[WestG] [LIT] Lischka, Marion: Liebe als Ritual

Alexander Schmidt Alexander.Schmidt at lwl.org
Die Aug 1 13:06:34 CEST 2006


Von: "Thomas Küster" <thomas.kuester at lwl.org>
Datum: 31.07.2006, 16:38 


LITERATUR

Marion Lischka

Liebe als Ritual. 
Eheanbahnung und Brautwerbung in der frühneuzeitlichen Grafschaft
Lippe

(Forschungen zur Regionalgeschichte  55)
Verlag Ferdinand Schöningh Paderborn
ISBN 3-506-75691-5
€ 44,90


Die gesellschaftlichen Bedingungen erlaubten es in der Frühen Neuzeit
gewöhnlich nicht, Eheschließungen und die Wahl des Ehegatten allein 
den Wünschen und Neigungen zweier Partner zu überlassen. Vor diesem 
Hintergrund diskutiert die historische Forschung schon seit einiger
Zeit, 
ob Liebesbeziehungen bereits möglich waren und welche Rolle Intimität,

Individualität, Erotik und Leidenschaft in vormodernen
Paarverhältnissen 
spielten. Am Beispiel der Grafschaft Lippe untersucht Marion Lischka,
wie 
in einer ländlich-bäuerlichen Gesellschaft auf die Ehe gerichtete 
Beziehungen zustande kamen und sich die Brautwerbung gestaltete. 
Die Autorin rekonstruiert die kommunikativen Regeln, die zur Verfügung

standen, um eine Partnerschaft zu begründen, das Problem der 
Vertrauensbildung zu lösen oder Beziehungskrisen zu meistern. Als 
Quellengrundlage dienen ihr Eheklagen vor dem lippischen Konsistorium,

die einen tiefen Einblick in die Praxis frühneuzeitlicher Eheanbahnung
sowie
deren Scheitern erlauben. 

Die Untersuchung jener "Methoden" der Brautwerbung fördert eine Reihe 
von Handlungsweisen zu Tage, die mit modernen Intimbeziehungen 
unvereinbar wären: Die Verfluchung der eigenen Person oder des
Partners, 
massive Drohungen, Handschläge, Ehepfänder und der potenzielle Einsatz

sexueller Gewalt beim ersten Geschlechtsverkehr eines Paares spielten 
ebenso eine Rolle wie die Pflicht, nach dem Verlöbnis 'Liebe' und
'Vertrautheit'
zu demonstrieren. Die meisten Werbehandlungen standen in einem engen 
Zusammenhang mit dem Erfordernis des Ehrschutzes in einer durch Ehre 
strukturierten Gesellschaft. Intimität und Individualität in der
Zweierbeziehung
wurden hingegen durch diese Regeln nicht gefördert. Liebe blieb vor
allem 
eine Frage formalisierter Gesten und Rituale. 


INFO

Die Autorin:
Dr. Marion Lischka, geb. 1966, Studium der Geschichte, Germanistik und

Kunstgeschichte an der Ruhr-Universität Bochum. Seit 2002
Wissenschaftliche 
Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Neuere Geschichte I in Bochum.