[WestG] [AKT] Erinnerung an den Ueberfall auf Stadt und Kloster Corvey vor fast 750 Jahren

Alexander Schmidt Alexander.Schmidt at lwl.org
Di Jul 15 10:51:13 CEST 2008


Von: "Michael Koch" <m.koch at hoexter.de>
Datum: 14.07.2008, 20:44 


AKTUELL

Am 15. Juli Anno Domini 1265: Erinnerung an den Überfall auf 
Stadt und Kloster Corvey vor fast 750 Jahren

Vor dem Hintergrund der jüngsten Bemühungen, die bedeutende 
ehemalige Reichsabtei Corvey in den Rang eines Weltkulturerbes 
auf der Liste der UNESCO zu heben, sollen regelmäßig Facetten 
der früheren Geschichte Corveys und Höxters beleuchtet werden. 
Am heutigen 15. Juli machen wir auf ein epochales Ereignis für 
Kloster und Stadt Corvey aufmerksam. Westlich und südlich des 
Klosterareals förderte die Reichsabtei gegen Ende dieser 
Blütezeit die Stadt Corvey, die schließlich wie die benachbarte 
corveysche Stadt Höxter eine kommunale Selbstverwaltung und eine 
Weserbrücke aufweisen konnte.

Mit dieser Nachbarstadt unmittelbar vor den Stadttoren Höxters 
zielten die Corveyer Äbte auf eine Schwächung der 
wirtschaftlichen und politischen Kraft der mittelalterlichen 
Bürgerschaft Höxters - denn diese hatte sich zunehmend zu einer 
Bedrohung für ihren Herrschaftsanspruch und ihren Einfluss über 
Stadt, Land und Leute entwickelt. Am 15. Juli 1265 schlugen 
Drohgebärden in Gewalt um und die krisenhaft angespannte 
Situation entlud sich in einem Kriegszug:

"Im Jahre des Herren 1265, zur Regierungszeit des Abtes Thimmo 
wurden Kloster und Stadt Corvey völlig zerstört und ebenso die 
Kirche des heiligen Petrus in der Stadt Corvey, wo der Leib des 
Herren mit Füßen getreten und entweiht wurde. Außerdem wurden 
dabei die Wirkungsstätten der Mönche zerstört. Dies geschah 
durch Bischof Simon von Paderborn, namentlich ungenannte 
Corveyer Ministerialen und die Bürger von Höxter. Sie raubten 
sogar Kelche und Bücher aus dem Kloster, setzten Menschen dort 
gefangen und nahmen den Mönchen ihre Kleidung aus dem Schlafsaal 
weg."

So lautet in moderner Übersetzung die bald nach dem Überfall von 
1265 verfasste Darstellung aus Sicht der Corveyer Mönche. 
Darüber hinausgehende zeitnahe Darstellungen haben sich leider 
nicht erhalten, die exakte Tagesangabe liefert hingegen eine 
andere spätmittelalterliche Paderborner Handschrift. 
Archäologische Ausgrabungen der vergangenen Jahrzehnte belegen 
den innerhalb des besiedelten Corveyer Stadtareals auftretenden 
Brand- und Zerstörungshorizont, der sich neuerdings auch südlich 
der ehemaligen Klosterkirche und somit innerhalb des ummauerten 
Klosterareals nachweisen lässt. Aufgrund dieser Erkenntnisse 
erscheint die Annahme durchaus plausibel, dass die Stadt Corvey 
und das Kloster an einem einzigen Tag in Flammen aufgingen, 
entweiht und geplündert wurden.

Nur das Kloster konnte sich wieder erholen, die Stadt blieb 
zerstört. Aus Mangel an konkreten Nachrichten verharren Aussagen 
zu den Akteuren, den Profiteuren und den Opfern des Überfalls an 
der Oberfläche. Langfristig setzten sich die Stadt Höxter mit 
ihren Verwaltungs- und Militärfachleuten im Dienste der Abtei 
Corvey (den oben erwähnten abtrünnigen Ministerialen) und ihrer 
Bürgerschaft sowie in gewissem Maße auch der Bischof von 
Paderborn durch.

Die Stadt Corvey wurde von ihren Bewohnern verlassen, so dass 
etwa hundert Jahre später nur noch von einem Dorf Corvey die 
Rede war. Vielfältig waren die auslösenden Faktoren für die 
Krise von 1265, in der sich die damals gleichfalls 
krisengeschüttelte Reichs- und Landesgeschichte widerspiegeln. 
Aus heutiger Sicht muss man anerkennen, dass unter den 
Bedingungen der mittelalterlichen Gesellschaft nur eine Stadt 
auf solch engem Raum überleben konnte.

Wer Näheres wissen möchte, dem sei der 2003 erschienene erste 
Band der Stadtgeschichte Höxter empfohlen. Alternativ können 
sich Neugierige an das Stadtarchiv und die Stadtarchäologie in 
Höxter wenden, die schriftliche und ergrabene Zeugnisse der 
Vergangenheit aufbewahren, federführend bei der Gestaltung der 
Stadt- und Regionalgeschichte mitwirken und somit Grundlagen für 
unsere lokale Identität und unsere gemeinsame Zukunft schaffen.

Kontakt: Michael Koch, Stadtarchiv: Tel. 05271-9631500, Mail: 
m.koch at hoexter.de, Andreas König, Stadtarchäologie: Tel. 
05271-9635600, Mail: koenig at arch-hx, beide: Stadthaus am 
Petritor, Westerbachstraße 45, 37671 Höxter.


INFO

Kontakt:
Michael Koch, M.A.
Stadtarchiv Höxter
Westerbachstraße 45
37671 Höxter
Tel.: 05271-9631500
E-Mail: m.koch at hoexter.de