[WestG] [AUS] Erinnerung und Gedenken an nationalsozialistisches Unrecht, Lemgo, 17.07.-18.09.2011
Alexander Schmidt
Alexander.Schmidt at lwl.org
Fr Jul 15 10:07:26 CEST 2011
Von: "LWL-Pressestelle" <presse at lwl.org>
Datum: 14.07.2011, 13:14
AUSSTELLUNG
Verwischte Spuren
LWL-Wanderausstellung beschäftigt sich mit Erinnerung und
Gedenken an nationalsozialistisches Unrecht in Westfalen
"An das Rote Kreuz, Genf. Ich bitte Sie hiermit recht höflichst,
die Adresse meiner Eltern ausfindig zu machen. Sie waren
zuletzt in Zbaszyn an der polnischen Grenze. Das war das letzte,
was ich von ihnen hörte." Susi Schmerler, eine junge Frau aus
Bochum, schrieb diese Zeilen im Herbst 1939. Dieses Schicksal
ist eines von 16 Lebensläufen, die der Landschaftsverband
Westfalen-Lippe (LWL) in der Wanderausstellung "Verwischte
Spuren. Erinnerung und Gedenken an nationalsozialistisches
Unrecht in Westfalen - eine biografische Suche" vorstellt. Die
Ausstellung ist vom 17. Juli bis 18. September im Städtischen
Museum Hexenbürgermeisterhaus in Lemgo zu sehen und wandert
danach durch sieben weitere westfälische Museen.
Basierend auf den Sammlungen der westfälischen NS-Gedenkstätten
und bürgerschaftlichen Initiativen präsentiert das
LWL-Museumsamt in seiner Wanderausstellung Biografien von
Männern und Frauen, die an den Orten des Gedenkens erforscht
und vermittelt werden. "Diese Biografien sind in der Region und
an den Orten von Leiden und Gewalt verankert. Ihre
individuellen Schicksale fordern auf nachzufragen und
hinzuschauen", erklärt Ausstellungsmacherin Anna Gomoluch. In
der Ausstellung gehe es darum zu zeigen, welche Informationen,
Objekte und Hinweise heute noch sichtbar seien, so Gomoluch
weiter.
Im ersten Ausstellungsbereich stehen "verwischte Spuren" im
Mittelpunkt. Gemeint sind Objekte, die keine eindeutige
biografische Zuordnung erlauben, wie etwa ein von einem
unbekannten sowjetischen Kriegsgefangenen gebasteltes
Strohkästchen oder ein auf dem Gelände eines Gefangenenlagers
gefundener Löffel. Der zweite Abschnitt, die "Fundstücke",
verbindet interessante Objektgeschichten mit biografischen
Informationen aus Westfalen. So ist die Jacke eines
KZ-Häftlings zu sehen, die nach seinem Tod 1994 in seinem
Kohlenkeller gefunden wurde - er hatte sie sein Leben lang als
Arbeitskleidung genutzt. Und der Einband, der als alleiniger
Rest vom Fotoalbum einer jüdischen Familie aus Drensteinfurt
übrig geblieben ist, erinnert an die Auslöschung einer ganzen
Bevölkerungsgruppe.
Im Kapitel "Täter, Mitläufer, Zuschauer" liegt das Augenmerk
auf denjenigen, die bei Verfolgung und Vernichtung auf der
Täterseite standen und in ihren Positionen unterschiedliche
Handlungsmöglichkeiten hatten. Im letzten Abschnitt "Leben mit
der Erinnerung" schließlich widmet sich die Ausstellung Männern
und Frauen, die in ihrer Zeitzeugenschaft eine besondere
Aufgabe gesehen haben oder bis heute unter den Verbrechen der
Nationalsozialisten leiden.
Als Susi Schmerler ihren Brief an das Rote Kreuz schrieb, lebte
sie bereits in Palästina. Von ihrer Familie hatte sie seit
Kriegsbeginn keine Nachricht mehr erhalten. Als Juden ohne
deutsche Staatsangehörigkeit waren sie im Oktober 1938 an die
polnische Grenze deportiert und dort interniert worden.
Ihre Spur verliert sich im Ghetto von Krakau. Schmerler lebte
bis zu ihrem Tod 2001 in Israel. Da ihre Kinder kein Deutsch
gelernt haben, überreichte ihr Ehemann die Briefe ihrer Eltern
an den Verein "Erinnern für die Zukunft e.V." aus Bochum. Erst
dadurch ist es gelungen, die Spuren der Familie Schmerler in
ihrer Heimatstadt zu verankern.
Die Ausstellung stellt eine Auswahl solcher Biografien vor und
zeichnet individuelle Lebenswege nach. Sie zeigt, welche Rolle
diese Lebensläufe in der Bildungsarbeit an den NS-Gedenkstätten
und an einigen Museen einnehmen. "Wir wollen mit der
Ausstellung zur Auseinandersetzung mit einem Thema anregen, das
durch das Ende der Zeitzeugenschaft an Aktualität gewinnt", so
Gomoluch.
Zur Ausstellung ist ein Begleitbuch erschienen, außerdem können
museumspädagogische Programme und Führungen gebucht werden.
Hintergrund
Das Gedenken und die Erinnerung an nationalsozialistisches
Unrecht wird von den Gedenkstätten und Museen getragen, die in
ihrer Arbeit einen Beitrag zur Demokratieerziehung sehen. In
ihrem Programm sind Biografien eine wichtige Säule der
Vermittlung. In Westfalen bilden weniger prominente Lebensläufe
die Grundlage des regionalen Gedenkens. Auf Stolpersteinen, auf
Gedenktafeln, aber auch in Straßen- sowie Schulnamen werden sie
besonders sichtbar. Sie stehen repräsentativ für die Schicksale
Vieler, oft Namenloser.
INFO
Verwischte Spuren.
Erinnerung und Gedenken an nationalsozialistisches Unrecht
in Westfalen - Eine biografische Suche
Wanderausstellung des LWL-Museumsamtes für Westfalen
Städtisches Museum Hexenbürgermeisterhaus in Lemgo
17. Juli bis 18. September 2011
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr
Weitere Stationen:
Stadtmuseum Gütersloh
25.09.2011 - 27.11.2011
Gustav-Lübcke-Museum, Hamm
04.12.2011 - 05.02.2012
Kreismuseum Wewelsburg
12.02.2012 - 15.04.2012
Jüdisches Museum Westfalen, Dorsten
22.04.2012 - 24.06.2012
Museum Höxter-Corvey, Schloss Corvey, Höxter
01.07.2012 - 02.09.2012
Institut für Stadtgeschichte /
Stadt- und Vestisches Archiv Recklinghausen
09.09.2012 - 11.11.2012
Museum Haus Martfeld, Schwelm
18.11.2012 - 13.01.2013
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