[WestG] [AKT] Die digitale Edition des juedischen Friedhofes in der Stadt Ruethen

Alexander Schmidt Alexander.Schmidt at lwl.org
Mo Okt 5 11:26:52 CEST 2009


Von: "Stadtarchiv" <stadtarchiv at ruethen.de>
Datum: 01.10.2009, 17:46


AKTUELL

                                            
Thema: 
Weltweit ein Forum des Gedenkens u. ein Archiv für die Forschung - 
die digitale Edition des jüdischen Friedhofes in der Stadt Rüthen

Als vermutlich erste Kommune in NRW wird die Stadt Rüthen in 
Zusammenarbeit mit dem Salomon Ludwig Steinheim-Institut für 
deutsch-jüdische Geschichte in Duisburg eine digitale Edition 
der wissenschaftlichen Erfassung der Grabdenkmäler auf den 
örtlichen jüdischen Friedhöfen (Rüthen: 80 Grabsteine, 
Rüthen-Oestereiden: 4 Grabsteine) herausgeben und demnächst 
weltweit online stellen.

Der jüd. Friedhof in Rüthen ist als solcher der älteste 
original erhalten gebliebene Begräbnisplatz des ehem. 
Herzogtums Westfalen, heute auch als kurkölnisches Sauerland 
bezeichnet. Am 08. Oktober 1625 wurde den ortsansässigen Juden 
durch den Rat der Stadt Rüthen der Befestigungsgraben am Rand 
der nördlichen Stadtmauer, östlich des bis heute vorhandenen 
Hachtores als dauerhafter Bestattungsbereich für ihre 
Verstorbenen überlassen, nachdem dort schon in früheren Zeiten 
(Spätmittelalter) vereinzelt jüdische Grabstätten angelegt 
worden waren.

Seit dieser offiziellen Zuweisung durch die Stadtobrigkeit 
wurden dann kontinuierlich über Jahrhunderte viele Generationen 
jüdischer Bewohner u. Bürger der Stadt Rüthen, aber auch 
auswärtige Juden dort beerdigt. Die letzte Bestattung wurde im 
Jahr 1958 vorgenommen.

Seit 1959 gilt dieser Friedhof nach jüdischem Kultus als 
geschlossen bzw. verwaist. Die besondere, bis heute hier 
original erhalten gebliebene u. daher nicht nur für NRW äußerst 
selten gewordene topografische Lage u. Situation eines aus dem 
städtischen Spätmittelalter überkommenen jüdischen 
Begräbnisplatzes mit seinem typischen Erscheinungsformen und 
Anlagestrukturen sowie dem großen konfessions-, sozial- u. 
kulturgeschichtlichen Gehalt seiner sepulkralhistorischen 
Entwicklungsabschnitte und Gestaltungsvielfalt machen den 
jüdischen Friedhof in Rüthen seit vielen Jahren zu einem 
Kulturdenkmal von überregionaler Bedeutung, dessen 
wissenschaftliche Erschließungsergebnisse nunmehr in Form 
globaler Präsentationsmöglichkeiten der interessierten 
Öffentlichkeit in aller Welt zur Verfügung gestellt werden 
sollen.

Die für dieses beim Rüthener Friedhof angewandte Verfahren 
verantwortliche Mitarbeiterin des Duisburger 
Steinheim-Instituts, Nathanja Hüttenmeister M.A., sieht den 
jüdischen Begräbnisplatz vor allem als "komplexen wie 
lebendigen Ausdruck jüdischen historischen Selbstbewusstseins 
und dessen Kontinuität über Jahrhunderte. An dem 'semiotischen 
Ensemble', an der Zeichenwelt eines Friedhofs, lässt sich weit 
mehr ablesen über die innere und äußere Verfasstheit einer 
Gemeinde, und sei sie noch so klein wie es viele der ländlichen 
Gemeinden in unserem Raum waren, als nur Daten u. Namen. So 
individuell und wichtig diese Namen u. Lebensdaten sind, so 
sind sie doch nur ein Element des über Jahrhunderte gewachsenen 
steinernen Archivs, der 'corporate identity' einer Gemeinde, 
deren Mitglieder die Kontinuität und die Brüche der eigenen 
Geschichte aufbewahren."

In der digitalen Edition ihrer wissenschaftlichen Analyse des 
Rüthener Friedhofes wird Nathanja Hüttenmeister insbesondere 
die hebräischen Inschriften übersetzen u. kommentieren sowie 
auf frühere wie auch spätere Familienmitglieder, die auf 
demselben Friedhof begraben liegen, verweisen. Gerade die 
biographischen u. genealogischen Angaben können bei diesem 
Dokumentationsmedium in Zukunft unproblematisch u. permanent 
durch zusätzliche oder neue Erkenntnisse, Hinweise u. 
Informationen aus der (weltweiten) Forschung immer wieder 
ergänzt u. erweitert, aber auch korrigiert werden.

In der Ausgangsedition des Instituts ist natürlich eine kurze 
Beschreibung jedes einzelnen Grabsteines, seiner spezifischen 
Gestaltung, der Bedeutung seiner Ornamentik u. Symbolik sowie 
seines zeitigen Zustandes, verdeutlicht durch Abbildungen, 
enthalten. Komplettiert werden diese Einzelanalysen durch 
orientierende Angaben zu Lage u. Geschichte des Friedhofes 
sowie durch erläuternde Verweise auf weitere jüdische Friedhöfe 
bzw. ehem. jüd. Gemeinden u. Wohnplätze im Raum Rüthen u. der 
näheren Umgebung.

Zu Ergebnis u. Zielsetzung ihrer wissenschaftlichen Forschungs- 
u. digitalen Editionsarbeit schreibt Nathanja Hüttenmeister: 
"Dank dieser Erfasssung (…) ließ sich eine umfassende, weltweit 
zugängliche Zweitüberlieferung schaffen. Sie ist wichtig, 
einmal als Quelle für die jeweilige Lokalgeschichte und für die 
Disziplinen der Geistes- und Kulturwissenschaften, zum anderen 
zur Bewahrung des Gedächtnisses jener meist nicht mehr 
existenten Gemeinden. Es gilt, den kommenden Generationen diese 
Orte nach Möglichkeit sowohl physisch zu erhalten wie auch in 
Text und Bild zugänglich zu machen und sie auszudeuten, bevor 
der Verfall ihre Zeichenwelt immer weiter verringert, wenn 
nicht auslöscht."

Mittels der digitalen Edition ihrer wissenschaftlichen Analyse 
des jüdischen Begäbnisplatzes in Rüthen will Nathanja 
Hüttenmeister also der einheimischen Bevölkerung wie auch den 
weltweit interessierten Besuchern auf fachkundige und gut 
verständliche Weise den virtuellen Zugang zu einem überregional 
bedeutenden jüdischen Begräbnisplatz Westfalens zum Zwecke des 
Gedenkens, des Forschens und Lernens jederzeit ermöglichen u. 
nachhaltig erleichtern.

Im Rahmen einer Vortragsveranstaltung der VHS Möhne-Lippe/VHS 
des Kreises Soest wird die Wissenschaftlerin am Donnerstag, dem 
05. November 2009 im Rahmen einer ausführlichen Präsentation 
ihre digital dokumentierten Ergebnisse vorstellen u. erläutern. 
Am nachfolgenden Freitag, dem 06. November 2009 wird Nathanja 
Hüttenmeister M.A. dann eine Führung über den jüd. Friedhof in 
Rüthen anbieten, bei der die Erkenntnisse aus dem Vortrag vom 
Vorabend noch einmal vertieft und anhand originaler Beispiele 
vor Ort verdeutlicht werden. Im Rahmen der ca. 1 ½ stündigen 
Exkursion wird auch von ihr eine Einführung in die jüd. 
Sepulkralkultur erfolgen.

Der VHS-Vortrag findet am 05.11.09 von 20.00 h - 21.30 h im 
Bürgersaa (OG) des Alten Rathauses, Hachtorstr. 26 in Rüthen 
statt. Die Friedhofsführung am 06.11.09 in der Zeit von 15.00 h 
- 16.30 h nimmt ihren Ausgang vom Vorplatz des jüd. Friedhofes 
in Rüthen, Am Romberg. Dabei ist für männliche 
Exkursionsteilnehmer eine Kopfbedeckung Pflicht! Die Teilnahme 
an den Veranstaltungen ist gebührenfrei, aus organisatorischen 
Gründen wird aber um eine Voranmeldung gebeten bei:


INFO

VHS Möhne-Lippe/VHS des Kreises Soest
Silbkestr. 84
59581 Warstein-Belecke
Tel.: 02902/8021-0
Fax: 02902/8021-21
E-Mail: info at vhs-moehne-lippe.de 

Weitere Informationen s. unter www.vhs-moehne-lippe.de 


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