[Rechtsfr.] Erweitertes Führungszeugnis für Jugendhilfe vom Bundestag am 14.05.2009 beschlossen

Alfred Oehlmann Alfred.Oehlmann at lwl.org
Do Mai 14 19:58:34 CEST 2009


Erweitertes Führungszeugnis für Jugendhilfe vom Bundestag am 14.05.2009 
beschlossen - In-Kraft treten nicht vor 2010

Sehr geehrte Damen und Herren, 

der Bundestag hat heute eine Änderung des Bundeszentralregistergesetzes
beschlossen. Aber Achtung: Das Gesetz ist noch nicht verkündet und das
Gesetz soll nach Artikel 2 des Gesetzentwurfs erst 10 Monate ! nach der
Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten. Also: Vor  März/April
2010 wird sich insoweit nichts ändern. Begründet wird dies damit, dass
die Registerbehörde die Zeit zur Umstellung der automatisierten
Datenverarbeitung im Zentralregister benötigt. Eine Beschäftigung mit
den Änderungen erscheint gleichwohl bereits jetzt angebracht. 
 
1. Die  informative Pressemeldung des BMJ füge ich bei. Darüber hinaus
ist m.E. auf folgendes hinzuweisen: 

2. Für die Jugendhilfe besonders relevant ist der § 30a BZRG (siehe
Anlage oder Link). Damit hat der Gesetzgeber die Kritik aufgegriffen,
wonach bislang die Führungszeugnisse für Schutzzwecke in der Jugendhilfe
zu wenig aussagekräftig seien und einschlägige Vorstrafen zu früh
gelöscht wurden. 
 
3. Außerdem wurde der Kreis derjenigen, für die ein solches erweitertes
Führungszeugnis eingeholt werden kann, weit über den Kreis der
hauptamtlichen Fachkräfte des § 72 Abs. 1, 72 a SGB VIII ausgedehnt
(siehe § 30 a Absatz 1 Ziffer 2 Buchstabe b) und c)). 
 
4. Neu eingefügt wurde ferner eine Ergänzung des § 31 Abs. 2 BZRG.
Dieser lautet dann (der § 30 Abs. 1 wird des besseren Verständnisses
halber mit zitiert):
 
§ "§ 31 Erteilung des Führungszeugnisses und des erweiterten
Führungszeugnisses an Behörden   
(1) Behörden erhalten über eine bestimmte Person ein Führungszeugnis,
soweit sie es zur Erledigung ihrer hoheitlichen Aufgaben benötigen und
eine Aufforderung an den Betroffenen, ein Führungszeugnis vorzulegen,
nicht sachgemäß ist oder erfolglos bleibt. Die Behörde hat dem
Betroffenen auf Verlangen Einsicht in das Führungszeugnis zu gewähren.
(2 neu) Behörden erhalten zum Zweck des Schutzes Minderjähriger ein
erweitertes Führungszeugnis unter den Voraussetzungen des Absatzes 1.
Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend.
 
Zum besseren inhaltlichen Verständnis wird auf die Begründungen des
Gesetzentwurfs zu § 30a und zu § 31 BZRG verwiesen 
(siehe BT Drs. 16/12427 vom 25.03.2009, Seite 8 und 9, Seite 16 unten
und Seite 17). Obwohl die Bundesregierung den Jugendämtern weiterhin
keine völlig unbeschränkte Auskunft über Person " aus dem unmittelbaren
Umfeld eines Kindes" (d.h. z.B. Verwandte oder Personen, die mit dem
Kind in der Wohnung leben) geben will, gibt nach vorliegender Auffassung
der § 31 Abs.2 BZRG die Möglichkeit, in diesen Fällen bei Verdacht auf
Kindeswohlgefährdung eine erweitertes Führungszeugnis anzufordern.
Infofern heißt es in der Gesetzebegründung (Seite 17) schlicht: 
 
"§ 31 Absatz 2 BZRG-E sieht die Erteilung eines erweiterten
Führungszeugnisses vor, wenn Behörden wie etwa die Jugendämter zur
Erfüllung ihrer Aufgaben Informationen hinsichtlich der strafrechtlichen
Vorgeschichte von Personen aus dem unmittelbaren Umfeld eines Kindes
benötigen." 
 
Mit besten Grüßen 
Ihr 
Alfred Oehlmann-Austermann
LWL-Landesjugendamt Westfalen/Münster 
 
Anlage: Link und Pressemitteilung des BMJ vom 14.05.2009
            Gesetzentwurf als pdf Datei 
 
 http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/124/1612427.pdf
 
Pressemeldung BMJ vom 14.05.2009
"Bundestag verabschiedet Gesetz zum Schutz von Kindern und
Jugendlichen
Der Bundestag hat heute einen Gesetzentwurf zum Schutz von Kindern und
Jugendlichen beschlossen, der auf einen Vorschlag von
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries zurückgeht. Künftig sollen so
genannte erweiterte Führungszeugnisse dem Arbeitgeber in weit größerem
Umfang Auskunft darüber geben, ob Stellenbewerber wegen bestimmter
Sexualdelikte an Kindern und Jugendlichen vorbestraft sind.
"Vor allem Kinder und Jugendliche sind schutzlos, wenn Sexualstraftaten
von Personen begangen werden, die wegen ihrer beruflichen Stellung das
besondere Vertrauen der Opfer genießen. Künftig wird allen Personen, die
im kinder- und jugendnahen Bereich beschäftigt werden wollen, ein
erweitertes Führungszeugnis erteilt, in dem die Verurteilungen zu
Sexualstraftaten auch im untersten Strafbereich aufgenommen sind.
Potenzielle Arbeitgeber wissen dann über alle einschlägigen Vorstrafen
der Bewerber Bescheid und können verhindern, dass diese im kinder- und
jugendnahen Bereich als Erzieher in Kindergärten, aber auch als
Schulbusfahrer, Bademeister, Sporttrainer oder Mitarbeiter im Jugendamt
beschäftigt werden. Wichtig ist, dass sich die Arbeitgeber von allen,
die sich auf solche Stellen bewerben, das erweiterte Führungszeugnis
auch tatsächlich vorlegen lassen", betonte Bundesjustizministerin
Brigitte Zypries.
Das Bundeszentralregistergesetz (BZRG) regelt, dass jeder Person ab 14
Jahren auf Antrag und ohne Angaben von Gründen ein Führungszeugnis
erteilt wird. Ob eine Verurteilung in ein Führungszeugnis aufgenommen
wird, richtet sich grundsätzlich nach der Höhe des Strafmaßes; das
zugrundeliegende Delikt spielt dabei in der Regel keine Rolle. Nach
geltendem Recht erscheinen im Führungszeugnis Erstverurteilungen nur bei
einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe
von mehr als 3 Monaten, um dem verfassungsrechtlich verankerten
Resozialisierungsgebot Rechnung zu tragen. Von diesen Grenzen sind
derzeit nur bestimmte schwere Sexualstraftaten (§§ 174 bis 180 oder 182
StGB, insb. Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen und
Vergewaltigung) ausgenommen, nicht aber alle anderen kinder- und
jugendschutzrelevante Sexualdelikte. Lässt sich ein Arbeitgeber bei der
Einstellung ein Führungszeugnis vorlegen, erlangt er von diesen
Erstverurteilungen bis zu 90 Tagessätzen oder 3 Monaten Freiheitsstrafe
keine Kenntnis und kann nicht verhindern, dass der betroffene Bewerber
im kinder- und jugendnahen Bereich beschäftigt wird.
Künftig soll durch eine Änderung des BZRG sichergestellt werden, dass
im Interesse eines effektiven Kinder- und Jugendschutzes
sexualstrafrechtliche Verurteilungen auch im niedrigen Strafbereich in
einem so genannten erweiterten Führungszeugnis aufgenommen werden.
Der Gesetzentwurf sieht zielgerichtet die Einführung eines erweiterten
Führungszeugnisses für kinder- und jugendnahe Tätigkeiten vor. Personen,
die bei ihrer beruflichen oder ehrenamtlichen Beschäftigung mit Kindern
und Jugendlichen in der Regel keinen Kontakt aufnehmen können, sind
daher von den neuen Regelungen nicht erfasst.
"Eine Arbeit als Fliesenleger, Automechaniker oder Architekt ist nicht
in vergleichbarer Weise geeignet, Kontakt zu Kindern oder Jugendlichen
aufzunehmen. Eine Regelung, die verlangt, dass generell alle Vorstrafen
- gleich für welche Beschäftigung - in ein Führungszeugnis aufgenommen
werden, würde über das Ziel hinausschießen. Denn auch die
Wiedereingliederung ist verfassungsrechtlich geboten und im Interesse
der Gesellschaft. Mit unserem Vorschlag schaffen wir deshalb zielgenau
einen vernünftigen und gerechten Ausgleich zwischen dem
Resozialisierungsinteresse von Straffälligen und der besonderen
Verantwortung, wenn es um den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor
Sexualstraftaten geht", erläuterte Zypries.
Im Einzelnen
Betroffener Personenkreis
Das erweiterte Führungszeugnis wird nach dem neuen § 30a BZRG erteilt,
wenn dies in einem Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist. Beispiele: Die
praktisch bedeutsamste Vorschrift ist § 72a des Achten Buches
Sozialgesetzbuch - Kinder- und Jugendhilfe - (SGB VIII). Sie richtet
sich an die Träger der öffentlichen Jugendhilfe, die für die Wahrnehmung
der Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe keine Person beschäftigen oder
vermitteln dürfen, die rechtskräftig wegen einer bestimmten Straftat
verurteilt worden ist (in der ab 1. Januar 2009 geltenden Fassung:
Straftaten nach den §§ 171, 174 bis 174c, 176 bis 180a, 181a, 182 bis
184f oder den §§ 225, 232 bis 233a, 234, 235 oder 236 StGB). Ein
vergleichbares Beschäftigungsverbot enthält auch § 25
Jugendarbeitsschutzgesetz für Personen, die Lehrlinge ausbilden. 
demjenigen, der eine Tätigkeit ausüben will, die geeignet ist, Kontakt
zu Minderjährigen aufzunehmen, wie die berufliche oder ehrenamtliche
Beaufsichtigung, Betreuung, Erziehung oder Ausbildung Minderjähriger.
Beispiele: Erzieher in Kindergärten, Kinder- oder Jugendheimen,
Pflegepersonen für die Kindertages- und Vollzeitpflege, Lehrer in
Privatschulen, Schulbusfahrer, Bademeister in Schwimmbädern,
Jugendsporttrainer, Leiter von Kinder- und Jugendfreizeitgruppen. 

Inhalt des erweiterten Führungszeugnisses
Bereits nach geltendem Recht werden in ein Führungszeugnis regelmäßig
alle Verurteilungen - unabhängig vom Strafmaß - wegen bestimmter
schwerer Sexualstraftaten nach den §§ 174 bis 180 und § 182 StGB
aufgenommen. Für das erweiterte Führungszeugnis wird dieser Katalog um
weitere kinder- und jugendschutzrelevante Verurteilungen wegen
Strafta-ten nach den §§ 171, 180a, 181a, 183 bis 184f, 225, 232 bis
233a, 234, 235 oder 236 StGB erweitert. Künftig wird daher auch
beispielsweise eine Verurteilung zu 60 Tagessätzen wegen Verbreitung von
Kinderpornographie oder Exhibitionismus im erweiterten Führungszeugnis
erscheinen. Bislang erhielt der Arbeitgeber von einer solchen
Verurteilung durch ein Führungszeugnis keine Kenntnis.
Frist zur Aufnahme in das Führungszeugnis
Derzeit werden Verurteilungen bei einer Freiheits- oder Jugendstrafe
von mehr als einem Jahr wegen schwerer Sexualstraftaten nach den §§ 174
bis 180 und § 182 StGB mindestens 10 Jahre lang in das Führungszeugnis
aufgenommen. Künftig wird diese Frist auch für entsprechende
Verurteilungen wegen Straftaten nach den §§ 171, 180a, 181a, 183 bis
184f, 225, 232 bis 233a, 234, 235 oder 236 StGB gelten, die in ein
erweitertes Führungszeugnis aufgenommen werden.
Rückwirkung
In das erweiterte Führungszeugnis sind auch alle Eintragungen wegen
Straftaten nach den §§ 171, 180a, 181a, 183 bis 184f, 225, 232 bis 233a,
234, 235 oder 236 StGB aufgenommen, die bei Inkrafttreten des Gesetzes
bereits im BZR vorhanden sind. Die Zustimmung des Bundesrates ist nicht
erforderlich. Das Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft."

Herausgegeben vom Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des
Bundesministeriums der Justiz
Verantwortlich: Eva Schmierer; Redaktion: Dr. Thorsten Bauer, Dr.
Katharina Jahntz, Harald Schütt, Ulrich Staudigl
Mohrenstr. 37, 10117 Berlin
 
 
 

 

Der LWL im Überblick:

Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) arbeitet als
Kommunalverband mit 13.000 Beschäftigten für die 8,5 Millionen Menschen
in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 19 Krankenhäuser, 17
Museen und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit
Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der
Behinderten- und Jugendhilfe, in der Psychiatrie und in der Kultur, die
sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Die neun kreisfreien
Städte und 18 Kreise in Westfalen-Lippe sind die Mitglieder des LWL. Sie
tragen und finanzieren den Landschaftsverband, den ein Parlament mit 100
Mitgliedern aus den Kommunen kontrolliert.

-------------- nächster Teil --------------
Ein Dateianhang mit HTML-Daten wurde abgetrennt...
URL: <http://www.lwl.org/pipermail/rechtsfragen/attachments/20090514/93b59f4d/attachment.htm>
-------------- nächster Teil --------------
Ein Dateianhang mit Binärdaten wurde abgetrennt...
Dateiname   : BZRG_05_2009.pdf
Dateityp    : application/pdf
Dateigröße  : 135437 bytes
Beschreibung: nicht verfügbar
URL         : <http://www.lwl.org/pipermail/rechtsfragen/attachments/20090514/93b59f4d/attachment.pdf>


Mehr Informationen über die Mailingliste Rechtsfragen