[WestG] [AKT] Ende Juni beginnt die Urlaubszeit: Frueher ging nach dem Johannestag der Erntestress los
Alexander Schmidt
Alexander.Schmidt at lwl.org
Di Jun 24 10:33:39 CEST 2008
Von: "LWL-Pressestelle" <presse at lwl.org>
Datum: 23.06.2008, 11:56
AKTUELL
Ende Juni beginnt die Urlaubszeit
Früher ging nach dem Johannestag der Erntestress los
In diesem Jahr wird der 24. Juni für viele Westfalen stressig:
Es ist der vorletzte Schultag, da muss noch etliches erledigt
werden bevor es in den Urlaub geht und die erholsamste Zeit des
Jahres beginnt. "Früher war es genau umgekehrt: Am Johannestag
gab es viele Feste, Kirmessen und Prozessionen, für die danach
keine Zeit mehr blieb, denn mit der beginnenden Erntezeit
standen die stressigsten Wochen des Jahres vor der Tür", erklärt
Christiane Cantauw von der Volkskundlichen Kommission für
Westfalen beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL).
Für Beelen (Kreis Warendorf), Blankenstein (Hattingen,
Ennepe-Ruhr-Kreis), Boele (Hagen), Eiringhausen (Plettenberg,
Märkischer Kreis), Lage (Kreis Lippe), Neheim (Arnsberg,
Hochsauerlandkreis) , Rheine (Kreis Steinfurt), Schildesche
(Bielefeld), Siegen, Voerde (Ennepetal, Ennepe-Ruhr-Kreis),
Werne (Kreis Unna) und Westerholt (Herten, Kreis Recklinghausen)
sind beispielsweise Johanneskirmessen belegt. "Auch die Tatsache,
dass der Johannestag kurz nach der Sommersonnen-Wende liegt,
machte diesen Termin für sommerliche Feste besonders attraktiv.
Heute noch werden vor allem in Süddeutschland, in Österreich, in
Norddeutschland und im nördlichen Europa die Johannisfeuer
entzündet und es wird die ganze Nacht lang gesungen und getanzt,
" weiß Cantauw. "Der mancherorts in Westfalen übliche Brauch am
Johannestag Kräuter zu sammeln und diese zu einem Kranz zu
flechten, der dann über der Tür aufgehängt wurde und dem Haus
Segen bringen sollte, ist übrigens auch im nördlichen Europa
bekannt."
Die heute noch üblichen Bräuche am Johannestag sind ein
Überbleibsel eines viel ausgeprägteren Brauchgeschehens gegen
Ende des Mittelalters. Die Johannisfeuer waren zu dieser Zeit in
ganz Deutschland und darüber hinaus verbreitet. Cantauw: "Ein
Kinderlied, das in unserem westfälischen Volksliedarchiv
überliefert ist, kündet noch von dieser Tradition. Das Lied
beginnt mit dem Satz 'Lasset auf den Bergen die Feuerflammen
schlagen'. Dieses Lied wurde im niedersächsischen Lauenförde in
der Nähe von Beverungen (Kreis Höxter) zum Johannis- und
Osterfeuer gesungen". Ähnlich wie zu Weihnachten wurden in der
frühen Neuzeit auch am Johannestag Mitternachtsmessen gefeiert.
Die enge Verbindung des Johannestages zum Weihnachtsfest ergibt
sich aus der Bibel. Dort ist überliefert, dass Johannes ein
halbes Jahr vor Jesus geboren ist. Die große Beliebtheit des
Heiligen lässt sich übrigens auch aus der Tatsache ableiten,
dass Johannes gegen Ende des Mittelalters der häufigste Taufname
in Deutschland war. Und er ist der Patron der Lämmer, Schafe,
Haustiere, Hirten, Färber, Gerber, Kürschner, Schneider, Sattler,
Bauern, Winzer, Gastwirte, Fassbinder, Musiker, Sänger, Tänzer,
Kinobesitzer, Architekten, Steinmetze, Maurer, Zimmerleute,
Kaminkehrer, Schmiede, der Weinstöcke und der Abstinenten.
Von der besonderen Bedeutung des Johannestages für die Landwirte
künden auch die mit diesem Tag verknüpften Wetterregeln, die die
Hoffung auf genügend Feuchtigkeit vor diesem Termin und eine
anhaltend schöne Wetterperiode nach dem Johannestag zum Ausdruck
bringen: "Vor Johanni bitt um Regen, hernach kommt er ungelegen",
"Bleicht der Roggen vor Johann, fängt die Ernte düster an".
Übrigens: Johannes der Täufer ist der einzige Heilige, dessen
Geburtstag in der katholischen Kirche gefeiert wird.
"Heiligengedenktage sind normalerweise die Todestage der
betreffenden Personen. Das ist bei Johannes dem Täufer anders,"
erläutert Cantauw. "Mit den Bräuchen am Johannestag hat der
Namensgeber aber nicht viel zu tun!"