[Rechtsfr.] NRW: U_Untersuchungs-TeilnahmeDatVO In Kraft - Jugendämter involviert
Alfred Oehlmann
Alfred.Oehlmann at lwl.org
Fr Sep 12 14:11:08 CEST 2008
Verordnung zur Datenmeldung der Teilnahme an
Kinderfrüherkennungsuntersuchungen / U-Untersuchungen
(U-Untersuchung-TeilnahmedatenVO – UTeilnahmeDatVO) vom 10. September
2008
(Gesetze- und Verordnungsblatt - GV. NRW. 2008 S. 609) ab 13. September
2008 in Kraft
Stichwort: Maßnahmen Kindesschutz/Prävention
Werte Leserinnen und Leser,
heute wurde im Gesetz- und Verordnungsblatt NRW die sogenannte
"U-Untersuchung-Teilnahmedaten-VO" verkündet, die damit ab morgen (
13.September 2008) in Kraft tritt.
(siehe Anlage 1 oder
http://sgv.im.nrw.de/lmi/owa/lr_vbl_bestand_liste?parent_anw_nr=0&anw_nr=6&l_id=10112
).
Allerdings soll - so ist der Presseerklärung des zuständigen
Gesundheitsministeriums NRW vom 29.09.2008 zu entnehmen (siehe Anlage 2)
- von Oktober 2008 an noch eine Pilotphase in 5 Modellkommunen
stattfinden (Bergkamen, Münster, Düsseldorf, Kreis Heinsberg, Kreis
Mettmann). Bis zum Jahresende 2008 soll das Meldeverfahren aber in ganz
NRW flächendeckend umgesetzt sein, d.h. spätestens ab 1. Januar 2009
können sich die örtlichen Jugendämter auf Meldungen über Kinder
einstellen, die von Ihren Eltern nicht zur U-Untersuchung beim
Kinderarzt vorgestellt wurden.
Worum geht es in Kürze:
In den letzten zwei Jahren wurde verstärkt über eine Teilnahmepflicht
an ärztlichen Früherkennungsuntersuchungen - die sogenannten U -
Untersuchungen. diskutiert. Aus verschiedenen Gründen hat man davon
Abstand genommen. "Übrig geblieben" ist davon die Ermittlung und Meldung
der nicht vorgestellten Kinder, deren erneute Einladung durch eine
"zentrale Stelle/Behörde" und - wenn auch dies vergeblich war - die
Meldung an die Kommunen.
Während bei den Kommunen im Saarland, Rheinland Pfalz und
Schleswig-Holstein die Gesundheitsämter und explizit Ärzte und
Arztinnen informiert werden und diese nur im Einzelfall das Jugendamt
einschalten, ist man in NRW einen anderen Weg gegangen: Dort informiert
die zentrale Stelle (das Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit) nach
vergeblicher Aufforderung an die Sorgeberechtigten zur Teilnahme
unmittelbar die Jugendämter. Diese respektive der "örtliche Träger der
Jugendhilfe" entscheiden dann in
"(.....eigener Zuständigkeit, ob gewichtige Anhaltspunkte für die
Gefährdung des Wohls eines Kindes vorliegen und welche Maßnahmen
gegebenfalls geeignet und notwendig sind. Hierfür können die
übermittelten Daten als weiterer Indikator herangezogen werden. Dabei
empfiehlt sich die Zusammenarbeit insbesondere mit den Trägern des
öffentlichen Gesundheitsdienstes und anderen Behörden, Trägern,
Einrichtungen und Personen, die Verantwortung für das KIndeswohl tragen"
(vgl. § 4 Abs.3 der NRW U-Untersuchung-Teilnahedaten-VO),
Einschätzung: Im Ergebnis kommt damit auf die Jugendämter in NRW - die
ohnehin einen starken Anstieg von Meldungen zur Kindeswohlgefährdungen
zu verzeichnen haben, die sie überprüfen müssen - ein weiterer -
möglicherweise nicht unerheblicher - Überprüfungsaufwand zu. Wenn es
denn nützt, erscheint es gerechtfertigt und über das positive Ziel
(Erkennen oder Vermeiden von Kindeswohlgefährdung) sind sich alle einig.
Allerdings wird befürchtet, dass es hier zur Meldung von irrelevanten
oder fehlerhaften Daten kommt (z.B. weil der Kinderarzt nur
"vergessen"hat, die Teilnahme der Eltern an der U-Untersuchung zu
melden, weil die Eltern im Ausland waren aber trotzdem in Deutschland
gemeldet blieben usw.). In anderen Bundesländer ist man - wie dargelegt
- teilweise einen anderen Weg gegangen. Einen Überblick über die
Situation in verschiedenen Bundesländern gibt der beigefügte Artikel aus
dem Deutschen Ärzteblatt. Als Beispiel eines anderes Bundeslandes ist
das SH Kindesschutzgesetz beigefügt. Dort heißt in Artikel 2 (Einfügung
§ 7 des Gesetztes über den öffentlichen Gesundheitsdienst SH)
(...)
(6) Die Kreise und kreisfreien Städte bieten im Fall des Absatz 5 den
in Absatz 2 Nr. 4 genannten Personen eine Beratung über den Inhalt und
Zweck der Früherken-nungsuntersuchung sowie die Durchführung der
ausstehenden Früherkennungsuntersuchung durch eine Ärztin oder einen
Arzt an. Gegebenenfalls stellen sie hierzu mit Einverständnis dieser
Personen die notwendigen Kontakte her. Besteht auch dann noch keine
Bereitschaft, die Früherkennungsuntersuchung durchführen zu las-sen,
prüft das Jugendamt, ob gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung
des Wohls des Kindes vorliegen und bietet geeignete und notwendige
Hilfen an. Erforderlichenfalls ist das Familiengericht einzuschalten.
Besteht eine dringende Gefahr und kann die Entscheidung des Gerichts
nicht abgewartet werden, nimmt das Jugendamt das Kind in Obhut.
Wiesner beschreibt die unterschiedliche Situation in verschiedenen
Bundesländern so: "Dabei wird allerdings in einzelnen Ländern ein
Tendenz erkennbar, sehr schnell den"Verantwortungskoffer" an das
Jugendamt weiterzugeben. Das Jugendamt hat aber nicht die Aufgabe, die
Einhaltung gesundheitsrechtlich normierter Pflichten zu überprüfen.
Zudem wir in Zweifel gezogen, ob die Nichtteilnahme tatsächlich ein
Indikator für eine Kindeswohlgefährdung ist (vgl. Wiesner/P.Büttner: Zur
Umsetzung des Schutzauftrags nach § 8a SGB VIII in der Praxis in:
Zeitschrift für Kindschaftsrecht und Jugendhilfe, 2008,Seite 292, 297).
Fazit: Auf die öffentlichen Träger der Jugendhilfe kommt zumindest
quantitativ eine neue Aufgabe zu. Selbst wenn dafür in 2010 oder später
eine wie auch immer geartete Kompensationszahlung des Landes erfolgen
würde, ist dies kein akut wirkender Ausgleich. Die anderen
Beteiligten (Gesundheitsdienste/ Gesundheitsdienstleister /Krankenkassen
und freie Träger der Jugendhilfe) sollten jedenfalls bei den
Sorgeberechtigten intensiv für die Teilnahme an den U-Untersuchungen und
deren weiterer Verbesserung werben, damit diese noch verstärkter in
Anspruch genommen werden. Im übrigen sind wie angekündigt die
unterschiedlichen Erfahrungen in verschiedenen Bundesländern
auszuwerten, damit das beste Verfahren mit der geringsten Ineffektivität
gefunden wird.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Alfred Oehlmann-Austermann
LWL-Landesjugendamt
Westfalen/Münster
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