[WestG] [AUS] Die Geschichte einer juedischen Maedchenschule und ihrer Herforder Schuelerinnen, Herford, 11.09.2010-28.01.2011
Alexander Schmidt
Alexander.Schmidt at lwl.org
Do Aug 19 11:18:43 CEST 2010
Von: "Christoph Laue" <C.Laue at Kreis-Herford.de>
Datum: 18.08.2010, 10:10
AUSSTELLUNG
"Wir lebten in einer Oase des Friedens ..."
Die Geschichte einer jüdischen Mädchenschule und ihrer
Herforder Schülerinnen
Vom 11. September 2010 bis 28. Januar 2011 in der Gedenkstätte
Zellentrakt im Herforder Rathaus
Die multimediale Ausstellung dokumentiert die Geschichte einer
jüdischen Mädchenschule in den Jahren zwischen 1926 und 1938.
Diese vom jüdischen Frauenbund Wolfratshausen (Bayern)
gegründete Hauswirtschaftsschule war eine besondere Schule in
einer besonderen Zeit. Ursprünglich sollten hier Mädchen lernen,
einen jüdischen Haushalt nach rituellen Regeln zu führen, und
sich auf weiterführende wirtschaftliche, soziale und
pädagogische Berufe vorbereiten.
Während der NS-Zeit entwickelte sich die Schule dann zu einem
Zufluchtsort. Junge Frauen aus dem gesamten Deutschen Reich
kamen hierher, um sich vor Anfeindung und Ausgrenzung zu
schützen. oder sich auf ihre Auswanderung vorzubereiten. Die
landwirtschaftliche Ausbildung, die in Wolfratshausen einen
besonderen Stellenwert einnahm, wurde später für viele
Schülerinnen geradezu überlebensnotwendig, bildete sie doch
eine der Voraussetzungen für ein Visum ins rettende Ausland. Am
9./10. November 1938 wurden in der Reichspogromnacht alle
Schülerinnen und Lehrerinnen gewaltsam vertrieben. Die Schule
wurde geschlossen.
DIE AUSSTELLUNG
Die Ausstellung thematisiert das Schicksal jüdischer Familien
in der NS-Diktatur aus der besonderen Sicht der Frauen und
Kinder. Im Zentrum stehen dabei die Erinnerungen ehemaliger
Schülerinnen, die in Israel, USA, England und Kanada mit der
Kamera aufgezeichnet wurden. Ihre Lebenswege und Geschichten
vermitteln einen bewegenden, sehr persönlichen Eindruck von der
damaligen Zeit.
Erinnert wird aber auch an all die Schülerinnen, die von den
Nazis ermordet wurden. Seit Sommer 2002 erforscht ein
ehrenamtliches Team des Historischen Vereins Wolfratshausen
unter der Leitung der Historikerin Dr. Sybille Krafft und der
evangelischen Pfarrerin Kirsten Jörgensen die Geschichte der
Schule und hat dazu die letzten noch lebenden Schülerinnen
interviewt. Das Projekt wurde im April 2008 mit dem
renommierten Tassilo-Kulturpreis der Süddeutschen Zeitung
ausgezeichnet.
DIE HERFORDER SCHÜLERINNEN
Auch aus Herford schickten jüdische Familien ihre Kinder nach
Wolfratshausen: Ruth und Inge Obermeier, Ruth Goldmann und
Gisela Ruben besuchten die Schule in den Jahren 1929 bis 1936
jeweils für ein Jahr. Ihre Schicksale und die Schulische
Situation für jüdische Kinder und Jugendliche nach 1933 werden
in der Herforder Ausstellung präsentiert.
Ruth Lilli Goldmann wurde als Tochter des Herforder Rabbiners
Siegmund Goldmann und seiner Frau Else 1912 in Herford geboren.
Ruth besuchte bis 1929 die Höhere Töchterschule (das heutige
Königin-Mathilde-Gymnasium) in Herford, 1930 bis 1931 die
Schule in Wolfratshausen und ab 1931 das
Kindergärtnerinnenseminar am Froebel-Seminar in Berlin. Bis
1939 arbeitete sie als Kindergärtnerin im Raum Berlin und
kehrte danach wieder nach Herford zu ihrer Mutter zurück. Der
Vater war am 30. Januar 1935 in Herford verstorben. Zusammen
mit ihrer Mutter wurde sie am 28. März 1942 zum "Arbeitseinsatz
Ost" nach Warschau deportiert. Ruth starb im Alter von 31
Jahren 1943 in Riga, Lettland.
Ruth Obermeier wurde 1912 als Tochter des Fabrikanten Adolf
Obermeier und seiner Frau Elsa in Herford geboren. Sie lebte
mit ihrer Familie in der Villa Lübbertorwall 18 in Herford.
Ruth besuchte in den Jahren 1929 bis 1930 die jüdische
Haushaltungsschule in Wolfratshausen, lebte danach wieder in
Herford und schloss 1933 ein Examen als staatlich geprüfte
Diätassistentin ab.
Sie erhielt nach der NSDAP-Machtübernahme keine Anstellung.
1936 heiratete sie und emigrierte nach Holland. Sie und von ihr
getrennt ihre beiden Kinder tauchten 1942 in Holland unter.
Ruths Vater starb im April 1942 in Herford, ihre Mutter wurde
im Juli 1942 aus Herford nach Theresienstadt deportiert und
starb am 31. Juli 1942. Ruth überlebte im Versteck. Nach
Zusammenführung mit ihren Kindern 1945 kehrte Ruth im Oktober
1947 nach Herford zurück. Wegen ihrer verfolgungsbedingten
körperlichen und seelischen Schäden war sie in ständiger
Behandlung. Ruth Obermeier verstarb 1960 bei einem Aufenthalt
in den Niederlanden.
Inge Obermeier - die jüngere Schwester von Ruth - wurde 1920 in
Hannover geboren. Inge besuchte ab 1930 das Herforder
Oberlyzeum (das heutige Königin-Mathilde-Gymnasium) und verließ
die Schule 1936 wegen rassistischen Anfeindungen. Inge besuchte
danach die jüdische Haushaltungsschule in Wolfratshausen und
eine jüdische Handelschule in Berlin.
Inge gelang es, am 4. Mai 1939 zunächst nach England zu
flüchten. Am 15. Januar 1941 konnte sie in die U.S.A.
auswandern. Inges Vater starb im April 1942 in Herford, ihre
Mutter wurde im Juli 1942 aus Herford nach Theresienstadt
deportiert und starb am 31. Juli 1942. Sie ist die einzige noch
lebende Augenzeugin unter den Herforderinnen in Wolfratshausen.
Über ihren Aufenthalt in Wolfratshausen berichtete sie 2010 in
einem Interview, das in der Ausstellung zu hören sein wird.
Gisela Ruben wurde 1921 als Tochter des Fabrikanten Hugo Ruben
und seiner Frau Erna in Herford geboren. Sie lebte mit der
Familie in einer Villa an der Goebenstraße nahe beim
elterlichen Betrieb, Herrenkleiderfabrik A(braham) Ruben in der
Luisenstraße. Gisela besuchte bis 1937 die Höhere Töchterschule
(das heutige Königin-Mathilde-Gymnasium) und schloss diese mit
dem 1jährigen (der Mittleren Reife) ab. 1937 bis 1938 war sie
in Wolfratshausen und begann danach eine Schneiderlehre in
Frankfurt/Main. Sie emigrierte am 2. März 1939 mit einem
Kindertransport nach Holland und ging im Dezember 1939 weiter
in die U.S.A., wohin auch ihre Eltern und ihr Bruder Herbert
sich retten konnten. Sie ist dort verstorben.
Neben den Portraits der Herforder Schülerinnen in
Wolfratshausen wird auch über die schulische Situation der
Herforder jüdischen Kinder und Jugendliche nach 1933 informiert.
Die Ausstellung für Herford wird gefördert durch die Stiftung
der Sparkasse Herford, die Stiftung Zukunft im Wittekindland
des Kreises Herford und die GEW Herford Stadt und Kreis.
Die Ausstellung ist Samstag von 14 - 16 Uhr und nach
Vereinbarung für Schulklassen und Gruppen geöffnet.
In der Ausstellung sind das Begleitbuch und umfangreiche
pädagogische Materialien erhältlich. Informationen auch unter
www.zellentrakt.de.
INFO
Kontakt:
Gedenkstätte Zellentrakt
Rathausplatz 1
32052 Herford
Tel.: 05221/189257
Fax: 05221/132213
E-Mail: info at zellentrakt.de
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