[WestG] [AKT] Grabung mit Ueberraschungsmomenten
Alexander Schmidt
Alexander.Schmidt at lwl.org
Do Jun 5 10:14:12 CEST 2008
Von: "LWL-Pressestelle" <presse at lwl.org>
Datum: 04.06.2008, 15:37
AKTUELL
Grabung mit Überraschungsmomenten
Vor dem LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte am
Domplatz graben Archäologen nach Überresten aus früheren Zeiten
Nicht nur im Museum, sondern auch in der Baugrube davor sind
derzeit kulturhistorische Objekte zu entdecken. Denn seit
einigen Tagen untersucht die Stadtarchäologie Münster im Auftrag
des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) den Vorplatz am
Eingang des LWL-Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte.
Anlass der voraussichtlich noch bis September andauernden
Grabung ist der Neubau des Museums, der im Frühjahr 2009
beginnt. "Uns ist es sehr wichtig, dass dieser Bereich noch vor
den Baumaßnahmen archäologisch untersucht wird, denn danach wird
das neue Museumsgebäude diesen Platz hoffentlich über viele
Jahre belegen", sagt Museumsdirektor Dr. Hermann Arnhold.
Das Ziel der Grabung ist es, Erkenntnisse für die Nachwelt zu
sichern, die das Bodendenkmal in sich birgt. "Unser Augenmerk
richtet sich vor allem auf die frühe Besiedlungsgeschichte des
Domplatzes über die wir vieles noch nicht wissen. Es gibt für
diese Zeiten keine Schriftquellen und keine Pläne. Jede einzelne
Fläche, die einen zusätzlichen Einblick in den Boden verschafft,
ist daher wichtig für uns", erklärt Stadtarchäologin Dr. Aurelia
Dickers.
Seit den 1940er Jahren fanden bisher über 30 archäologische
Ausgrabungen auf dem Domhügel statt, die im Boden verborgene
Siedlungsspuren zur Stadtgeschichte sichtbar machten. Die erste
Besiedlung auf dem Hügel reicht in die römische Kaiserzeit des
2. und 3. Jahrhunderts nach Christus zurück und ist auch für das
4. Jahrhundert archäologisch belegt. Die bisher auf dem Domplatz
angenommene Siedlung Mimigernaford vom späten 7. und frühen 8.
Jahrhundert gab es an dieser Stelle nicht. Bis zur Gründung des
Domklosters durch Liudger im ausgehenden achten Jahrhundert
blieb der Domhügel nach bisherigem Forschungsstand weitgehend
unbesiedelt.
Erst mit der Gründung des Klosters und des Bistums als
geistliches, politisches und wirtschaftliches Zentrum der Region
entwickelte sich auf dem Domhügel eine dichte Besiedlung. Diese
bildet den Kern der späteren Stadt Münster. Umgeben von einer
ringförmigen Befestigungsanlage aus dem 9. Jahrhundert hatte das
dicht bebaute Areal im 10. Jahrhundert eine Größe von etwa 7,5
ha. In dieser Zeit entstanden zahlreiche Steingebäude, die vom
zunehmenden Wohlstand der Bewohner zeugten.
Seit dem zwölften Jahrhundert wurde der Bereich um den Dom fast
ausschließlich von Geistlichen bewohnt. Sie residierten in
großzügigen Steinbauten, den sogenannten Kurien der Domherren.
Diese Gebäude sind seit dem Spätmittelalter kennzeichnend für
die Bebauung des Platzes, der sich in seiner Grundstruktur bis
heute so erhalten hat.
"Die aktuelle Untersuchungsfläche liegt im Bereich der
sogenannten von Galenschen Kurie, die in den Jahren zwischen
1664 und 1668 als Neubau entstanden ist. Der von Galensche Bau
ist uns durch Bauzeichnungen und Fotos aus den letzten Jahren
seiner Nutzung gut bekannt", so Dickers. Das Gebäude wurde zwar
immer wieder umgebaut, hatte jedoch bis in die Nachkriegszeit
Bestand und wurde bei einem Bombenangriff im Oktober 1943
zerstört.
Wie die ältere Kurie, deren Bewohner sich über das Hofgelderbuch
bis in das Jahr 1575 namentlich zurückverfolgen lassen,
ausgesehen hat, ist im Detail unbekannt. Eine gewisse
Vorstellung von diesem Grundstück vermittelt die historische
Stadtansicht von Alerdinck aus dem Jahre 1636. Sie zeigt an
dieser Stelle eine schmale, langgestreckte Parzelle zwischen dem
Domplatz im Norden, der Pferdegasse im Westen und der
Margarethenstiege im Osten, auf der ein stattlicher Steinbau mit
der Giebelseite zur heutigen Pferdegasse und einem
Hinterhofbereich zum Domplatz steht.
Wie das Gelände vor dieser Zeit aussah und wie es genutzt wurde,
wissen die Archäologen jedoch noch nicht. In den vergangenen
zwei Wochen sind auf dem Platz vor dem LWL-Landesmuseum die
Grundmauern der unterkellerten Kurie offengelegt worden. Die
breiten Backsteinmauern lassen sich dem Neubau des 17.
Jahrhunderts zuordnen. Sie sitzen erkennbar auf sauber verlegtem
Bruchsteinmauerwerk auf, das eindeutig älter und wahrscheinlich
mittelalterlich ist.
Bei den Resten dürfte es ich um den Vorgängerbau der von
Galenschen Kurie handelt, die 1652 als verfallen bezeichnet wird
und deren tatsächliches Alter noch nicht bekannt ist.
Die bis in das 20. Jahrhundert hinein genutzten Kelleräume waren
mit Schutt gefüllt. Darin fanden sich Teile der durchaus
repräsentativen Raumausstattung des 19. Jahrhunderts, wie
beispielsweise Stuckdeckenteile.
Einen ersten Höhepunkt der Grabungsarbeiten beförderte in der
vergangenen Woche der Bagger zutage: einen 40 Zentimeter großen
Kopf einer Skulptur.
"Von der Formauffassung könnte der Skulpturenkopf aus dem späten
19. oder frühen 20. Jahrhundert stammen und zu einem der
historischen Gebäude oder Vorplätze gehören", gab
Museumsdirektor Dr. Hermann Arnhold bei der ersten Inspektion
eine Einschätzung ab. Mit geballter Fachkompetenz sind die
Archäologen und Kunsthistoriker des Museums bemüht, alle
weiteren offenen Fragen über die Herkunft des Kopfes im
wissenschaftlichen Austausch zu klären.
INFO
LWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte
Domplatz 10
48143 Münster
Tel.: 0251 5907-01
URL: www.landesmuseum-muenster.de