[WestG] [TV/R] WDR-Fernsehen: Wie der Wetterbericht ins Muensterland kam, 28.11.2008

Marcus Weidner Marcus.Weidner at lwl.org
Fr Nov 14 11:18:48 CET 2008


Von: "Lernzeit" <Lernzeit at WDR.DE>
Datum: 13.11.2008, 20:23


TV / RADIO

Freitag, 28. November 2008  	Fernsehen
 
Dokumentation
20.15 - 21 Uhr, WDR Fernsehen

	
Wie der Wetterbericht ins Münsterland kam

Wiederholung: 	
1. Dezember, ab 14.15 Uhr (WDR Fernsehen)

Ein Landwirt soll wutentbrannt mit der Axt das Radio zertrümmert haben,
weil der Wetterbericht Sonne prophezeite und es ihm dann das Heu
verregnete ... Im westlichen Münsterland sei man gegenüber der
Vorhersage der Meteorologen lange skeptisch gewesen. Man vertraute
lieber seinen eigenen Erfahrungen. "Eben int Weer kieken", hieß es
morgens.

Der Wind, der von Holland weht, wusste der Bauer, bringt schlechtes
Wetter. "Wenn der Hund stinkt", gibt es Regen, wenn Kinder "weerig" sind
und viel krakeelen, ist erfahrungsgemäß ein Gewitter im Anzuge. Wenn es
dann blitzte, zündete der münsterländische Katholik eine Wetterkerze an
und bat seinen Herrgott, den Hof zu verschonen.

Schon seit 1906 bot die preußische Regierung ihren Untertanen einen
täglichen Wetterbericht, der per Telegraf verbreitet wurde und bis in
die Dörfer gelangte - wahrgenommen wurden die wissenschaftlichen
Prognosen erst Jahrzehnte später. Allerdings gehörte die Erfindung eines
gewissen Torricelli zum bäuerlichen Alltag: der Barometer.

Das Wetteramt Essen, nach 1945 zuständig für die Region, bemühte sich
redlich, das "Landwirtschaftliche Wochenblatt" in Münster klärte seine
Leser über die Vorzüge der Wissenschaft auf. Nur was sollte man mit
einer Vorhersage anfangen, die bestenfalls für zwei Tage zuverlässig
war? Die Heuernte dauerte länger - schneiden mit der Sense, wenden,
Haufen machen, das Gras wieder verstreuen, Hafer brauchte nach dem
Schnitt neun Tage zum Trocknen, irgendwann würde es reinregnen. Erst mit
der Mechanisierung in den 1960er Jahren wurde der Wetterbericht für die
Bauern interessant. Ein, zwei Tage Sonne reichten nun, und der
Mähdrescher hatte das Getreide geerntet. Auch auf dem Lande sah man
jetzt fern, kein Tag ohne "Das Wetter" auf dem Bildschirm, und man
schaute immer weniger in den Himmel.

Revolutionäre, kaum zu begreifende Veränderungen, an die sich die
Landbewohner noch heute lebhaft erinnern: an das Erstaunen über die
ersten Satelliten, darüber, dass der Mensch die Wolken von oben, aus dem
Weltall, betrachten konnte. Über neue Wörter wie "Isobaren" oder
"Azorenhoch" und den Schmerz über das Verschwinden der alten - "Bise"
zum Beispiel, eine von ungefähr siebzig plattdeutschen Bezeichnungen für
Regen. Ein Bauernpaar, ein Tierarzt, ein Heimatforscher erzählen, wie
immer mehr Vorgänge den Gefahren des Wetters entzogen wurden. Zum
Beispiel gelangte die Milch, die früher bei Hitze leicht sauer wurde,
vom Euter direkt in den Kühltank. Aber der Mensch "beherrscht nicht
alles", sagt Marlies Lessing-Rudde. Das Schneechaos Ende November 2005,
als hier die Zivilisation zusammenbrach, hat niemand vorhergesehen.

Film von Ulla Lachauer