[Rechtsfr.] Örtliche Zuständigkeit nach dem SGB VIII bei Vaterschaftsanfechtung, Vaterschaftsanerkennung und Vaterschaftsfeststellung

Alfred Oehlmann Alfred.Oehlmann at lwl.org
Di Jun 7 16:12:04 CEST 2011


Werte Leserinnen und Leser, 
 
Frau Hetkamp aus dem Hause bat mich aufgrund der nach wie vor
eingehenden telefonischen Rückfragen im Hinblick auf die örtliche
Zuständigkeit im Falle einer Vaterschaftsanfechtung,
Vaterschaftsanerkennung oder Vaterschaftsfeststellung  folgende Hinweise
zur unterschiedlichen Auswirkung dieser drei Rechtsinstitute auf den
Zeitpunkt der  evtl. Neubestimmung der örtlichen Zuständigkeit zu
geben:
 
Nach dem BVerwG-Urteil vom 25.03.2010- 5 C 12.09 ist auch für die
Anknüpfung der örtlichen Zuständigkeit im Bereich des SGB VIII
geklärt, dass im  Falle der erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung
(zivilrechtliches Urteil, mit dem das Nichtbestehen der Vaterschaft
festgestellt wird) das Verhältnis „Scheinvater – Kind“ rückwirkend (ex
tunc) ab dem Tag der Geburt des Kindes aufgehoben wird. Nach einer
erfolgreichen Anfechtung ist nicht nur zivilrechtlich (§ 1599 BGB)
sondern auch jugendhilferechtlich die Situation so anzusehen, dass die
Vaterschaft nie bestanden hat. Das bedeutet, dass in diesem Fall ab
Hilfebeginn die örtliche Zuständigkeit n e u  zu bestimmen ist. 
 
Die Rechtswirkungen im Fall der Vaterschaftsanerkennung oder der
gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft treten erst ein, wenn deren
jeweilige Voraussetzungen vorliegen und sind erst dann ab dem
Wirksamkeitszeitpunkt bestimmend für die örtliche Zuständigkeit (ex nunc
= von nun an). 
 
Gemäß § 1594 Abs. 1 BGB können die Rechtswirkungen der Anerkennung erst
von dem Zeitpunkt an geltend gemacht werden, zu dem die Anerkennung
wirksam wird. Im Rahmen der Vaterschaftsanerkennung bedarf diese zu
ihrer Wirksamkeit der Zustimmung der Kindesmutter (§ 1595 Abs. 1 BGB;
sie bedarf gemäß Abs. 2 auch der Zustimmung des Kindes, wenn der Mutter
die elterliche Sorge nicht zusteht. In einem solchen Fall sind also zwei
Zustimmungen (Mutter ohne Personensorge und Vormund/Pfleger als
Personensorgeberechtigter für das Kind) erforderlich, um eine
Vaterschaftsanerkennung wirksam werden zu lassen.).
Gerichtliche Feststellungen der Vaterschaft bedürfen des Eintritts der
Rechtskraft der Urteile, um im Rahmen der örtlichen Zuständigkeit
maßgeblich zu sein. Mit dem Tag der Rechtskraft ist die örtliche
Zuständigkeit (für die Zukunft) neu zu bestimmen.
 
Das Bundesverwaltungsgericht bemerkt hierzu in dem o.a. Urteil
ebenfalls:
 
 "Auch das Familiengericht geht nämlich davon aus, dass die
Rechtswirkungen der Anerkennung der Vaterschaft oder deren gerichtliche
Feststellung grundsätzlich erst von dem Zeitpunkt an geltend gemacht
werden können, zu dem die Anerkennung wirksam bzw. die Feststellung
rechtskräftig wird (§ 1594 Abs.1, § 1600 d Abs.4 BGB). § 86 Absatz 1
Satz 2 stellt folglich insoweit nur klar, dass es für die örtliche 
Zuständigkeit bis zur wirksamen Anerkennung bzw. Feststellung der
Vaterschaft bei dieser zivilrechtlichen Rechtslage bleibt und etwa nicht
die tatsächlichen Abstammungsverhältnisse für die Bestimmung der
örtlichen Zuständigkeit im Jugendhilferecht maßgeblich sein sollen.
Der in der Vorschrift (des § 86 Abs.1 Satz 2 SGB VIII) gerade nicht
geregelte Fall der rückwirkenden Beseitigung der Vaterschaft
unterscheidet sich in der Sache von deren (nachträglicher) Anerkennung
oder Feststellung" (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.03.2010, Az. 5 C 12/09,
zitiert nach juris, RN 16, auch veröffentlicht in "Das Jugendamt 2010,
Seite 446-450).
 
Mit freundlichen Grüßen 
Ihr 
Alfred Oehlmann
LWL-Landesjugendamt 
Westfalen/Münster
 
 
 
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