[Rechtsfr.] VG: Zwangweise Durchsetzung von Schulpflicht rechtmäßig
Alfred Oehlmann
Alfred.Oehlmann at lwl.org
Mo Dez 7 16:21:51 CET 2009
Werte Leserinnen und Leser,
die beigefügte Entscheidung - in der es um die Frage der zwangsweisen
Durchsetzung eines Schulbesuchs geht (bejaht) - übersende ich zu Ihrer
Kenntnis. Ob gegen die Entscheidung Beschwerde eingelegt wurde, ist
nicht bekannt.
Mit freundlichem Gruß
Ihr
Alfred Oehlmann
LWL-Landesjugendamt
Westfalen-Lippe
Gericht/Institution: VG Stuttgart
Erscheinungsdatum: 30.11.2009
Entscheidungsdatum: 17.11.2009
Aktenzeichen: 12 K 4153/09
Quelle: Juris
Zwangsweise Durchsetzung der Schulpflicht gegen "Gemeinde Gottes"
rechtmäßig
Das VG Stuttgart hat die zwangsweise Durchsetzung der Schulpflicht im
Fall zweier Kinder, deren Eltern Mitglieder der "Gemeinde Gottes" sind,
für rechtmäßig erklärt.
Die Kinder besuchten zuletzt die nicht genehmigte "Private Christliche
Schule der Gemeinde Gottes" der Evangeliums Posaune e.V. in
Neuenstadt-Stein. Dieser Schulbetrieb wurde zum 31.07.2009 untersagt.
Derzeit besuchen die Kinder gar keine Schule, sondern werden von ihren
Eltern zu Hause unterrichtet. Das Regierungspräsidium gab den Eltern mit
sofortiger Wirkung am 02.11.2009 auf, ihre beiden 12- bzw. 11-jährigen
Söhne an einer öffentlichen Schule oder an einer genehmigten oder
anerkannten Privatschule anzumelden und dafür Sorge zu tragen, dass
diese ab dem 09.11.2009 am Unterricht und an den übrigen verbindlichen
Veranstaltungen der Schule regelmäßig teilnehmen. Weiter war den Eltern
für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht vollumfänglich
nachkommen, ein Zwangsgeld i.H.v. 1.000 € pro Kind, insgesamt also 2.000
€, angedroht worden.
Das VG Stuttgart hat den Eilantrag der Eltern gegen das vom
Regierungspräsidium Stuttgart vertretene Land Baden-Württemberg
abgelehnt.
Die zwangsweise Durchsetzung der Schulpflicht sei rechtmäßig, so das
Gericht. Für die Kinder bestehe nach dem Schulgesetz Schulpflicht und
diese Schulpflicht müsse in öffentlichen Schulen oder in einer
genehmigten Ersatzschule erfüllt werden.
Die Schulpflicht verstoße nicht gegen höherrangiges Recht. Sie diene
insbesondere der Durchsetzung des staatlichen Erziehungsauftrages und
sei mit dem Elternrecht auf Mitbestimmung bei Erziehung und Bildung der
Kinder und dem Grundrecht der Glaubensfreiheit vereinbar.
Die Kinder besuchten indessen gar keine Schule. Sie würden vielmehr zu
Hause von den Eltern betreut. Eine Befreiung von der Schulpflicht, die
nur in besonders begründete, zwingenden Ausnahmefällen möglich ist,
komme hier nicht in Betracht. Eine Befreiung von der Schulpflicht unter
Ersetzung durch Heimunterricht sei nicht erlaubt. Auch die Ablehnung des
Schulunterrichts wegen der Unterrichtsinhalte und Erziehungsziele,
unabhängig davon, ob dies aus religiösen oder weltanschaulichen
Gründen geschieht, könne ebenso wenig ein Grund sein, von der
Schulpflicht zu befreien, wie der Wunsch der Eltern, ihr Kind vor
schädlichen Einflüssen bewahren zu wollen.
Da die Eltern ihrer gesetzlichen Verpflichtung, die Kinder an einer
Schule anzumelden und dafür Sorge zu tragen, dass sie am Unterricht
regelmäßig teilnehmen, nicht nachkommen, habe das Regierungspräsidium
auch zurecht gegen die Eltern ein Zwangsgeld angedroht. Soweit sich die
Eltern demgegenüber darauf berufen, Zwangsmittel betreffen die Kinder
negativ und führen auch zu einem erhöhten Medieninteresse, könnten die
Eltern dem wirksam damit begegnen, dass sie sich rechtstreu verhielten
und die Schulpflicht ihrer Kinder erfüllen.
Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde an den VGH Baden-Württemberg
gegeben, die innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung
eingelegt werden kann.
Der LWL im Überblick:
Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als
Kommunalverband mit 13.000 Beschäftigten für die 8,5 Millionen Menschen
in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 19 Krankenhäuser, 17
Museen und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit
Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der
Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die
sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Die neun kreisfreien
Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie
tragen und finanzieren den Landschaftsverband, den ein Parlament mit 100
Mitgliedern aus den Kommunen kontrolliert.
Mehr Informationen über die Mailingliste Rechtsfragen