[WestG] [AKT] Von Blasmusik, Fahnenschlag, Bier und Koenigen: LWL-Volkskundler geben Einblicke ins Schuetzenwesen

Alexander Schmidt Alexander.Schmidt at lwl.org
Di Mai 11 09:16:03 CEST 2010


Von: "LWL-Pressestelle" <presse at lwl.org>
Datum: 10.05.2010, 11:51


AKTUELL

Von Blasmusik, Fahnenschlag, Bier und Königen 
LWL-Volkskundler geben Einblicke ins Schützenwesen

Seit Anfang Mai ist es wieder soweit: die Schützenfestsaison 
beginnt. Eines der ersten Schützenfeste in Westfalen wird 
wahrscheinlich dasjenige der Wehringhauser Schützengesellschaft 
aus Hagen sein, das bereits am 4. und 5. Mai stattfand. In 
diesem Jahr steht für die westfälischen Schützenvereine eine 
besondere Veranstaltung an: Der Bund Historischer Deutscher 
Schützenbruderschaften veranstaltet in der Zeit vom 14. bis 16. 
Mai in Rietberg (Kreis Gütersloh) den 55. Bundesköniginnentag, 
um die Arbeit von Frauen in den Bruderschaften und in der 
Gesellschaft zu würdigen.

"Jetzt geht es Schlag auf Schlag. Es gibt bis zum September 
fast keine Woche, in der nicht irgendwo in Westfalen 
Schützenfest gefeiert wird", weiß Christiane Cantauw, 
Geschäftsführerin der Volkskundlichen Kommission für Westfalen 
beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL). "Besonders 
beliebt sind die Schützenfesttermine im Juni und Juli, weil man 
in diesem Monaten eher auf gutes Wetter für die Feier unter 
freiem Himmel hoffen kann. Auf der anderen Seite bevorzugten 
die Bauern traditionell eher einen Termin vor Pfingsten, weil 
in der Zeit zwischen Säen und Mähen weniger Arbeit anfiel", so 
die LWL-Volkskundlerin weiter.

Wann und wie lange Schützenfest gefeiert wird, ist von Verein 
zu Verein unterschiedlich. Manche Vereine haben einen seit 
Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten feststehenden Termin, andere 
legen den Schützenfesttermin jedes Jahr neu fest. Während 
einige Vereine von Samstag bis Montag feiern, gibt es in 
anderen Vereinen lediglich ein eintägiges oder sogar ein 
fünftägiges Schützenfest.

"Viele der westfälischen Schützenvereine blicken auf eine 
erstaunlich lange Tradition zurück. Teilweise führen sie ihre 
Existenz auf spätmittelalterliche Bürgerwehren zurück", erklärt 
Cantauw. Die wohl ältesten Vereine gibt es in Dortmund (1378), 
Nottuln im Kreis Coesfeld (1383), Breckerfeld im 
Ennepe-Ruhr-Kreis (1396), Datteln im Kreis Recklinghausen (1397)
, Hattingen im Ennepe-Ruhr-Kreis (1403), Attendorn im Kreis 
Olpe (1410), Geseke im Kreis Soest (1412) und Brilon im 
Hochsauerlandkreis (1417). "Auf der anderen Seite gibt es aber 
auch nicht wenige Vereine, die im 19. Jahrhundert von stolzen 
Bürgern als 'Bürgerschützenverein' zum Zweck der Geselligkeit 
gegründet wurden".

Hintergrund
Viele Nicht-Schützen vertreten die Ansicht, dass alle 
Schützenvereine und alle Schützenfeste irgendwie gleich sind. 
"Das stimmt nicht", betont Cantauw. "Da gibt es teilweise 
immense Unterschiede. Allein schon wenn man die sauerländischen 
Schützenvereine mit den münsterländischen vergleicht. Oder wenn 
man sich die Strukturen in den älteren und jüngeren, den 
städtischen und ländlichen Vereinen einmal genauer ansieht, 
wird man feststellen, dass mancher Brauch, den man für längst 
vergessen hielt, noch geübt wird und dass vieles, was man für 
selbstverständlich hielt, seine prägende Kraft längst verloren 
hat".

Nach wie vor gehört das Schützenfest für viele Menschen zu den 
wichtigsten Festen im Jahr. Und auch wenn es im Dorf nicht mehr 
selbstverständlich ist, Mitglied eines Schützenvereins zu sein, 
so wollen doch viele ehemalige Dorfbewohner noch Jahre nach 
ihren Wegzug das Fest um keinen Preis verpassen und planen am 
Schützenfestwochenende einen Besuch in ihrem Heimatort ein.

In vielen Orten hatten die Schützenvereine eine integrative 
Wirkung: "Manchen Vereinen gelang es tatsächlich über 
konfessionelle und soziale Grenzen hinweg Einigkeit zu 
schaffen. Auch Zugezogene und Vertriebene fanden teilweise über 
die Schützenvereine einen ersten Zugang zur einheimischen 
Bevölkerung", weiß Cantauw, die über die vielen Facetten staunt,
 die eine eingehendere Beschäftigung mit dem Schützenwesen zu 
Tage fördert. "Da gibt es Gecken und Schützenköniginnen, 
Kinderschützenfeste und Papageien, mannigfaltige Uniformen und 
verschiedenartigste Waffen, Fahnenschlag und Blasmusik und vor 
allem ist nicht alles so bierernst, wie ich zunächst gedacht 
habe".

Buch "Schützenfeste in Westfalen"
Einen Zugang zum Thema gewährt das Buch "Schützenfeste in 
Westfalen. Bekannte Ansichten - ungewohnte Einblicke" von 
Britta Spies und Barbara Stambolis. Auf 144 Seiten und 212 
Fotos bleibt kaum ein Aspekt des Schützenfestes 
unberücksichtigt. "Mich hat bei diesem Buch besonders die 
gelungene Zusammenstellung der Fotos begeistert, die durch die 
Gegenüberstellung von Erwachsenen und Kindern, Männern und 
Frauen, Tradition und Moderne wirklich "ungewohnte Einblicke" 
schafft", betont Cantauw.

Das Buch ist im Ardey-Verlag erschienen und zum Preis von 19,90 
Euro im Buchhandel erhältlich (ISBN 9783870232665).


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