[WestG] [AUS] "Wie wir wurden, was wir nicht werden sollten.": Frauen im Aufbruch zu Amt und Wuerden, Museum Burg Vischering, bis 06.06.2010

Alexander Schmidt Alexander.Schmidt at lwl.org
Mi Mai 12 12:42:32 CEST 2010


Von: "Reinhild Mackowiak" <Reinhild.Mackowiak at kreis-coesfeld.de> 
Datum: 12.05.2010, 12:11 


AUSSTELLUNG

"Wie wir wurden, was wir nicht werden sollten." 
Frauen im Aufbruch zu Amt und Würden 
 
Wanderausstellung zeichnet 26 Lebenswege nach 
 
Im Wintersemester 1908/09 durften Frauen in Preußen zum ersten 
Mal regulär studieren. Zehn Jahre später erhielten sie das 
aktive und passive Wahlrecht und übten es 1919 erstmals aus. 
1949 schrieb das Grundgesetz die Gleichberechtigung beider 
Geschlechter fest. Damit erfolgten bedeutsame Weichenstellungen 
im Verhältnis von Frauen zu Männern. Doch tatsächlich ist der 
Weg von Frauen in politische Ämter und akademische Positionen 
beschwerlich und hürdenreich.

"Wie wir wurden, was wir nicht werden sollten. Frauen im 
Aufbruch zu Amt und Würden" lautet der Titel einer 
Wanderausstellung des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe, die 
bis zum 6. Juni 2010 im Museum Burg Vischering zu sehen ist. 
Die Schau zeichnet am Beispiel Westfalens den hürdenreichen Weg 
von Frauen nach. Im Mittelpunkt stehen 26 Bürgerinnen, deren 
Lebenswege modellhaft den langsamen Wandel von Mentalitäten und 
Möglichkeiten zeigen. Eine von ihnen ist Elisabeth Küper 
(geboren 1901) aus Dülmen, die seit den 1930er Jahren aktiv in 
der Gewerkschaft tätig war. Nach dem Krieg setzte sie ihr 
politisches Engagement fort: Sie gehörte zu den Mitbegründern 
der CDU im Kreis Coesfeld, seit 1946 war sie Mitglied im ersten 
Landtag Nordrhein-Westfalens, 1967 wurde ihr das 
Bundesverdienstkreuz verliehen. Bis zu ihrem Tod im Jahr 1991 
blieb sie politisch und sozial aktiv.

Preußen gehört in Europa zu den Schlusslichtern, als Frauen 
1908 das Recht zum akademischen Studium erhalten. Nun stehen 
ihnen theoretisch alle Laufbahnen offen. Unabhängig von Ehemann 
oder Familie können sie aus eigener Kraft gehobenen 
Lebensstandard und gesellschaftliche Anerkennung erreichen. 
Doch bis weit in die Nachkriegszeit ist der Weg von Frauen in 
öffentliche Ämter, Wirtschaft und freie Berufe beengt durch 
rechtliche Einschränkungen, gesellschaftliches Frauenbild und 
finanzielle Hürden.

Individuelle Schicksalsschläge können jederzeit eine 
akademische Ausbildung beenden. Die politischen Zäsuren der 
ersten Jahrhunderthälfte führten zum massenhaften 
Studienabbruch junger Frauen unabhängig von ihrer Befähigung. 
Hyperinflation (1923) und Weltwirtschaftskrise (1932) entzogen 
vielen Familien die finanzielle Grundlage. Vor allem junge 
Frauen mussten beruflich umsatteln. Im Mittelpunkt der 
familiären Förderung stand die Unterstützung des Ehemannes oder 
die der Söhne. Ähnliche Entwicklungen brachte der Zweite 
Weltkrieg. Flucht und Vertreibung durchkreuzten die Lebenspläne 
zahlloser junger Frauen trotz erfolgreicher Studienverläufe. 
Beim Neuanfang hatte die Schaffung einer neuen Existenz und 
Familiengründung Vorrang.

Das Frauenstudium stellte die traditionellen Leitbilder von 
Männern und Frauen in Frage. Konservative begegneten der 
akademisch gebildeten Frau zunächst mit Skepsis, schätzen sie 
aber bald als Partnerin auf Augenhöhe. Ehen zwischen der 
"studierten Tochter aus gutem Hause" und dem bereits 
etablierten Akademiker kommen in Mode. Die examinierte Ehefrau 
stützt die beruflichen Ziele des Mannes, repräsentiert souverän,
 fördert die Bildung der Kinder und engagiert sich 
ehrenamtlich. Das neue Leitbild setzt sich im Bürgertum seit 
den späten 1920ern durch. Ehe und Mutterschaft sind für die 
meisten Studentinnen vorrangiges Lebensziel. Die akademische 
Qualifikation dient vielen nur als Faustpfand für Notlagen. Die 
Vereinbarkeit von Ehe und Beruf bleibt ein Zukunftsthema.

Der Weg zum akademischem Beruf ist steinig. Finanzieller 
Rückhalt, hervorragende Leistungen und Netzwerke sind lange 
unabdingbare Voraussetzungen für den Einstieg. Die frühen 
Akademikerinnen entstammen gutsituierten Familien, fast immer 
ist der Vater selbst Akademiker. Oft gibt er den Impuls zum 
Studium. Aber auch Männermangel und wirtschaftlicher Druck 
führen zu neuen Rollenvorstellungen. Leitbild wird nun die 
junge Frau, die »standesgemäß« für sich selbst sorgen kann. 
Dieser Weg steht seit Mitte der 1950er auch Frauen aus anderen 
Milieus offen. Langsam bessern sich Schulangebot und 
finanzielle Förderung. Die mentalen Hürden aber halten sich 
lange: Ein Studium der Tochter gilt als verlorene Investition. 
Besonders schwierig ist die Situation des »katholischen 
Mädchens vom Lande«. Viele junge Frauen müssen sich ihren Weg 
gegen ihre Familie freikämpfen.

Die Ausstellung, ein Projekt des Industriemuseums Zeche Zollern,
 Dortmund mit dem Institut für Regionalgeschichte, Münster in 
Kooperation mit dem Museumsamt für Westfalen, wird in den 
kommenden zwei Jahren durch Westfalen touren. Der begleitende 
Katalog kostet 14,95 €.

Führungen können unter 02591-7990-11 gebucht werden.


INFO

Kontakt:
Berenbrock 1
59348 Lüdinghausen
Tel.: 02591-7990-12
Fax: 02591-7990-29


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