[WestG] [AKT] Ausstellung im Schwelmer Kreishaus: Gegen das Vergessen und fuer Zivilcourage

Holtrup, Sandra Sandra.Holtrup at lwl.org
Di Nov 13 08:59:26 CET 2018


Von: "Ennepe-Ruhr-Kreis" <info at presse-service.de>
Datum: 12.11.2018, 16:51


AKTUELL

Ausstellung im Schwelmer Kreishaus: Gegen das Vergessen und für Zivilcourage

"In diesem Keller wurden am 20. April 1944 20 jüdische Kinder umgebracht. Erhängt an einem Heizungsrohr. Da einige der 5 bis 12-jährigen zu leicht waren, hingen sich die SS Männer dabei mit ihrem ganzen Gewicht an ihre Füße." Diese drei Sätze haben sich in das Gedächtnis von Linda Kass eingebrannt. Gehört hat sie die Schülerin des Märkischen Gymnasiums Mitte September beim Besuch der Gedenkstätte Bullenhuser Damm. Das Gebäude war ein Außenlager des Konzentrationslagers Neuengamme in Hamburg.
 
Von ihren dabei gesammelten Eindrücken, ihrer Wut, Trauer und Betroffenheit über die Gräueltaten der Nationalsozialisten berichtete sie ebenso persönlich wie eindrucksvoll anlässlich einer Ausstellungseröffnung im Schwelmer Kreishaus. Noch bis Freitag, 23. November, sind dort die "Kinder vom Bullenhuser Damm" zu Gast.
 
Insgesamt zehn Tafeln führen dem Betrachter die Leidensgeschichte der Kinder und die medizinischen Experimente an ihnen vor Augen, berichten über das Suchen und "Finden" durch ihre Angehörigen und erzählen von Gedenkfeiern und Jugendprojekten. Am Ende steht die bis heute aktuelle Frage; "Wann fängt Diskriminierung an?"
 
"Was damals geschah, darf nie, nie wieder geschehen. Wir fühlen uns verpflichtet von den menschenverachtenden Taten der Nazis zu berichten und zeichnen das Ausmaß ihrer Verbrechen am Schicksal der 20 Mädchen und Jungen nach", berichtet Barbara Hüsing. Zusammen mit ihren Mitstreitern in der "Vereinigung Kinder vom Bullenhuser Damm" will sie mit ihren Aktivitäten und der Wanderausstellung vor allem Schülern zeigen, wie notwendig es ist und bleibt, Antisemitismus und Rassismus zu bekämpfen.
 
Ein Ziel, das seit mehr als zwölf Jahren auch am Märkischen Gymnasium in Schwelm verfolgt wird. Die Mitglieder der 2006 gegründeten AG Stolpersteine recherchieren und veröffentlichen regelmäßig Informationen über das jüdische Leben in der Kreisstadt, verlegten Stolpersteine für die Familie Herz sowie für Betty und Joseph Wassertrüdinger und besuchen KZ Gedenkstätten.
 
Ausstellung und Eröffnung im Kreishaus organisierte die Arbeitsgemeinschaft zusammen mit dem Geschichts-Leistungskurs, Lehrerin Gabriele Czarnetzki sowie der Kreisverwaltung. Gleichzeitig präsentierten die Schüler einen, ihren Katalog zur Ausstellung. Darin schildern sie das Schicksal aller Kinder, berichten über deren Familien und lassen ihre Eindrücke der Besuche des KZ Neuengamme und der Schule am Bullenhuser Damm einfließen. Möglich wurde das 60-seitige Druckwerk auch dank der Unterstützung durch die Wilhelm Erfurt Stiftung für Kultur und Umwelt.
 
"Die Aktivitäten der Arbeitsgemeinschaft, Ausstellung und Katalog - alles ist bestens geeignet, damit die grauenhafte Schicksale der Opfer des Nationalsozialismus nicht in Vergessenheit geraten. Sie müssen uns eine Mahnung bleiben. Tage, wie jene im November 1938, als die Nazis ihr menschenverachtendes Räderwerk auch im Ennepe-Ruhr-Kreis entscheidend weiter drehten, dürfen sich niemals wiederholen", machte Landrat Olaf Schade deutlich. An die Adresse der Schüler ergänzte er: "Ihr übernehmt Verantwortung, erinnert und mahnt, zeigt die Zivilcourage, die unsere Gesellschaft gut brauchen kann."
 

Stichwort Opfer und Täter
 
Mania Altmann (7 Jahre), Leika Birnbaum, (12), Sergio de Simone (7), Surcis Goldinger (10 oder 11), Riwka Herzberg (6), Alexander Hornemann (8), Eduard Hornemann (12), Marek James (6), Walter Jungleib (12), Lea Klygerman (7), Georges-André Kohn (12), Bluma Mekler (11), Jacqueline Morgenstern (12), Eduard Reichenbaum (10), Marek Steinbaum (6), H. Wassermann (8), Eleonora Witońska (5), Roman Witoński (6), Roman Zeller (12) und Ruchla Zylberberg (8).
 
Gehängt wurden am 20. April 1944 mit Antonie Hölzel, Dirk Deutekom, Prof. Gabriel Florence und Dr. René Quenouille auch die beiden Häftlingspfleger und -ärzte, die die Kinder betreuten. Die Nazis ermordeten sie als Zeugen der medizinischen Experimente.
 
Der für die Versuche mitverantwortliche Dr. Kurt Heißmeier sah in den Kindern nichts weiter als Versuchsobjekte. Obwohl er wusste, dass seine Idee von einer Lungenimpfung medizinisch bereits widerlegt war, spritzte er den Kindern über Monate lebende Bakterien unter die Haut, machte sie damit krank und entnahm ihnen zudem unter großen Schmerzen die Lymphknoten.
Nach dem Krieg konnte Heißmeier noch fast 20 Jahre unerkannt als Arzt arbeiten. Erst 1963 wurde er verhaftet, 1966 zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe verurteilt.


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