[WestG] [AKT] Eric Hobsbawm bekommt Bochumer Historikerpreis

Alexander Schmidt Alexander.Schmidt at lwl.org
Mo Jul 14 10:33:14 CEST 2008


Von: "Josef König" <josef.koenig at presse.ruhr-uni-bochum.de>
Datum: 09.07.2008, 16:26


AKTUELL

Eric Hobsbawm bekommt Bochumer Historikerpreis 
Würdigung des 91-jährigen unorthodoxen Marxisten
Preisverleihung für britischen Sozialhistoriker im November

Eric Hobsbawm ist der diesjährige Preisträger des Bochumer 
Historikerpreises. Die mit 25.000 Euro dotierte Auszeichnung 
würdigt das außergewöhnliche Lebenswerk des 91-jährigen 
britischen Sozialhistorikers. Diese Entscheidung gab heute die 
Stiftung Bibliothek des Ruhrgebiets bekannt, die den Preis 
gemeinsam mit der Stadt Bochum, der Ruhr-Universität Bochum und 
der Stiftung der Sparkasse Bochum verleiht. Der diesjährige 
Historikerpreis wird anlässlich des 10. Stiftungsfestes der 
Stiftung Bibliothek des Ruhrgebiets am 28. November 2008 in 
Bochum verliehen. Es ist das dritte Mal, das dieser Preis 
verliehen wird. Zuvor sind bereits Lutz Niethammer (2002) und 
Jürgen Kocka (2005) gewürdigt worden.

Pionier der empirischen historischen Forschung

"Eric Hobsbawm ist auch international gesehen einer der 
bedeutendsten Historiker des 20. Jahrhunderts," begründete Prof. 
Klaus Tenfelde, der Vorsitzende des Vorstands der Stiftung 
Bibliothek des Ruhrgebiets die Wahl des Briten. Hobsbawm habe 
der Geschichtswissenschaft von den 1950er Jahren bis ins 21. 
Jahrhundert hinein wiederholt neue Impulse gegeben. So gehörte 
Hobsbawm zu den Pionieren der empirischen historischen Forschung 
auf dem Feld der Arbeitergeschichte. Früher als andere zeigte er 
schon 1959 Perspektiven einer Sozialgeschichte als "Geschichte 
von unten" auf.

Kosmopolitische Biografie

"Mit seinem Leben und Wirken hat er die Höhen und Tiefen des 20. 
Jahrhunderts als Zeitzeuge direkt erlebt und in seinem 
Schrifttum umfasst," heißt es in der Begründung der Stifter, die 
auf Hobsbawms kosmopolitischen Hintergrund verweisen. 1917 im 
ägyptischen Alexandria geboren, wuchs Hobsbawm mit jüdischen 
Wurzeln in Wien und Berlin auf. 1933 emigrierte er nach England, 
wo er in Cambridge das Studium der Geschichte aufnahm. An der 
Universität, aber auch schon zuvor in Berlin, wurde er zum 
überzeugten Kommunisten. Die Mitgliedschaft in der KP 
Großbritanniens prägte fortan sein Werk, aber auch seine 
Karriere und seine Rezeption. Erst heute, rund 18 Jahre nach dem 
Zusammenbruch des Ostblocks, zeichnet sich eine vorurteilsfreie 
Würdigung Hobsbawms auch in Deutschland ab.

Unorthodoxer Marxist und sozialkritischer Historiker

Der Bochumer Historikerpreis setzt hier ein Zeichen. "Eric 
Hobsbawm ist einer jener unorthodoxen britischen Marxisten, die 
die Gesellschafts-Geschichte revolutioniert haben", erklären die 
Preisstifter und betonen zugleich, dass sich Hobsbawm nie habe 
von der Parteilinie vereinnahmen lassen. Vielmehr sei nun die 
Breite seines Blicks und die Reichweite seiner Deutungskraft 
anzuerkennen. Beides bewies Hobsbawm vor allem mit seiner 
vierteiligen Geschichte der bürgerlichen Moderne und ihren 
letztlich gescheiterten ideologischen Herausforderungen. In "The 
Age of Revolution" (1962) und "The Age of Capital" (1975) 
beschrieb Hobsbawm den Sieg der bürgerlichen 
Gesellschaftsordnung über die traditionellen Ancien Regimes. 
"The Age of Empire" (1987) behandelte ihre Blüte und ihr 
beginnendes Verblühen; "The Age of Extremes" (1994) versuchte 
sich an einer Erklärung, warum die sozialistische 
Systemalternative, der sich Hobsbawm lebenslang mit 
unerschütterlicher Hoffnung verschrieben hatte, untergehen 
musste.

Frühere Preisträger: Niethammer und Kocka

Nach Lutz Niethammer im Jahr 2002 und Jürgen Kocka 2005 reiht 
sich mit Eric Hobsbawm nunmehr der dritte Historiker in die 
Riege der Träger des Bochumer Historikerpreises ein. Mit dem 
Preis werden alle drei Jahre herausragende Leistungen auf dem 
Gebiet der Wirtschafts- und Sozialgeschichte gewürdigt, die 
national wie international hohe Aufmerksamkeit gefunden 
haben.


INFO

Dr. Jürgen Mittag
Geschäftsführer Stiftung Bibliothek des Ruhrgebiet
Tel.: 0234/32-26-920
E-Mail: juergen.mittag at rub.de