[Rechtsfr.] [BMJ] Weg frei für neues Verfahren in Familiensachen

Alfred Oehlmann Alfred.Oehlmann at lwl.org
Fr Sep 19 12:26:47 CEST 2008


Sehr geehrte Leserinnen und Leser, 

ich hatte Sie vor kurzem per Newsletter über das bereits in Kraft
getretene Gesetz zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei
Gefährdung des Kindeswohls informiert. 
Hierdurch werden die rechtlichen Voraussetzungen für eine
Beschleunigung in familiengerichtlichen Verfahren geschaffen, die sich
unmittelbar oder mittelbar mit der Gefährdung des Kindeswohls befassen.
Diese Regelungen sind bereits in Kraft.

Unabhängig davon hatte ich Sie darauf verwiesen, dass zum 

                                                                       
                                  1.September 2009   

eine große Reform des Familienverfahrensgesetzes in Kraft treten soll.
Nach einer Pressemitteilung des Bundesjustizministeriums hat dieses
Gesetz soeben (19.09.2008) den Bundesrat "passiert". Damit steht der
Verkündung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt nichts mehr im Weg, das
Gesetz tritt dann in Kraft.

Die Praxis - insbesondere die Bundesländer als Träger der
Gerichtsorganisation aber natürlich auch alle anderen Beteiligten -
haben nun ein knappes Jahr Zeit, sich auf die Neuerungen einzustellen.
Der Einfachheit halber leite ich Ihnen die Presseerklärung des
Bundesjustizministeriums als Basisinformation über die Inhalte dazu (an
die Mail als Fließtext angefügt).. Sie werden dazu im Laufe der Zeit
weitere Informationen erhalten. 

Freundliche Grüße 
Ihr 
Alfred Oehlmann-Austermann
LWL-Landesjugendamt 
Westfalen/Münster 


>>> BMJ Newsletter <presse at bmj.bund.de> 19.09.2008 11:50 >>>

Berlin, 19. September 2008

Weg frei für neues Verfahren in Familiensachen


Das gerichtliche Verfahren in Familiensachen wird grundlegend
reformiert. Heute hat das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen
und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) den
Bundesrat passiert. Auf Vorschlag von Bundesjustizministerin Brigitte
Zypries hatte der Deutsche Bundestag das Gesetz im Juni 2008
beschlossen.

 
Das gerichtliche Verfahren in Familiensachen wird erstmals in einer
einzigen Verfahrensordnung zusammengefasst und vollständig neu geregelt.
Mit dem neuen Recht werden die Möglichkeiten verbessert, familiäre
Auseinandersetzungen vor Gericht so fair und schonend wie möglich
auszutragen.

 
Gerade in Kindschaftssachen - etwa bei Streitigkeiten über das Sorge-
oder Umgangsrecht - werden Konflikte nicht selten im gerichtlichen
Verfahren geklärt. Kinder sind häufig die Opfer familiärer
Konfliktsituationen. Das Gesetz berücksichtigt in besonderem Maße die
Belange der Kinder. Sie erhalten einen besseren Schutz und mehr Rechte
im Verfahren.

 
Die Reform des familiengerichtlichen Verfahrens enthält folgende
Kernpunkte:

  Das Gericht soll den Versuch einer einvernehmlichen Lösung des
Konflikts unternehmen, wenn dies dem Kindeswohl nicht widerspricht.
Einvernehmliche Lösungen der Eltern müssen vom Gericht gebilligt werden.
Gelingt eine Einigung nicht, muss das Gericht über eine einstweilige
Anordnung nachdenken. Über das Umgangsrecht soll das Gericht in der
Regel schnell entscheiden, damit der Kontakt zwischen Kind und einem
umgangsberechtigten Elternteil aufrechterhalten bleibt und die Beziehung
keinen Schaden nimmt. Die
Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte des betroffenen Kindes werden
verstärkt. In schwierigen Fällen wird das Kind künftig von einem
Verfahrensbeistand unterstützt. Dessen Aufgabe ist es, im gerichtlichen
Verfahren die Interessen des Kindes zu vertreten und das Kind über den
Ablauf des Verfahrens und die Möglichkeiten der Einflussnahme zu
informieren. Im Gegensatz zum bisherigen Verfahrenspfleger kann der
Verfahrensbeistand auf Anordnung des Gerichts eine aktive Rolle in dem
K
 onflikt übernehmen und zu einer einvernehmlichen Umgangsregelung -
etwa durch Gespräche mit den Eltern - beitragen. Das über 14-jährige
Kind kann sich künftig zur Durchsetzung eigener Rechte selbst vertreten.
Die Beteiligung von Pflegepersonen am Verfahren wird erweitert.
Pflegepersonen - z. B. Pflegeeltern - können künftig in allen Verfahren,
die das Kind betreffen, hinzugezogen werden, wenn das Kind seit längerer
Zeit bei ihnen lebt. In solchen Fällen wissen Pflegeeltern häufig besser
über das Kind
Bescheid als die Eltern. Die Vollstreckung von Sorge- und
Umgangsentscheidungen werden effektiver. Bei Verstößen gegen
Umgangsentscheidungen kann das Gericht Ordnungsmittel verhängen. Diese
können - anders als Zwangsmittel - auch noch nach Ablauf der
Verpflichtung wegen Zeitablaufs festgesetzt und vollstreckt werden.
 Beispiel: Entgegen vorheriger Vereinbarung lässt eine Mutter das Kind
über Ostern nicht zum getrennt lebenden Vater gehen. Wegen der
Feiertage verhängt das Gericht erst nach Ostern ein Ordnungsgeld von 200
Euro gegen die Frau. Diesen Betrag muss sie zahlen, obwohl das Kind
Ostern nicht mehr beim Vater verbringen kann. Das wird die Mutter davon
abhalten, sich nicht an solche Absprachen zu halten. Anders das bislang
geltende Zwangsgeld: Dieses kann nur verhängt werden, solange sich die
Verpflichtung auch
tatsächlich durchsetzen lässt - also nur während der Ostertage, was in
der Praxis schwierig sein dürfte. Künftig wird es möglich sein, einen
Umgangspfleger zu bestellen. Dieser soll bei schwierigen Konflikten über
den Umgang sicherstellen, dass der Kontakt des Kindes zu dem
Umgangsberechtigten nicht abbricht.
 Beispiel: Aufgrund des Konflikts in der akuten Trennungssituation sind
die Eltern nicht in der Lage, die Übergabemodalitäten beim Umgang
einzuhalten. Diese Situation kann dadurch entschärft werden, dass der
Umgangspfleger Zeit und Ort der Übergabe des Kindes festlegt, dieses von
dem betreuenden Elternteil abholt, dem umgangsberechtigten Elternteil
übergibt und später zurückbringt.  
Neuerungen in anderen familiengerichtlichen Verfahren:

  In Scheidungssachen muss der Antragsteller im Scheidungsantrag
künftig angeben, ob die Ehegatten sich über die Regelung der
elterlichen Sorge, des Umgangs und des Unterhalts verständigt haben. Das
soll die Eltern dazu anhalten, vor Einleitung des Scheidungsverfahrens
die künftigen Lebensumstände der Kinder zu klären. In Unterhaltssachen
wird die Klärung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse durch
weitergehende Auskunftspflichten der Beteiligten verbessert. Mit dem
Großen Familiengericht soll die
sachliche Zuständigkeit der Familiengerichte erweitert werden. Damit
wird es den Gerichten ermöglicht, alle durch den sozialen Verband von
Ehe und Familie sachlich verbundenen Rechtsstreitigkeiten in einer
Zuständigkeit zu entscheiden. Das Vormundschaftsgericht wird
aufgelöst. Seine Aufgaben werden vom Familiengericht und vom
Betreuungsgericht übernommen. Das führt zu einer Straffung gerichtlicher
Zuständigkeiten.  
Die Reform der freiwilligen Gerichtsbarkeit

 
Der vorliegende Gesetzesentwurf enthält zugleich eine Reform des
Verfahrens in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Das
bisher geltende Verfahrensgesetz (FGG) für diese Verfahren (Betreuungs-,
Unterbringungs-, Nachlass- und Registersachen) stammt aus dem Jahre 1898
und wurde vielfach geändert. Dieses Gesetz wird durch eine vollständige,
moderne Verfahrensordnung mit verständlichen, überschaubaren und
einheitlichen Strukturen für die verschiedenen Materien ersetzt.

 
Die neue Verfahrensordnung definiert erstmals umfassend die
Verfahrensrechte und die Mitwirkungspflichten der Beteiligten und
sichert ihren Anspruch auf rechtliches Gehör.

 
Das zersplitterte Rechtsmittelsystem der freiwilligen Gerichtsbarkeit
wird neu strukturiert und effizienter gestaltet. Um zügig
Rechtssicherheit zu erhalten, wird die Beschwerde gegen gerichtliche
Entscheidungen künftig generell befristet. Die bisherige weitere
Beschwerde zum Oberlandesgericht wird ersetzt durch die Rechtsbeschwerde
zum Bundesgerichtshof. Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn eine
Entscheidung geboten ist, um das Recht zu vereinheitlichen oder
fortzubilden. Abweichend davon ist die
Rechtsbeschwerde in besonders grundrechtsrelevanten Betreuungssachen,
in Unterbringungs- und in Freiheitsentziehungssachen an keine besonderen
Zulässigkeitsvoraussetzungen geknüpft. Den Beteiligten wird damit in
Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit der unmittelbare Zugang
zum Bundesgerichtshof eröffnet. Dieser kann dadurch viel stärker als
bisher die Materien der freiwilligen Gerichtsbarkeit durch
Leitentscheidungen prägen und fortentwickeln. Das bringt mehr Rechtss
 icherheit für jeden Einzelnen.

 
Die Reform wird am 1. September 2009 in Kraft treten. Die Länder
erhalten auf diese Weise ein Jahr Zeit, um die notwendige
Neuorganisation der gerichtlichen Abläufe vorzunehmen.

 

 Herausgegeben vom Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des
 Bundesministeriums der Justiz
 Verantwortlich: Eva Schmierer; Redaktion: Dr. Gabriele Heyse, Dr.
Isabel Jahn, Johannes Ferguson, Ulrich Staudigl
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