[WestG] [AKT] Annette-von-Droste-Hülshoff-Preis an Hans-Ulrich Treichel
Dr. Marcus Weidner
weidner at geschichte-und-museum.de
Son Dez 7 14:11:25 CET 2003
Von: "LWL-Pressestelle" <presse at lwl.og>
Datum: 05.12.2003, 11.10
AKTUELL
LWL verleiht Annette-von-Droste-Hülshoff-Preis an Hans-Ulrich Treichel
"Wer weiß wann ich wieder auf schwitzende
Väter, auf schwatzende Mütter,
auf eure besonnten Terrasssen
mich stürze, wer weiß?"
Auf eine "Westfälische Himmelfahrt" begab sich Hans-Ulrich Treichel mit
einem seiner Gedichte (siehe oben). Am Freitag (05.12.) wurde der Autor
von seiner Vergangenheit eingeholt: Treichel nahm in Münster den alle
zwei Jahre verliehenen und mit 12.800 Euro dotierten
Annette-von-Droste-Hülshoff-Preis des Landschaftsverbandes
Westfalen-Lippe (LWL) entgegen.
"Kaum ein anderes Buch eines westfälischen Autors war in den letzten
Jahren so erfolgreich wie Treichels Roman "'Der Verlorene' (1998). Das
Werk liegt inzwischen in vielen Auflagen und zahlreichen Übersetzungen
vor. Leser und Kritiker waren gleichermaßen begeistert. Das gilt auch
für die anderen Lyrik- und Erzählbände des Autors, der zu den
bekanntesten Akteuren der deutschen Literaturlandschaft zählt", so
Walter Gödden, Geschäftsführer der LWL-Literaturkommission für Westfalen.
Treichel machte zunächst als Lyriker von sich reden. Nach drei
Gedichtbänden beim Suhrkamp-Verlag ("Liebe Not", 1986, "Seit Tagen kein
Wunder", 1990, "Der einzige Gast", 1994) schwenkte er zur Prosa um, der
er seitdem treu geblieben ist. Treichel arbeitete auch mit Hans Werner
Henze zusammen, für dessen Opern "Das verratene Meer" (1990) und "Venus
und Adonis" (1996) er die Libretti verfasste.
"Treichel ist ein literarischer Variations- und Verwandlungskünstler,
der die Attitüde des lakonischen Sprechens meisterhaft beherrscht. In
seiner Prosa tritt als weiteres Element der sarkastische Humor hinzu",
urteilt LWL-Literaturexperte Gödden. Dies treffe beispielsweise für den
Erzählband "Heimatkunde oder Alles ist heiter und edel" (1996) zu, in
dem sich Treichel in satirischer Form mit seiner westfälischen Herkunft
auseinandersetzt. Treichels Beobachtungen von Menschen und Zuständen
seien gestochen scharf, manchmal bösartig, oftmals aber auch urkomisch.
"Dabei kommt wiederholt Treichels Hassliebe zum Westfälischen zu Wort.
Die Menschen seiner Heimat sind ihm "traurige und verregnete
Angelegenheiten', der Westfale sei "innerlich düster, gewissermaßen
nasskalt und moosbewachsen' - was allerdings, wie er einräumt, nicht für
alle Westfalen unisono gelte", so Gödden weiter.
LWL-Direktor Schäfer betonte, dass er froh sei, mit Treichel einen Autor
der Moderne auszu-zeichnen. Damit werde "ein für allemal mit dem
Vorurteil aufgeräumt, der Preisträger müsse sich als verkappter
Westfalenpatriot outen. Solche Regularien passen nicht zu einem Preis,
der sich schon vor Jahrzehnten von jeder Zweckbestimmung emanzipiert hat."
Zur Person:
Treichel wurde 1952 in Versmold (Kreis Gütersloh) geboren. Er studierte
Germanistik, Politologie und Philosophie an der Freien Universität
Berlin. 1983 wurde er mit einer Arbeit über Wolfgang Koeppen promoviert.
Anschließend war er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Freien
Universität Berlin (1985-1991), zuvor war er auch Lektor für deutsche
Sprache an der Universität Salerno (1981/82) und der Scuola Normale
Superiore in Pisa (1984/85). 1993 folgte die Habilitation. Seit 1995 ist
Treichel Professor für Deutsche Literatur am Deutschen Literaturinstitut
der Universität Leipzig.
Treichel wurde 1985 mit dem Leonce-und-Lena-Preis und 1988 mit einem
Villa-Massimo-Stipendium (1988) ausgezeichnet. 1993 wurde ihm der
Förderpreis des Bremer Literaturpreises zuerkannt. In diesem Jahr
erhielt er außerdem den Margarete-Schrader-Preis für Literatur der
Universität Paderborn.