[WestG] [AKT] Eine unglaubliche Rettung: Neue LWL-DVD erzaehlt, wie Anna Scheipers ihren Bruder vor der Gaskammer bewahrte

Alexander Schmidt Alexander.Schmidt at lwl.org
Mi Nov 30 09:11:42 CET 2011


Von: "LWL-Pressestelle" <presse at lwl.org>
Datum: 29.11.2011, 13:45


AKTUELL

Eine unglaubliche Rettung 
Neue LWL-DVD erzählt, wie Anna Scheipers ihren Bruder vor der 
Gaskammer bewahrte

Zeitzeugen der Verbrechen in den nationalsozialistischen 
Konzentrationslagern sind sehr selten geworden. Der katholische 
Priester Hermann Scheipers, 1913 im münsterländischen Ochtrup 
(Kreis Steinfurt) geboren, gehört zu jenen, die die 
menschenverachtende Brutalität des nationalsozialistischen 
Terrorsystems am eigenen Leibe zu spüren bekamen. Wie er mit 
Hilfe seiner couragierten Schwester Anna überlebte, schildert 
ein Film, den der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) 
jetzt auf Anregung des Mitglieds der LWL-Landschaftsversammlung 
Benno Hörst aus Ochtrup und mit Unterstützung des 
Geschichtsorts Villa ten Hompel (Münster) sowie des Bistums 
Münster erstmals auf DVD herausbringt.

Mit Blick auf die weit über Deutschland hinaus reichende 
Aufmerksamkeit, die Pfarrer Scheipers inzwischen findet, 
enthält das Medium außer einer deutschen auch eine englische 
und polnische Fassung von "Dir gehört mein Leben". Hinzu kommen 
vier vom Geschichtsort Villa ten Hompel bereitgestellte 
Interviewsequenzen, in denen Prälat Scheipers ausführlich über 
seine Erfahrungen unter dem NS-Regime berichtet, sowie ein 
ROM-Teil mit zehn Text- und Bildquellen für die historische 
Bildungsarbeit.

Am Freitag, 2. Dezember, wird die neue DVD in Münster 
(Plenarsaal des LWL-Landeshauses, Freiherrr-vom-Stein-Platz, 
Münster) erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Der Eintritt 
ist frei. Die DVD kann direkt beim LWL-Medienzentrum 
(medienzentrum at lwl.org) oder über den Buchhandel erworben 
werden.

Hintergrund:
KZ Dachau im Juli 1942: Pfarrer Hermann Scheipers, seit fast 
zwei Jahren wegen Seelsorge an polnischen Zwangsarbeitern als 
"Staatsfeind" inhaftiert, bricht auf dem Appellplatz zusammen 
und wird in den sogenannten "Invalidenblock" eingeliefert. Das 
scheint sein Todesurteil zu sein, denn vor hier werden die 
Gefangenen wöchentlich in die Vergasungsanstalt Hartheim 
abtransportiert.

Doch das Unglaubliche geschieht: Auf einen verschlüsselten 
Hilferuf ihres Bruders hin dringt Hermanns Zwillingsschwester 
Anna bis ins SS-Reichssicherheitshauptamt in Berlin vor. Dort 
behauptet sie kühn, das ganze Münsterland sei wegen der 
Ermordung von Geistlichen im KZ Dachau in Aufruhr. Ihr 
selbstbewusstes Auftreten verunsichert den zuständigen 
Gestapo-Beamten so sehr, dass er die Rückverlegung von Pfarrer 
Scheipers ins "normale" Lager anordnet. Durch ihre mutige 
Intervention rettet Anna nicht nur ihrem Bruder, sondern 
wahrscheinlich mehreren hundert in Dachau eingekerkerten 
Geistlichen das Leben.

Die Szene bildet die Schlüsselsequenz einer Filmbiographie, die 
der Münchener Regisseur David Menzhausen schon 2002/03 gedreht 
hat. Menzhausen begleitete die Zwillinge von ihrem Geburtsort 
Ochtrup über Dachau bis nach Sachsen, wo Hermann Scheipers seit 
1937 als Pfarrer wirkte. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte er 
nach Sachsen zurück und geriet dort bald auch mit den neuen, 
"roten" Machthabern in Konflikt. Nicht weniger als 15 Spitzel 
setzte die Stasi auf den aufrechten Westfalen an, der bis 1983 
als Pfarrer in Schirgiswalde nahe der tschechischen Grenze 
tätig blieb. Seine Schwester hielt ihm auch jetzt über den 
"eisernen Vorhang" hinweg die Treue.

"Mit Mut, Charme und großem Gottvertrauen haben die Zwillinge 
Anna Schweppe, geb. Scheipers, und Hermann Scheipers ihr Leben 
lang gegen Intoleranz, Diskriminierung und staatliche Willkür 
gekämpft", so der Leiter des LWL-Medienzentrums für Westfalen, 
Dr. Markus Köster. Ihre doppelte Lebensgeschichte beleuchte 
exemplarisch wichtige Kapitel der politischen, 
gesellschaftlichen und kirchlichen Zeitgeschichte Deutschlands 
zwischen 1933 und 1989. "Die seltene Begabung der beiden, auch 
vor der Kamera ihre Natürlichkeit, ihren Charme und ihre 
Schlagfertigkeit nicht zu verlieren, machen die Produktion zu 
einem ganz und gar außergewöhnlichen Zeitdokument", urteilt 
Köster.

Heute lebt Prälat Hermann Scheipers wieder in Ochtrup, seine 
Schwester Anna Schweppe ist 2007 gestorben. 2010 ist nach ihr 
in Münster-Sudmühle eine Straße benannt worden.


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