[WestG] [AUS] Werl: Mythos Wald, 26.03.2009-10.05.2009

Marcus Weidner Marcus.Weidner at lwl.org
Do Mär 26 12:25:24 CET 2009


Von: "Günter Bernhardt" <guenter.bernhardt at lwl.org>
Datum: 26.03.2009, 12:19


Ausstellung

Mythos Wald - Eine Ausstellung des LWL-Museumsamtes für Westfalen

Museum Forum der Völker / Völkerkundemuseum der Franziskaner
Melsterstr. 15, 59457 Werl
Ersteröffnung am 26. März 2009 um 19.30 Uhr
Ausstellungsdauer: 26. März bis 10. Mai 2009

Ansprechpartnerin: 
Ann-Katrin Thomm, Tel. 0251- 591- 4754, ann-katrin.thomm at lwl.org 


Am 26. März 2009 eröffnet die Ausstellung "Mythos Wald" im Museum Forum
der 
Völker. Die Wanderausstellung des LWL-Museumsamtes für Westfalen wird
bis Mitte 
Juli 2010 noch in sieben weiteren Museen in der Region gezeigt. Die
2000. 
Wiederkehr der "Schlacht im Teutoburger Wald" veranlasste das
LWL-Museumsamt 
für Westfalen, sich in einer Ausstellung mit einem Thema zu
beschäftigen, das zwar 
inhaltlich in das Spektrum passt, aber keinen konkreten Bezug auf das
historische 
Ereignis nimmt. Die Ausstellung, das Begleitbuch und die
museumspädagogischen 
Programme thematisieren die kulturell geprägten Perspektiven auf das 
Naturphänomen Wald - das Geflecht aus Bildern und Texten, das um den
Wald in 
Deutschland in den letzten beiden Jahrhunderten entstand. Es geht darum
zu 
verstehen, was ein Mythos in modernen Gesellschaften ausmacht und wie
er 
funktioniert. Denn als Erzählung besteht ein Mythos nicht von alleine,
sondern muss 
immer wieder von Menschen in Bilder und Texte gefasst und aktualisiert
werden. Ziel 
der Wanderausstellung ist es, den Ausstellungsbesucher zum Nachdenken
über den 
"Wald in unseren Köpfen" anzuregen. Denn unsere Wälder sind sicherlich
vieles, 
doch eins schon lange nicht mehr: natürliche, von Menschenhand
unberührte 
Refugien.

Die Ausstellung erzählt den "Mythos Wald" anhand ausgewählter
Schwerpunkte. Es 
sind dies: "Waldeinsamkeit", "Märchenwald", "Gemütswald", "Deutscher
Wald" und 
"Waldidylle - schon gestorben". Gemeinsam stehen sie für eine spannende
und 
wechselhafte Kulturgeschichte. Die Ausstellungsexponate sind
ausgewählte 
künstlerische und triviale Aneignungs- und Vermittlungsformen des
"Mythos Wald". 
Dem Ausstellungsbesucher werden u.a. Bilder, Plakate, Fotos und Bücher
gezeigt, 
die zum Entstehen und zur Entwicklung des "Mythos Wald" beitrugen.
Besondere 
Highlights der Ausstellung sind: eine Aquatinta zu Carl Maria von
Webers Oper "Der 
Freischütz" sowie eine kleine Bühneninszenierung mit Hörstation,
Entwürfe von Otto 
Hunte zu Fritz Langs Film "Die Nibelungen" und signierte Plakate des
Künstlers 
Klaus Staeck. Außerdem gibt die Ausstellung einen Einblick in die 
nationalsozialistische Instrumentalisierung des "deutschen Waldes"
anhand eines 
kurzen Filmausschnitts aus "Ewiger Wald" (1936). Das älteste Exponat in
der 
Ausstellung ist fast 200 Jahre alt: Es ist ein Exemplar aus der
Berleburger 
Holzbibliothek, die einzigartig in Nordrhein-Westfalen ist.


Der "Mythos Wald" ist ein Beispiel für Mythen in modernen
Gesellschaften: Einst 
dienten sie der sinnbildlichen Erklärung unseres Daseins. Weil ein
Mythos die 
Vergangenheit idealisiert, entdeckten national Denkende das
gemeinschafts- und 
identitätsstiftende Potenzial - ein Schicksal, das auch den "deutschen
Wald" ereilte.
Der Ausstellungsbereich "Waldeinsamkeit" steht für die Entdeckung des
Waldes in 
der Kunst und der Literatur im frühen 19. Jahrhundert als Ort der
Abgeschiedenheit 
vom hektischen Alltag. Es war die Reaktion von Intellektuellen auf die
Entfremdung 
von Mensch und Natur, die durch die beginnende Industrialisierung und 
Modernisierung der Gesellschaft im frühen 19. Jahrhundert immer
offensichtlicher 
wurde. Diese inszenierten Wälder waren nicht mehr nur eine Ansammlung
von 
Bäumen, sondern ein in sich geschlossener Raum - tief und
unergründlich, aber 
auch idyllisch und friedlich. Der "Mythos Wald" entfaltete seine
Wirkung in Bildern  
und Texten, aber auch in der Musik. Die Oper "Der Freischütz" von Carl
Maria von 
Weber brachte den Wald in den frühen 1820er Jahren in urtümlicher Weise
auf die 
Bühne.

"Märchenwald" heißt der zweite Ausstellungsbereich. Der "Märchenwald"
ist der 
sagenhaft-magische Schauplatz vieler Erzählungen und popularisierte den
Wald als 
mythische Welt. Die Grimmschen Märchen lösten eine wahre Bilderflut mit

märchenhaften Waldszenen aus: "Rotkäppchen" erstrahlte mit dem "bösen
Wolf" im 
Wald auf Porzellantellern und "Hänsel und Gretel" brachten als
Papiertheater den 
Wald in die bürgerlichen Wohnstuben.

Der "Gemütswald", wie der dritte Ausstellungsbereich heißt, machte den
"Mythos 
Wald" zu einer gelebten Fiktion. Gestresste Stadtbewohner gingen in den
Wald, um 
in der vermeintlich urwüchsigen Idylle Geist und Körper zu erholen.
Insbesondere der 
Tourismus griff das Idealbild des Waldes als Ursprungslandschaft und
Symbol für 
Ruhe und Einsamkeit auf. Vom "Mythos Wald" blieb ein leicht
konsumierbares 
Klischee übrig.

"Deutscher Wald" ist der vierte Ausstellungsschwerpunkt. Seine Kraft
entfaltet der 
"Mythos Wald" mit dem Aufstieg des "deutschen Waldes" zum
identitätsstiftenden 
Kollektivsymbol: Hermann der Cherusker und sein mutiges Waldvolk wurden
fester 
Bestandteil deutscher Geschichtsschreibung und der Wald zum
Ursprungsort der 
deutschen Kultur. Im Zuge der Radikalisierung des nationalen Denkens
wurde der 
"Deutsche Wald" und das "Deutsche Volk" zu einer Schicksalsgemeinschaft

verquickt. Die Nationalsozialisten trieben diese Entwicklung auf die
Spitze - was die 
Ausstellung u.a. anhand eines Filmausschnittes aus dem
NS-Propagandafilm 
"Ewiger Wald" veranschaulicht. Sie forderten, dass die
"Volksgemeinschaft" wie die 
"Waldgemeinschaft" auf Ungleichheit, Unterordnung und Ausgrenzung alles

"Fremden" basieren sollte.

Im letzten Teil der Ausstellung stellt sich die Frage: "Waldidylle -
schon gestorben?". 
Denn obwohl der Wald wegen seiner braunen Vergangenheit als nationales

Identifikationsangebot nach 1945 fragwürdig geworden war, hatte der
"Mythos Wald" 
ein Nachleben - z. B. in den  Heimatfilmen der 1950er Jahre. In den
1980er Jahren 
fanden die Deutschen erneut ihren Bezugspunkt im Wald, um die Probleme
und 
Gefahren des steigenden Konsums der westlichen Industriegesellschaften
zu 
diskutieren. "Waldsterben" ging als Inbegriff für die westdeutschen
Umweltdebatten 
um die Welt.

Zur Ausstellung erscheint die Begleitpublikation "Mythos Wald".
Erhältlich in den 
Museen; Bestellungen auch über LWL-Museumsamt für Westfalen: 
wma.info at lwl.org (Preis: 13,00 €  zzgl. Porto).

Autoren und Aufsätze:

Ann-Katrin Thomm "Mythos Wald - Der deutsche Wald als
Sehnsuchtslandschaft 
und Kollektivsymbol"
Eva Maringer "Natur als Spiegelbild der Seele. Der Wald in der
deutschen Malerei 
der Romantik (1790-1840)
Johannes Zechner "Vom Naturideal zur Weltanschauung. Die Politisierung
und 
Ideologisierung des deutschen Waldes zwischen Romantik und
Nationalsozialismus"
Birgit Metzger, Martin Bemmann, Roland Schäfer "Erst stirbt der Wald,
dann stirbt 
der Mensch. Was hatte das Waldsterben mit dem deutschen Waldmythos zu
tun?"
Heinrich Spanier "Natur und Wald in der Alltagskultur"
Hansjörg Küster "Mythos Wald aus pflanzenökologischer Sicht"
Bernd Tenbergen "Wälder und alte Bäume. Eine kurze Einführung in die
westfälische 
Waldgeschichte"

Die Historikerin Ann-Katrin Thomm, die die Ausstellung für das
LWL-Museumsamt 
konzipiert hat, führt in das Thema ein. Ihr Aufsatz zeichnet die
Geschichte des 
Waldes als individuelle Sehnsuchtslandschaft und identitätsstiftendes 
Kollektivssymbol nach. Der Beitrag der Kunsthistorikerin Eva Maringer
zeigt, wie die 
Malerei der deutschen Romantik dazu beitrug, den Wald als Naturwelt mit
eigenen 
Gesetzen und Gegenwelt zur gesellschaftlichen Realität darzustellen.
Der Historiker 
Johannes Zechner setzt sich mit der Politisierung und Ideologisierung
des 
"deutschen Waldes" zwischen Romantik und Nationalsozialismus
auseinander. Die 
Kulturwissenschaftlerin Birgit Metzger vertritt mit Martin Bemmann,
Historiker, und 
Roland Schäfer, Forstwirt, die These, dass es in der öffentlichen
Debatte um das 
"Waldsterben" in den 1980er Jahren zwar einige Bezüge zum deutschen 
Waldmythos gab - dieser alleine jedoch nicht die Entstehung und
Entwicklung der 
Diskussion erkläre. Heinrich Spanier, Dipl. Ing. und Landespfleger,
belegt seine 
These, dass der "Mythos Wald" aktuell an Anziehungskraft verloren hat,
mit 
Beispielen aus der gedruckten Werbung und der Sozialforschung. Der 
Pflanzenökologe Hansjörg Küster stellt klar, dass die
mitteleuropäischen Wälder 
schon längst keine "Urwälder" mehr sind, sondern das Ergebnis der
Nutzung und 
Gestaltung durch die Menschen. Er zeigt, dass hinter der Vorstellung,
durch Schutz 
und nachhaltige Bewirtschaftung die alten "deutschen Wälder" zu
bewahren, eine 
kulturelle Absicht steht. Der Landschaftsökologe Bernd Tenbergen nimmt
die 
Waldgeschichte in Westfalen in den Blick.


Weitere Stationen:

Museum Wendener Hütte, Wenden, Kr. Olpe	
17.05.2009-05.07.2009

Deutsches Märchen- und 
Wesersagenmuseum  Bad Oeynhausen	
12.07.2009-06.09.2009

Hellweg-Museum Unna                           	
13.09.2009-08.11.2009

Westfälisches Schieferbergbau- und 
Heimatmuseum Schmallenberg-Holthausen	
15.11.2009-10.01.2010

Hamaland-Museum/Kreismuseum Borken	
17.01.2010-14.03.2010

Städtisches Heimatmuseum Lippstadt    	
21.03.2010-09.05.2010

Naturkundemuseum Bielefeld	                      
16.05.2010-11.07.2010




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