[WestG] [AUS] "Wie wir wurden, was wir nicht werden sollten" - Frauen im Aufbruch zu Amt und Wuerden, Muenster, 06.04.-18.04.2011
Alexander Schmidt
Alexander.Schmidt at lwl.org
Mi Apr 6 10:46:14 CEST 2011
Von: "Julia Paulus" <julia.paulus at lwl.org>
Datum: 06.04.2011, 09:17
AUSSTELLUNG
"Wie wir wurden, was wir nicht werden sollten"
Frauen im Aufbruch zu Amt und Würden
Ausstellung im LWL-Landeshaus
"Sie sehen doch gut aus. Sie werden in ein, zwei Jahren
verheiratet sein. Wozu wollen Sie denn einen Beruf haben?"
Solche Kommentare hörte Annette Schücking-Homeyer oft, als Sie
in den 1950er Jahren versuchte, als Juristin beruflich Fuß zu
fassen. Die Geschichte der Detmolder Richterin und die
Lebenswege von 25 weiteren Frauen im Aufbruch zu Amt und Würden
stehen im Mittelpunkt einer Ausstellung des LWL-Instituts für
westfälische Regionalgeschichte, die am 06. April um 14.00 Uhr
im Landeshaus eröffnet wird.
Unter dem Titel "Wie wir wurden, was wir nicht werden sollten "
zeichnet der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) vom 06.
April bis 18. April 2011 den hürdenreichen Weg von Frauen zu
beruflichem Erfolg nach. Die Lebenswege zeigen modellhaft den
langsamen Wandel von Mentalitäten und Möglichkeiten. Die
Ausstellung entstand in Kooperation mit dem LWL-Industriemuseum
Zeche Zollern und dem LWL-Museumsamt für Westfalen.
Anlass sind gleich drei Jubiläen: Im Wintersemester 1908/09
durften Frauen erstmals in Preußen regulär studieren. Zehn
Jahre später erhielten sie das aktive und passive Wahlrecht und
übten es 1919 erstmals aus. 1949 schrieb das Grundgesetz die
Gleichberechtigung beider Geschlechter fest. "Damit erfolgten
bedeutsame Weichenstellungen im Verhältnis von Frauen und
Männern. Doch tatsächlich war der Weg von Frauen in politische
Ämter und akademische Positionen beschwerlich und hürdenreich",
so die Historikerin Dr. Julia Paulus, die die Ausstellung
konzipiert hat.
Hintergrund
Chancen. Hürden. Umwege
Preußen gehört in Europa zu den Schlusslichtern, als Frauen
1908 das Recht zum akademischen Studium erhalten. Nun stehen
ihnen theoretisch alle Laufbahnen offen. Unabhängig von Ehemann
oder Familie können sie aus eigener Kraft gehobenen
Lebensstandard und gesellschaftliche Anerkennung erreichen.
Auch nach der erstmaligen Zulassung zu Wahlurnen und
politischen Mandaten im Jahre 1918 ist der Weg für Frauen bis
weit in die Nachkriegszeit in öffentliche Ämter, Wirtschaft und
freie Berufe beengt durch rechtliche Einschränkungen,
restriktives Frauenbild und finanzielle Hürden. Julia Paulus:
"Es brauchte drei Generationen, bis man von annähernd gleichen
Rechten für Frauen und Männer sprechen kann."
Not. Krise. Schicksalsschläge
Individuelle Schicksalsschläge können jederzeit eine
akademische Ausbildung beenden. Auch die politischen Zäsuren
der ersten Jahrhunderthälfte führten zum massenhaften
Studienabbruch junger Frauen unabhängig von ihrer Befähigung.
Hyperinflation (1923) und Weltwirtschaftskrise (1932) entzogen
vielen Familien die finanzielle Grundlage. Vor allem junge
Frauen mussten beruflich umsatteln. Im Mittelpunkt der
familiären Förderung stand die Unterstützung des Ehemannes oder
Sohnes. Ähnliche Entwicklungen erlebten die wenigen
Politikerinnen. Hier war es vor allem der Nationalsozialismus,
der Frauen jegliche politischen Partizipationsmöglichkeiten
versagte. Doch auch in der Bundesrepublik dauerte es noch bis
in die 1980er Jahre, bis Frauen mit annähernd 30 Prozent in den
Parlamenten vertreten waren.
Examen. Ehe. Ehrenamt
Das Frauenstudium stellte die traditionellen Leitbilder von
Männern und Frauen in Frage. Konservative begegneten der
akademisch gebildeten Frau zunächst mit Skepsis, schätzen sie
aber bald als Partnerin auf Augenhöhe. Ehen zwischen der
"studierten Tochter aus gutem Hause" und dem bereits
etablierten Akademiker kommen in Mode. Die examinierte Ehefrau
stützt die beruflichen Ziele des Mannes, repräsentiert souverän,
fördert die Bildung der Kinder und engagiert sich
ehrenamtlich. Das neue Leitbild setzt sich im Bürgertum seit
den späten 1920ern durch. Ehe und Mutterschaft sind für die
meisten Studentinnen vorrangiges Lebensziel. Die akademische
Qualifikation dient vielen nur als Faustpfand für Notlagen. Die
Vereinbarkeit von Ehe und Beruf bleibt ein Zukunftsthema.
In Amt und Würden
Der Weg zum Beruf als Akademikerin wie auch zur Politikerin ist
steinig. Finanzieller Rückhalt, hervorragende Leistungen und
Netzwerke sind unabdingbare Voraussetzungen für den Einstieg.
Die frühen Akademikerinnen entstammen gutsituierten Familien,
fast immer ist der Vater selbst Akademiker. Oft gibt er den
Impuls zum Studium. Aber auch Männermangel und wirtschaftlicher
Druck führen zu neuen Rollenvorstellungen. Leitbild wird nun
die junge Frau, die "standesgemäß" für sich selbst sorgen kann.
Dieser Weg steht seit Mitte der 1950er auch Frauen aus anderen
Milieus offen. Langsam bessern sich Schulangebot und
finanzielle Förderung. Die mentalen Hürden aber halten sich
lange: Ein Studium der Tochter gilt als verlorene Investition.
Besonders schwierig ist die Situation des "katholischen
Mädchens vom Lande". Viele junge Frauen müssen sich ihren Weg
gegen ihre Familie freikämpfen.
INFO
"Wie wir wurden, was wir nicht werden sollten"
Frauen im Aufbruch zu Amt und Würden
06. April bis 18. April 2011,
Eröffnung: Mi, 06.4., 14 Uhr
LWL-Landeshaus
Freiherr v. Stein Platz 1
48145 Münster
Geöffnet: Mo - Fr, 10 - 18 Uhr
Zur Ausstellung ist ein Katalog erhältlich.
Kontakt:
Dr. Julia Paulus
LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte
Karlstrasse 33
48147 Münster
Tel.: 0251 / 591-5880
E-Mail: j.paulus at lwl.org
Bilder können unter
http://www.lwl.org/pressemitteilungen/mitteilung.php?urlID=20164
abgerufen werden.
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