[WestG] [LIT] Stadt erinnert mit Gedenkbuch an juedische Opfer des Nationalsozialismus aus Dortmund

Pawlitta, Pascal Pascal.Pawlitta at lwl.org
Mo Jan 26 09:54:27 CET 2015


Von: "Tanja Herrmann" <tanja.herrmann at stadtdo.de>
Datum: 22.01.2015, 13:00


LITERATUR

Stadt erinnert mit Gedenkbuch an jüdische Opfer des Nationalsozialismus aus Dortmund

1 965 jüdische Bürgerinnen und Bürger aus Dortmund, Männer, Frauen und Kinder, fielen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zum Opfer. Sie wurden nach Jahren der Verfolgung und des Leids fern der Heimat unter entsetzlichen Umständen ermordet und fanden keine Grabstätte. Um die Erinnerung an sie wach zu halten und an künftige Generationen weiterzugeben, hat die Stadt Dortmund zum siebzigsten Jahrestag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz jetzt ein Gedenkbuch vorgelegt. Es konnte dank großzügiger finanzieller Unterstützung der Landeszentrale für politische Bildung, der Sparkasse Dortmund und der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Dortmund in einer sehr hochwertigen Form realisiert werden. Das 400 Seiten starke, zahlreiche Abbildungen umfassende und in Leinen gebundene Buch ist ab Ende Januar zum Preis von 39,95 Euro im Buchhandel zu bekommen.

Den Anstoß zu diesem Werk hatte kurz vor seinem Tod im Jahre 1999 Hans Frankenthal gegeben, selbst als Jugendlicher nach Auschwitz deportiert und später einer der prägenden Zeitzeugen zur Shoah im westlichen Westfalen. Nach umfangreichen Recherchen im Stadtarchiv und anderswo begann dann im Jahr 2012 der Dortmunder Historiker und ausgewiesene Kenner der Materie, Rolf Fischer, die Lebens- und Leidensgeschichte der ermordeten Dortmunder Bürgerinnen und Bürger jüdischen Glaubens nachzuzeichnen. 


Mörderische Konsequenzen rassistischer Ideologie aufzeigen

Das NS-Regime hat den Juden nicht nur das Lebensrecht abgesprochen und einen beispiellosen Vernichtungsfeldzug gegen sie geführt, es hat auch Maßnahmen ergriffen, jede Erinnerung an die Ermordeten auszulöschen und die Spuren des Verbrechens zu verwischen. Oberbürgermeister Ullrich Sierau: "Kein Buch, keine Opferliste, keine Geste kann das Leid der Opfer in ein milderes Licht tauchen oder ihnen ihre geraubte Menschenwürde zurück geben. Doch indem wir ihre Namen nennen und von ihrem Leben und Leid erzählen, wird deutlich, wie es zu den unmenschlichen Greueltaten des NS-Terrorregimes kommen konnte. Im Aufzeigen und Begreifen der mörderischen Konsequenzen rassistischer Ideologie und Politik liegt ein wesentliches Moment der Erinnerung an die Ermordeten." 
Erinnern allein, so Sierau weiter, reiche allerdings nicht aus. Die Geschichte verpflichte auch zum Handeln gegen rechtsextremes Denken, gegen Rassismus, Antisemitismus und Intoleranz. Die heutige Generation und zukünftige Generationen trügen Verantwortung für die Gestaltung einer demokratischen und freien, sozialen und gerechten Gesellschaft.


Fassungslosigkeit des Lesers spiegelt sich in der Gestaltung

Dr. Stefan Mühlhofer, Direktor des Stadtarchivs, beschreibt Inhalt und Aufbau des Buches: "Das Gedenkbuch enthält eine Liste, in der die Namen jener 1 965 Dortmunder Bürgerinnen und Bürger jüdischen Glaubens aufgeführt sind, die zwischen 1933 und 1945 in der Stadt lebten bzw. gemeldet waren und im Zuge der nationalsozialistischen Judenverfolgung ermordet wurden. Zudem enthält die Liste die Namen von weiteren 108 Personen, die entweder 1938 nach Polen abgeschoben oder in den vier großen Deportationen aus Dortmund verschleppt wurden, die aber Ghettos, Lager und Krieg überlebt haben. Schließlich beschreibt das Buch mit vielen Dokumenten und Bildern die Geschichte der antisemitischen Verfolgung in Dortmund."

Das Layout des Gedenkbuches, so Autor Rolf Fischer, weiche in mehrfacher Hinsicht von konventioneller Gestaltung ab: "Die Fassungslosigkeit und Verstörung, die viele Berichte, Dokumente und Fotos aus den Zentren des Mordens beim Leser und Betrachter hinterlassen, spiegeln sich in Ansätzen auch in der Gestaltung des Buches wieder. Die Überschriften zeigen sich zerrissen, wie so viele Lebensläufe und Familien. Um Fotos von Opfern herum herrscht zuweilen Leere, die an die Einsamkeit in schwerster Zeit und in letzten Stunden erinnern mag." Diplomdesignerin Vera Schäper fasst es so zusammen: "Die Gestaltung des Buches drückt die Unzulänglichkeit aller Bemühungen aus, die grauenhaften Verbrechen und das unsagbare Leid der Opfer in angemessener Weise zu erfassen und darzustellen."
Die bibliographischen Daten 


INFO

Rolf Fischer:
Verfolgung und Vernichtung. Die Dortmunder Opfer der Shoah.
Essen: Klartext-Verlag, 2015.
ISBN 978-3-8375-1228-1


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