[WestG] [AKT] Rollen, Werfen, Kippen: vom Spiel mit bunten Ostereiern
Alexander Schmidt
Alexander.Schmidt at lwl.org
Mi Mär 19 09:55:20 CET 2008
Von: "LWL-Pressestelle" <presse at lwl.org>
Datum: 18.03.2008, 12:52
AKTUELL
LWL-Volkskundler suchen Fotos:
Rollen, Werfen, Kippen: vom Spiel mit bunten Ostereiern
Seit Wochen stehen die Ostereier in allen Farben in den
Geschäften. Ihrer Bestimmung nach werden sie an den Feiertagen
meist umgehend verspeist. "Das war aber nicht immer so", weiß
Sonja Böder von der Volkskundlichen Kommission für Westfalen
beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL).
"Noch im vorigen Jahrhundert spielten die Leute zu Ostern auch
mit den hartgekochten Eiern." Obwohl diese Spiele weit
verbreitet waren, besitzen die Volkskundler davon kaum
Bildmaterial. Deshalb bitten sie Fotobesitzer um Mithilfe.
Eier picken, ticken, bixen oder auch kippen: Beim wohl
bekanntesten spielerischen Zeitvertreib zu Ostern werden Eier
aufeinander gestoßen. Der Spieler, dessen Ei zerbricht,
verliert. Die Regeln variieren dabei nur in Details. Meist stand
- wie in Bönen (Kreis Unna) - dem Gewinner das Ei zu, "ohne dass
die Hergabe immer im Ernst gefordert wurde", so eine Quelle des
Archivs für Westfälische Volkskunde. Natürlich kursierten Tipps
für besonders harte Eier, die im Wettstreit einen Vorteil
verschafften. Überlanges Kochen oder das Einlegen der Eier in
Pferdemist galten als wirkungsvolle Rezepte.
Bevorzugte Treffpunkte für die Osterspiele waren Hügel, für die
sich Namen wie Poasche- oder Osterberg einbürgerten. Die Jugend
aus Rheine (Kreis Steinfurt) kam am Osterabend auf dem Eierberg
zum Eierpicken zusammen. An einigen dieser Stellen verkauften
Händler Süßigkeiten und andere Leckereien.
Oft fanden die Spiele auf Wiesen statt. Nicht nur in
Iserlohn-Obergrüne (Märkischer Kreis) war das Eierrollen der
Renner: Es siegte, wessen Osterei am schnellsten einen steilen
Wiesenhang hinunter rollte. Beim Eierwerfen entschied entweder
der weiteste Wurf, wie in Hörstel-Bevergern (Kreis Steinfurt),
oder aber der höchste. "Den Aufschlag musste das Ei überleben,
sonst kam es für den Gewinnerwurf nicht in Frage. Zerbrochene
Wurfgeschosse verspeisten die Teilnehmer sogleich", so Böder
augenzwinkernd.
Großer Beliebtheit erfreute sich auch der Eierlauf, der bei
Kindern sportlichen Ehrgeiz weckte. In Freudenberg-Alchen (Kreis
Siegen-Wittgenstein) standen Mädchen und Jungen hingegen auf
einem Steilhang und warfen die Eier im hohen Bogen in eine
leicht sumpfige Wiese.
Überhaupt ist aus dem Kreis Siegen-Wittgenstein ein besonders
kreativer Umgang mit Ostereiern überliefert. Für das
"Osterhäuschen" wurde aus mehreren Haselruten ein etwa 20
Zentimeter hoher Bogengang hergestellt und mit Moos gedeckt. An
den beiden Ausgängen bildeten in die Erde gesteckte und mit Moos
umkleidete Haselstöckchen halbkreisförmige Vorhöfe. "Davor
knieten die Kinder und rollten sich die Eier durch den Tunnel
zu", erläutert die LWL-Volkskundlerin.
In Kreuztal-Littfeld gingen Kinder "in die Ameisen": "Wenn die
Farbe eingezogen war, rieben die Kleinen die bunten Eier mit
einer Speckschwarte ein. Am Nachmittag kamen die Eier in einen
Ameisenhaufen, wo sie von Tannennadeln und den Insekten
umschlossen lagerten. Durch die ätzende Säure der Ameisen
erhielten die Ostereier verzierende Muster", sagt Böder.
Während mit den Eiern fast ausschließlich Kinder spielten, taten
Erwachsene beispielsweise dies: "Am ersten Ostertage zog der
Bauer mit Alt und Jung nach seiner Weide und dann wurde dort
Ballschlagen geübt", heißt es in einem Bericht aus
Espelkamp-Isenstedt (Kreis Minden-Lübbecke). Oft war es das
einzige Mal im Jahr, dass Erwachsene zum Ballspielen zusammen
kamen. In Halle (Kreis Gütersloh) endete das Spiel gewöhnlich
mit dem "Holskenball", einem traditionellen Tanzabend.
Ein Osterfest ohne Osterspiele? Für lange Zeit war das
undenkbar. Dennoch existieren im Bildarchiv der Volkskundlichen
Kommission kaum Fotos dazu. Die LWL-Volkskundler freuen sich
daher sehr über die Zusendung von Bildmaterial. Weitere
Informationen erhalten Sie bei Christiane Cantauw unter der
Telefonnummer 0251 832-4404.