[WestG] [KONF] Tagungsbericht "Die Externsteine - Ein Denkmal wissenschaftlicher Forschung und Projektionsflaeche voelkischer Vorstellungen"

Pawlitta, Pascal Pascal.Pawlitta at lwl.org
Mi Mai 6 10:57:55 CEST 2015


Von: "Korbinian Böck" <korbinian.boeck at lwl.org>
Datum: 05.05.2015, 08:07


KONFERENZ

Tagungsbericht "Die Externsteine - Ein Denkmal wissenschaftlicher Forschung und Projektionsfläche völkischer Vorstellungen"

"Kraftort", "Kultplatz", "Gestirnsheiligtum" - oder doch bloß eine unbedeutende mittelalterliche Einsiedelei? Die Bewertung und Deutung der Externsteine bei Horn-Bad Meinberg in Ostwestfalen-Lippe ist bis heute umstritten - nicht nur in der Region selbst, wo die bekannte Felsformation eines der meistbesuchten touristischen Ziele neben dem nahegelegenen Hermannsdenkmal darstellt. Wie umkämpft die Interpretation dieses Ortes bis heute ist dokumentierte eine Tagung, die das Lippische Landesmuseum Detmold gemeinsam mit der Schutzgemeinschaft Externsteine und der Historischen Kommission für Westfalen am 06./07. März 2015 in Detmold veranstaltet hat.
 
Im 19. Jahrhundert wurden Deutungen der Externsteine als vorchristliches germanisches Heiligtum popularisiert und im 20. Jahrhundert von völkischen Autoren und Laienwissenschaftlern aufgegriffen. Bis heute werden derlei Interpretationen u.a. in esoterischen und rechtsextremen Kreisen rezipiert. Die Veranstalter der Tagung hatten sich zum Ziel gesetzt, Ursprünge, Funktionen und Rezeption der im frühen 20. Jahrhundert entstandenen und bis heute lebendigen völkischen Mythenbildung an den Externsteinen zu beleuchten. Ein zweiter Tagungsschwerpunkt lag auf dem aktuellen Forschungsstand, der den Mythenbildungen gegenüber gestellt wurde und zu lebhaften Diskussionen mit dem sehr gemischten Publikum anregte. 

In der Sektion "Völkische Rezeption der Externsteine" gab Prof. Dr. Uwe Puschner (FU Berlin) zunächst einen Überblick über die Geschichte der völkischen Bewegung des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Er problematisierte deren Entstehungszusammenhänge, Strukturen und Protagonisten und umriss die Eckpunkte der synkretistischen völkischen Weltanschauung. Anschließend wurden drei Protagonisten der völkischen und esoterischen Externsteinforschung vorgestellt, deren Thesen teilweise bis heute in verschiedenen Kreisen rezipiert werden: Julia Schöning (Uni Bielefeld) widmete sich den Thesen Wilhelm Teudts, der in den 1920er Jahren die Interpretation der Externsteine als germanisches Heiligtum popularisierte und nach 1933 vor Ort archäologische Grabungen initiierte. Herman Wirth, dessen Thesen von Ingo Wiwjorra (Germanisches Nationalmuseum Nürnberg) untersucht wurden, steht für eine besonders exotische, esoterisch-urreligionsgeschichtliche Deutung des vermeintlichen Kultplatzes. Stefanie Haupt (Berlin) stellte das Werk von Walther Machalett vor, auf den sich bis heute der esoterisch-laienwissenschaftliche Forschungskreis Externsteine e.V. bezieht.

In der zweiten Sektion "Die Externsteine im Fokus der Fachdisziplinen" präsentierten Uta Halle (Landesarchäologie Bremen), Roland Linde (Münster), Helga Giersiepen (Uni Bonn), Burkard Steinrücken (Westfälische Volkssternwarte Recklinghausen) und Roland Pieper (Münster) aktuelle Forschungsergebnisse aus der Archäologie, der Mediävistik, Epigraphik, Archäoastronomie und Kunstgeschichte vor. In der dritten Sektion beschäftigten sich Larissa Eikermann (Uni Paderborn) sowie Jan Raabe (Bielefeld) und Karsten Wilke (Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus OWL) mit der Wahrnehmung der Externsteine in der frühen Nachkriegszeit und mit deren Bedeutung für die extreme Rechte bis heute.

Die Beiträge der Tagung spiegelten die aktuelle Forschungslage zu den Externsteinen in den verschiedenen Fachdisziplinen wieder. In zahlreichen Wortmeldung wurde aber auch offenkundig, wie lebendig manche der seit den 1920er Jahren verbreiteten, außerwissenschaftlichen und esoterischen Interpretationen der Externsteine bis heute sind. Die 1964 vom Detmolder Staatsarchivdirektor Erich Kittel in einem Buchtitel formulierte Diagnose von den "Externsteinen als Tummelplatz der Schwarmgeister" hat daher bis heute ihre Berechtigung. 

Das Tagungsprogramm finden Sie unter http://www.lwl.org/hiko-download/flyer_extersteine_final.pdf.

Einen ausführlichen Tagungsbericht gibt es auf der Webseite der Historischen Kommission für Westfalen (https://www.lwl.org/LWL/Kultur/HistorischeKommission/) und unter http://www.hsozkult.de/conferencereport/id/tagungsberichte-5953?title=die-externsteine-ein-denkmal-als-objekt-wissenschaftlicher-forschung-und-projektionsflaeche-voelkischer-vorstellungen zu lesen.

2016 werden die Beiträge der Tagung in einem Tagungsband in der Schriftenreihe der Historischen Kommission für Westfalen veröffentlicht.


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