[WestG] [AKT] Geographische Kommission des LWL bringt Neues zur Varusschlacht heraus

Alexander Schmidt Alexander.Schmidt at lwl.org
Don Feb 17 12:38:54 CET 2005


Von: "LWL-Pressestelle", presse at lwl.org
Datum: 17.02.2005 12:19


AKTUELL

Die List des Arminius und die Ignoranz des Varus
Geographische Kommission des LWL bringt Neues zur 
Varusschlacht heraus

Wie es dem Germanenführer Arminius im Jahre neun nach 
Christus gelang, die erfahrenen Truppen der damaligen 
römischen Weltmacht in einen Hinterhalt zu locken und 
in der so genannten Varusschlacht zu vernichten, will 
ein neues Buch erklären: "Die Schlacht muss im 
unmittelbaren Umfeld eines zentralen germanischen 
Kultfestes stattgefunden haben", so Wilm Brepohl, 
Kulturfachmann beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe 
(LWL), bei der Vorstellung seines Buches "Neue 
Überlegungen zur Varusschlacht" am Donnerstag (17.02.) 
im Westfälischen Römermuseum Haltern.

"Für eine Schlacht dieser Größenordnung mussten 
tausende Germanen nahe des Marschweges der Römer 
konzentriert werden. Varus hätte zweifellos durch 
seine zahlreichen Kundschafter davon erfahren und sich 
entsprechend gerüstet", meint der Autor der im 
Aschendorff-Verlag erschienenen Publikation. Nur so 
lasse sich erklären, wie es den Germanen möglich war, 
alle wehrfähigen Männer an einem Ort zu versammeln, 
ohne Argwohn zu erregen. "Bis heute ist es Usus, dass 
Massenveranstaltungen von Gläubigen an ihrem zentralen 
Heiligtum von der Obrigkeit geduldet werden. Selbst 
die Israelis erlauben den Muslimen, den Beginn des 
heiligen Fastenmonats Ramadan auf dem Ölberg in 
Jerusalem zu begehen." erläutert Brepohl. Der 
bisherigen Annahme, Arminius habe Varus und seine 
Legionen auf dem Hauptweg vom Sommerlager an der 
Oberweser zum Winterlager bei Xanten überrascht, mag 
Brepohl daher keinen Glauben schenken.

Im Rahmen dieses Kultfestes, das alle neun Jahre 
stattfand, habe Arminius eine Art "Gipfeltreffen der 
Germanen" initiiert, in dessen Verlauf Varus die 
Möglichkeit geboten werden sollte, den Germanen 
römische Politik vorzustellen und militärische Stärke 
zu demonstrieren. Hierbei sei dem römischen Feldherren 
seine verheerende Ignoranz gegenüber den religiösen 
Bräuchen der germanischen Stammensgesellschaft zum 
Verhängnis geworden: Mit dem Aufmarsch der römischen 
Legionen in die geheiligten Bezirke des Kultzentrums 
sei der "Tempelfriede" gestört worden, schreibt 
Brepohl in der 117-seitigen Publikation. Deshalb war 
es die heilige Pflicht der germanischen 
Stammeskrieger, sich gemeinsam für den Schutz des 
Heiligtums einzusetzen. Innerhalb von drei 
Tagen vernichteten die religiös fanatisierten 
Stammeskrieger Varus und sein Heer.

Die Varusschlacht gilt als Ereignis von Weltrang, trug 
sie doch vor knapp 2000 Jahren dazu bei, die Römer ein 
für alle Mal aus dem Norden Germaniens zu vertreiben. 
"Was für Alexander und Hanniball gilt, trifft auch für 
Varus zu", berichtet Prof. Dr. Klaus Temlitz, 
Geschäftsführer der Geographischen Kommission für 
Westfalen, die das Buch herausgegeben hat. "Jeder 
kennt die Geschichte von seinem Tod und dem Untergang 
seiner römischen Streitmacht im Kampf gegen 
germanische Bauernkrieger". In der öffentlichen 
Diskussion wird die Schlacht zwischen Römern und 
Germanen heute oft auf die Frage nach dem Ort des 
Aufstands reduziert.

Mit der Verortung der Schlacht in geographischer Nähe 
zum Germanen-Heiligtum bringt Brepohl einen weiteren 
Aspekt in die Diskussion zwischen Niedersachsen und 
Westfalen über die Örtlichkeit der Schlacht: Der LWL-
Experte wagt eine neue Deutung der Bezeichnung 
"Teutoburger Wald", mit der Tacitus den Ort der 
Schlacht umreißt. Nach neusten Erkenntnissen des LWL-
Kulturexperten muss die Textstelle als "Opferwald der 
Teutoburg" verstanden werden. Das Schlachtfeld sei 
demnach in der Nähe des (Opfer)Waldes einer sehr 
alten, hochrangigen Kultstätte auf befestigter Höhe 
(Burg) zu suchen, auf der die Priester den Willen 
der Gottheit volksverständlich deuteten ("Teutoburg"). 
In der späteren Standortbeschreibung des Germanicus 
ist von Altären, Opferschächten und an Bäume 
genagelten Schädeln die Rede, was Brepohls These, die 
Schlacht in der Nähe einer Kultstätte 
anzusiedeln, stützt.

Eine endgültige Klärung des Ortes der Schlacht sei nur 
möglich, wenn interdisziplinär kooperiert werde", 
resümiert Brepohl. Erst die Zusammenarbeit von 
Archäologen, Althistorikern, Sprachwissenschaftlern, 
Münzkundlern, Geographen, Geologen, Klimaforschern 
und Wissenschaftlern anderer Disziplinen könne 
vielleicht doch noch Licht in den Mythos um die 
Varusschlacht bringen.

INFO

Wilm Brepohl:
Neue Überlegungen zur Varusschlacht
Aschendorff-Verlag Münster
117 Seiten
ISBN 3 - 402 - 03502 - 2
Preis: 8,80 Euro