[WestG] [AKT] Historiker Prof. Dr. Gerd Althoff wird 65 Jahre alt
Alexander Schmidt
Alexander.Schmidt at lwl.org
Mo Jul 7 11:12:41 CEST 2008
Von: "Pressestelle der Uni Münster" <pressestelle at uni-muenster.de>
Datum: 07.07.2008, 09:02
AKTUELL
Herrschaft im Mittelalter
Historiker Prof. Dr. Gerd Althoff wird 65 Jahre alt
Wer heute noch vom Mittelalter als einer Epoche ungezügelter
Brutalität spricht, erntet unter den Spezialisten nur noch ein
mildes Lächeln. Dafür gesorgt hat nicht zuletzt der münstersche
Historiker Prof. Dr. Gerd Althoff, der am 9. Juli 2008 sein 65.
Lebensjahr vollendet. In vielen Arbeiten hat er gezeigt, dass
das vermeintlich finstere Zeitalter feste Regeln entwickelt hat,
die Gewalt zu begrenzen, zu kanalisieren oder zumindest zu
reglementieren.
Gerd Althoffs wissenschaftlicher Werdegang ist eng mit der
Universität Münster verknüpft. Er studierte Geschichte und
Germanistik in Münster und Heidelberg. Nach der Promotion an der
Universität Münster über das Necrolog des Klosters Borghorst
(1974) folgte er seinem Lehrer Karl Schmid als Assistent nach
Freiburg, wo er sich 1981 mit einer Arbeit über das
Totengedenken der Adels- und Königsfamilien im 10. Jahrhundert
habilitierte. 1986 führte ihn sein Weg als Professor für
Mittelalterliche Geschichte zunächst nach Münster. Nach
Lehrstühlen an den Universitäten Gießen und Bonn kehrte Prof.
Althoff 1997 als Ordinarius wieder an die WWU zurück.
Gastprofessuren in Berkeley/Kalifornien (1995/96) und Paris
(1998) bezeugen und förderten seine internationale Ausstrahlung.
Althoffs wissenschaftliches Erkenntnisinteresse galt vor allem
der Frage, wie Herrschaft vor der Entstehung des modernen
Staates funktionierte. Das zeigten schon die frühen Arbeiten,
die sich mit der Ottonen- und Salierzeit befassten und ihn zum
ausgewiesenen Experten auf diesem Gebiet werden ließen. So hat
er mit seinen Darstellungen "Die Ottonen. Königsherrschaft ohne
Staat" (2000) und dem gemeinsam mit Hagen Keller verfassten
Ottonen-Band im "Handbuch der deutschen Geschichte" (2008) die
zentralen Studien- und Lehrbücher geschrieben. Auch seine
Biographien über Otto III. (1996) und den Salier Heinrich IV.
(2006) gelten mittlerweile als Standardwerke.
Die Frage nach den Funktionsweisen mittelalterlicher Herrschaft
stand auch bei seinen Forschungen zu den politischen
Gruppenbindungen im Mittelalter Pate, aus denen insbesondere das
auch ins Englische übersetzte Buch über "Verwandte, Freunde und
Getreue" (1989) hervorgegangen ist. In den folgenden Jahren
setzte sich der Historiker dann vor allem mit der
Konfliktführung und -beilegung im Mittelalter auseinander und
versammelte 1997 unter dem programmatischen Titel "Spielregeln
der Politik im Mittelalter. Kommunikation in Frieden und Fehde"
einige Studien in einem viel beachteten Buch. Ein neues
Forschungsgebiet hat Althoff der deutschen Mittelalterforschung
erschlossen, indem er zuletzt in vielen Studien die Bedeutung
symbolischer Handlungen und die Wirkung von Ritualen im
Mittelalter untersucht hat. Sein Buch "Die Macht der Rituale"
(2003) hat der Erkenntnis, in welch hohem Maße symbolische
Kommunikationsformen die mittelalterliche Herrschaft prägten, zu
entscheidendem Durchbruch verholfen. Schon zuvor waren seine
konzeptionellen Überlegungen auf diesem Gebiete in den 2000
bewilligten münsterschen Sonderforschungsbereich "Symbolische
Kommunikation und gesellschaftliche Wertesysteme vom Mittelalter
bis zur Französischen Revolution" eingeflossen, als dessen
Mitinitiator und langjähriger Sprecher er sich verdient gemacht
hat. Seit dem vergangenen Jahr ist Althoff überdies Sprecher des
neu eingerichteten Exzellenzclusters "Religion und Politik in
den Kulturen der Vormoderne und Moderne", wo er selbst unter
anderem das neue Gewaltverständnis der Kirchenreformer des 11.
Jahrhunderts untersucht.
Dass Althoff seine neuen Sichtweisen nicht nur der engen
Fachwelt, sondern auch einem breiteren Publikum zu vermitteln
versteht, zeigen seine vielen gut besuchten öffentlichen
Vorträge. Die Fähigkeit, Themen gleichermaßen anspruchsvoll wie
ansprechend zu präsentieren, sichert ihm nicht zuletzt in der
universitären Lehre einen ungewöhnlich großen Zulauf. Seine
Vorlesungen gelten als Magnet, der über die Studierenden hinaus
viele interessierte Gasthörer anzieht. Sie alle können nun davon
profitieren, dass Prof. Althoff die WWU nach seinem 65.
Geburtstag nicht verlassen wird, sondern dem Historischen
Seminar als Hochschullehrer und dem Exzellenz-Cluster als
Sprecher weiterhin erhalten bleibt.
Aus Anlass des 65. Geburtstages von Prof. Dr. Gerd Althoff
findet in Münster vom 10. bis 12. Juli 2008 ein internationales
Kolloquium statt, auf dem sich Forscher unter dem Titel
"Spielregeln-Gewohnheiten-Konventionen" über die zentralen
Leitbegriffe der Arbeiten Althoffs austauschen. Unter dem Titel
"Kaiser sein im spätmittelalterlichen Europa. Spielregeln
zwischen Weltherrschaft und Gewöhnlichkeit" hält am Donnerstag,
10. Juli 2008, um 19.30 der Heidelberger Mediävist Bernd
Schneidmüller im Hörsaal F2 des Fürstenberghauses am
münsterschen Domplatz einen öffentlichen Abendvortrag.
INFO
Historisches Seminar
Abteilung Mittelalterliche Geschichte
URL: http://www.uni-muenster.de/Geschichte/hist-sem/MA-G/L2/