicher schätzt Zahnarzt Dr. 
Wilfried Beckmann jedoch das Alter des Toten auf 22 bis 26 
Jahre. Denn ganz deutlich zeigt sich im Gebiss ein 
Weißheitszahn, der gerade erst im Durchbruch ist. Auch Dr. 
Ulrich Schröder, Unfallchirurg am Klinikum Gütersloh, 
bestätigte diese Schätzung anhand der Anlage der 
Schädelplatten. Ob es sich hierbei jedoch um einen Mann oder 
eine Frau handelt, kann keiner der Mediziner ohne Gentest 
feststellen.

Ihre letzte Ruhestätte finden die Gebeine des Toten jetzt 
sorgfältig beschriftet in einer einfachen Pappschachtel im 
Stadtmuseum. "Es gibt in Gütersloh für solche Zwecke leider 
kein Beinhaus", erklärt der Archäologe. So fügt sich ein Stück 
Gütersloher Geschichte zum großen Puzzelteil hinzu - und 
Johannes Glaw begibt sich weiter auf Spurensuche.


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