[WestG] [AKT] Grabungen im Adelshof in Hoexter abgeschlossen. Wertvolle Funde ausgewertet
Alexander Schmidt
Alexander.Schmidt at lwl.org
Fre Mar 3 11:54:40 CET 2006
Von: "Pressestelle der Stadt Münster" <info at presse-service.de>
Datum: 20.02.2006, 16:15
AKTUELL
Grabungen im Adelshof abgeschlossen
Wertvolle Funde ausgewertet
Höxter. Anläßlich der Sanierung des Adelshofes in der Westerbachstraße
wurden von Mai bis Oktober 2005 durch die Stadtarchäologie Untersuchungen
auf den Grundstücken Nr. 33, 35 und 37 durchgeführt. Im Vordergrund des
Interesses stand die Baugeschichte des Hauses Nr. 35 mit seinem
steinernen, vor 1512 errichteten Hinterhaus (Steinkammer). Es ist der
älteste Teil des ehemaligen Corveyschen Lehnshofes, der 1582 mit der
Belehnung des Corveyschen Kanzlers Johann Heisterman für drei
Jahrhunderte in Familienbesitz gelangte. Das Alter der Steinkammer konnte
bisher noch nicht geklärt werden. Jedoch kann das Gebäude nach den
bisherigen Erkenntnissen frühestens im 13. Jahrhundert errichtet worden
sein (Die ältesten, in Höxter nachzuweisenden Steinhäuser entstanden in
der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Mittelalterliche Steinhäuser sind
in der Regel als Wohnstätten der städtischen Oberschicht anzusprechen).
Durch die archäologischen Untersuchungen wurden darüber hinaus weitere
wichtige Details der Baugeschichte des steinernen Hinterhauses erschlossen.
So befand sich ursprünglich an seiner östlichen Traufwand eine Abortanlage,
von der sich im Erdreich ein großer, verfüllter Schacht aus Bruchsteinen
erhalten hat. Die Entsorgungsanlage wurde wahrscheinlich bis zu dem
umfassenden Umbau des Gebäudes in der Zeit um 1585 genutzt. Mit dem
Umbau wurde in den ursprünglich mit einer hölzernen Deckenkonstruktion
ausgestatteten Keller ein Tonnengewölbe eingestellt. Der Saal im Erdgeschoss
erhielt eine aufwendige Pflasterung mit Rautenmustern aus Flusskiesen,
die bis zu einem weiteren Umbau des Hauses im Jahre 1784 belaufen wurde.
Außerhalb, nunmehr an der westlichen Traufwand, wurde ein neuer, ca. 8,5 m
tiefer Abortschacht (Innendurchmesser 1,8 m) angelegt.
Die Verfüllung des steinernen Schachtes, die sich aus Fäkal-, Dämm- und
Bauschuttschichten zusammensetzte, wies eine durchgängige Schichtenabfolge
vom späten 16. bis ins späte 18. Jahrhundert auf. Derartige Anlagen wurden
ebenfalls zur Entsorgung von Haushaltsabfällen genutzt. So gelangten
beispielsweise während der etwa 200jährigen Nutzung mehrere Zentner
zerbrochenen Geschirrs aus Glas und Keramik in den Schacht - ein für die
Region bisher einzigartig hohes Fundaufkommen. Die Funde gewähren
vielfältige Einblicke in den Alltag auf einem städtischen Adelshof. Für die
wissenschaftliche Erforschung der Sachkultur im Oberweserraum während
der Renaissance- und Barockzeit handelt es sich hierbei zweifellos um einen
Schlüsselkomplex.
Zu den herausragenden Fundstücken zählen zwei Schmuckstücke aus der
Zeit um 1600 sowie ein vollständig erhaltener Dreibeintopf aus Buntmetall
mit eisernem Henkel. Der goldene Fingerring und die goldene, aus drei Teilen
zusammengesetzte Wirbelrosette, die als Schmuckelement auf ein Gewand
aufgenäht war, sind mit farbigem Email und gefassten grünen Steinen
(wahrscheinlich Glas) verziert. Die Frage, unter welchen Umständen sie
während des Dreißigjährigen Krieges in den Abortschacht gelangten, regt
sicherlich nicht nur die Phantasie des Ausgräber an. Vergleichbar hochwertige
Schmuckstücke treten bei Ausgrabungen im Bereich der Mittelalter- und
Neuzeitarchäologie nur äußerst selten zutage und sind als ein echtes Highlight
zu bezeichnen. Ebenso verhält es sich mit dem aus einer Kupferlegierung
gegossenen Dreibeintopf. Der ca. 10 kg schwere und ca. 6 l fassende Topf
wurde am offenen Herdfeuer als Kochgeschirr genutzt und besaß einen nicht
unerheblichen Materialwert. Auch er wurde in der Zeit des Dreißigjährigen
Krieges in dem Schacht versengt. Die Restaurierungskosten für diesen
außergewöhnlichen Bodenfund hat dankenmswerterweise die Familie von
Ziehlberg übernommen.
Die Aufarbeitung der Ausgrabungsfunde vom Heisterman-von-Ziehlbergschen-
Adelshof wird sich noch über einen längeren Zeitraum erstrecken. Erste
Ergebnisse sollen am Ende dieses Jahres im Rahmen einer Sonderausstellung
in den Räumen der Volksbank Paderborn-Höxter präsentiert werden. Zur Zeit
werden die Keramikfunde aus den ältesten Verfüllungsschichten des Schachtes
bearbeitet. Es handelt sich um Küchen- und Tafelgeschirr aus der Zeit um 1600.
Neben Gefäßen der regionaltypischen bemalten Irdenware (Weser- und
Werraware) sticht besonders das importierte Trink- und Schenkgeschirr aus
Steinzeug hervor. Diese Becher, Krüge und Kannen wurden vornehmlich aus
rheinischen Töpfereizentren in Siegburg und im Raum Aachen / Raeren bezogen.
Bisher selten in Westfalen zu belegen sind Importe sächsischen Steinzeuges aus
Waldenburg (u.a. Humpen des späten 16. Jahrhunderts mit plastischen
Apostelauflagen - Markus, Andreas, Jakobus d. Ä. und Judas Thaddäus). Die
Restaurieung erfolgt teilweise ehrenamtlich durch die Mithilfe von Dieter
Siebeck vom Heimat- und Verkehrsverein.