[Rechtsfr.] Kinderschutzgesetz Bund _Bundesrat_Stand_16032009
Alfred Oehlmann
Alfred.Oehlmann at lwl.org
Di Mär 17 18:10:15 CET 2009
Werte Leserinnen und Leser,
bekanntlich hat die Bundesregierung nach vorheriger Einholung
zahlreicher Stellungnahmen durch verschiedene Verbände die Einbringung
eines Kinderschutzgesetzes in den Bundestag noch in dieser
Legislaturperiode beschlossen. Der Gesetzentwurf wurde - wie nach
Artikel 76 Abs.2 GG vorgesehen - zunächst dem Bundesrat zur
Stellungnahme zugeleitet (BR Drs. 59/09:
http://dip21.bundestag.de/dip21/brd/2009/0059-09.pdf )
Ziel des Gesetzentwurfs ist die nach Ansicht der Bundesregierung
notwendige Zusammenführung von Regelungen zur Verbesserungen des
Kinderschutzes in einem bundeseinheitlichen Kinderschutzgesetz. Einige
Länder hatten bereits Kinderschutzgesetze verabschiedet, die Mehrheit
der Bundesländer nicht. Hintergrund und Auslöser der
Gesetzesinitiative(n) waren u.a. mehrere dramatische Fälle von
Kindesmisshandlung / Kindesvernachlässigung mit Todesfolge.
Nach ausführlicher Debatte und vorheriger Beteiligung der
Fachausschüsse hat der Bundesrat am 06.03.09 beschlossen, zum
Gesetzentwurf der Bundesregierung die nachfolgende Stellungnahme
abzugeben:
http://dip21.bundestag.de/dip21/brd/2009/0059-09B.pdf
Nunmehr muss die Bundesregierung den Gesetzentwurf mit der
Stellungnahme des Bundesrates und einer eigenen Stellungnahme dem
Bundestag zuleiten. Dort durchläuft er dann das "normale"
parlamentarische Verfahren (Plenum, Fachausschüsse, Plenum, ggf.
modifizierter Gesetzesbeschuss- oder Ablehnung usw.).
Zusammenfassung / Stellungnahme:
Der Bundesrat "begrüßt zwar die Initiative der Bundesregierung,
notwendige Regelungen zur Verbesserung des Kinderschutzes in einem
Kinderschutzgesetz zusammenzuführen". Er schlägt jedoch mehrere
Änderungen/Ergänzungen vor. Interessant ist dabei insbesondere, was
der Bundesrat ohne Stellungnahme/Kritik "durchgehen" lässt.
Der Bundesrat will u.a. die geplante Verpflichtung zur
Informationsweitergaben durch Geheimnisträger im Sinne des § 203 StGB
aus datenschutzrechtlichen Gründen auf den für den Zweck (Kindesschutz)
"erforderliche Umfang" beschränken (BR Drs 59/09 Beschluss, Ziffer 2,
Seite 1 unten und Seite 2 Mitte). Er stellt klar, dass weitergehendes
Landesrecht wegen schon vorhandener Gesetze in einigen Bundesländern
unberührt bleiben soll. Die grundsätzliche Verpflichtung zur
Datenweitergabe durch Geheimnisträger kritisiert der Bundesrat
allerdings nicht.
Der Bundesrat hält die geplante Verpflichtung zur Weitergabe von
Informationen durch andere Berufsgruppen, die mit der Ausbildung,
Erziehung und Betreuung von Kindern außerhalb der Jugendhilfe betraut
sind - soweit sie Lehrerinnen und Lehrer betrifft - für nicht
verfassungskonform, weil dafür die Bundesländer zuständig seien (vgl. BR
Drs. 58/09 Beschluss, Ziffer 4 Seite 3 oben). Allerdings kritisiert er
diese Verpflichtung für evtl. verbleibende Personen (z.B. Meister im
Ausbildungsbetrieb?) nicht.
Bemerkenswerterweise kritisiert der Bundesrat die heftig umstrittene
Änderung des § 8a SGB VIII mit einer Verpflichtung des Jugendamtes
zur Verschaffung eines unmittelbaren Eindrucks vom Kind/Jugendlichen
und der Regelverpflichtung zur Verschaffen eines Eindrucks in der
"persönlichen Umgebung" des Kindes (d.h. in der Regel Hausbesuch)
nicht. (siehe Artikel 2 Ziffer 1 a des Gesetzentwurfs). Im
Gegenteil: Ein entsprechender Antrag des Landes Rheinland-Pfalz vom
03.03.09 (BR-Drs. 59/2/2009 , Seite 2) wurde sogar mehrheitlich
abgelehnt.
Sicherlich überraschend an der Stellungnahme ist der eigene Vorschlag
des Bundesrates zur Unterstützung von primärer Prävention im
Kindesschutz durch regionale Netzwerke unter Einbeziehung einer
Verpflichtung der Krankenkassen. Neben der allgemeinen Förderung der
Kooperation sollen die Krankenkassen nach Vereinbarung einen Zuschuss in
Höhe von 50 Prozent der beschriebenen Präventionsleistungen erbringen
(vgl. zu Details BR-Drs. 59/09 Beschluss, Seite 3; Ziffer 5 - Einfügung
eines §20 e - neu - in das Sozialgesetzbuch V).
Die geplanten Klarstellungen des § 72 a SGB VIII im Entwurf des
Kinderschutzes (Führungszeugnisse etc.) begrüßt der Bundesrat im
Prinzip. Seiner Auffassung nach soll die Vorlagepflicht jedoch die
Adressaten der jeweiligen Erlaubnisse nach §§ 43 , 44, 45 und 54 SGB
VIII betreffen. Außerdem sollen landesrechtliche Regelungen zum
Verfahren der Nachweisführung unberührt bleiben und abweichende
landesrechtliche Regelungen zum Verfahren erlaubt sein. Die im
Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehen Regelung würde ggf. eine
unmittelbare Vorlage der Führungszeugnisse u.a. direkt bei Behörden
vorsehen, was nach Auffassung des Bundesrates zu einer
unverhältnismäßigen personellen Mehrbelastungen der zuständigen
Behörden der Länder und zu längeren Verfahrenszeiten führen würde (vgl.
zu Details BR-Drs. 59/09 Beschluss Seite 6,7 und 8, Ziffer 6 und 7).
Die ebenfalls stark diskutierte Verpflichtung zu einem
Übergabegespräch im Falle eines Zuständigkeitswechsels zwischen
"altem" und "neuem" Jugendamt unter Beteiligung der Personenberechtigten
und der Kinder/Jugendlichen (siehe Gesetzentwurf der Bundesregierung,
Artikel 2 Ziffer 4, Änderung § 86 c) soll nach Auffassung des
Bundesrates durch ein "verbindliches Übergabeverfahren" sichergestellt
werden (vgl. BR-Drs. 59/09 Beschluss Ziffer 8, Seite 7 unten und Seite
8).
Es bleibt nunmehr abzuwarten, was die Bundesregierung ggf. von sich aus
von der Stellungnahme des Bundesrates berücksichtigen wird und wie dann
die weitere Beratung im Bundestag verlaufen wird. Dabei könnte
hinsichtlich der geplanten Änderungen des § 8a SGB VIII auch eine Rolle
spielen, ob und mit welchem Inhalt ggf. aus der Praxis heraus eine
Empfehlung zu Festlegung fachlicher Verfahrensstandards in den
Jugendämtern bei Gefährdung des Kindeswohls erfolgt.
Sie werden über den Stand des in dieser Legislaturperiode
voraussichtlich letzten "großen" Gesetzentwurfs des Bundes im Bereich
des Kinder- und Jugendhilferechts / Kindesschutzrechts außerhalb des
KiföG weiterhin aktuell informiert.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Alfred Oehlmann-Austermann
LWL-Landesjugendamt
Westfalen/Münster
PS: Nähere Details können Sie über die nachfolgenden Links aufrufen
oder wenn sie unter www.bundestag.de oder unter www.bundesrat.de die BR
Drs.Nummer 59/09 in der Suchmaske eingeben.
Beschluss Gesetzentwurf der Bundesregierung
http://dip21.bundestag.de/dip21/brd/2009/0059-09.pdf
Empfehlungen Fachausschüsse des Bundesrates:
http://dip21.bundestag.de/dip21/brd/2009/0059-1-09.pdf
Debatte im Bundesrat am 06.03.2009 (Seite 84 f)
http://dip21.bundestag.de/dip21/brp/856.pdf#P.84
Beschluss zur Stellungnahme durch den Bundesrat am 06.03.2009
http://dip21.bundestag.de/dip21/brd/2009/0059-09B.pdf
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in der Region. Der LWL betreibt 35 Förderschulen, 19 Krankenhäuser, 17
Museen und ist einer der größten deutschen Hilfezahler für Menschen mit
Behinderung. Er erfüllt damit Aufgaben im sozialen Bereich, in der
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sinnvollerweise westfalenweit wahrgenommen werden. Die neun kreisfreien
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tragen und finanzieren den Landschaftsverband, den ein Parlament mit 100
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