[WestG] [AKT] Nichts Vergleichbares in Norddeutschland: Fortschritte bei der Praeparation an fossilem Schwimmsaurier

Alexander Schmidt Alexander.Schmidt at lwl.org
Mi Jul 2 15:06:04 CEST 2008


Von: "LWL-Pressestelle" <presse at lwl.org>
Datum: 02.07.2008, 12:37


AKTUELL

Fortschritte bei der Präparation an fossilem Schwimmsaurier 
"Nichts Vergleichbares in Norddeutschland"

Seit Februar präparieren Fachleute des Landschaftsverbandes 
Westfalen-Lippe (LWL) das versteinerte Skelett eines seltenen, 
185 Millionen Jahre alten Schwimmsauriers. Nach Einschätzung der 
Experten ist in Norddeutschland zuvor noch kein so gut 
erhaltenes Plesiosaurierskelett aus dieser Zeit gefunden worden.

Im Sommer vergangenen Jahres hatten die Paläontologen in einer 
Tongrube im Kreis Höxter das über vier Meter große Meeresreptil 
geborgen und nach Münster in die Präparationswerkstatt des 
LWL-Museums für Naturkunde gebracht. Vor Ort in Münster hat sich 
am Mittwoch (2.7.) LWL-Direktor Dr. Wolfgang Kirsch über den 
Fortschritt der Arbeiten in der Präparationswerkstatt 
informiert.

Der Fund wird im LWL-Museum für Naturkunde für eine 
Landesausstellung im Römisch-Germanischen Museum in Köln 2010 
und im LWL-Museum für Archäologie in Herne hergerichtet. In den 
Kreis Höxter geht ein originalgetreuer Abguss des präparierten 
Fundes sowie eine Ausstellung mit Darstellungen zur 
Fundgeschichte, Präparation des Fossils und zum damaligen 
Lebensraum. Plesiosaurier waren Meeresreptilien mit zwei 
paddelähnlichen Flossenpaaren und einem langen Hals. Die Flossen 
saßen an einem relativ starren Körper, dessen Rückgrat deutlich 
gewölbt war und durch verstärkte Rippen zusätzlich Halt erhielt.

Schwierige Bergung

Das LWL-Grabungsteam legte im Sommer 2007 in einer Tongrube in 
Nieheim-Sommersell (Kreis Höxter) Rippen, Knochen der hinteren 
und vorderen Extremitäten, wie etwa Schulterblatt und 
Fingerknochen, sowie Wirbel frei. Die Wirbelsäule wurde 
vollständig geborgen. Dabei stellte sich heraus, dass das Tier 
über vier Meter lang gewesen sein muss. Der Saurier lag auf dem 
Rücken und wurde in dieser Haltung freigelegt. Mitte Juni 2007 
waren die Fossilienforscher im LWL-Museum für Naturkunde von 
einem ehrenamtlichen Mitarbeiter informiert worden.

Nach der Ortsbesichtigung durch einen LWL-Paläontologen begann 
eine Rettungsgrabung. Aus Furcht vor Raubgräbern wurde zunächst 
die Öffentlichkeit nicht informiert, das Grabungsteam blieb Tag 
und Nacht an der Grabungsstelle. Die Grabung verlief unter 
schwierigen Bedingungen, denn das Team musste gegen den Regen 
und das steigende Grundwasser ankämpfen.

Die Knochen wurden nicht einzeln geborgen, dazu fehlte die Zeit. 
Darum wurde der Fund durch so genannte Blockbergungen gesichert: 
Tonsteine mit den fossilen Knochen werden mit Harz eingestrichen 
und anschließend mit viel umgebenden Gestein in großen Blöcken, 
stabilisiert durch untergelagerte Eisenstäbe, aus der Erde 
befreit. Insgesamt bargen die Paläontologen zehn Blöcke mit 
Knochen und Sediment.

Aus zehn Blöcken wird ein Exponat

Nach seiner Bergung kam der Schwimmsaurier ins LWL-Museum für 
Naturkunde nach Münster. Die ersten Präparationsarbeiten 
begannen Ende Februar 2008. Manfred Schlösser, Präparator im 
LWL-Museum für Naturkunde, entfernte zunächst Stück für Stück 
das Gestein mit einem Druckluftstichel, bis Teile der Knochen 
sichtbar wurden. In einem zweiten Schritt hat Schlösser einen 
anderen Block nicht nur oberflächlich anpräpariert, sondern 
einzelne erhaltene versteinerte Knochen weitgehend freigelegt. 
Jedes Knochenstück kann der Präparator nur in Schritten von je 
einem halben Quadratzentimeter mit Skalpell, Pinsel und 
Fräsmaschine frei präparieren. Dann muss er sofort einen 
Spezialkleber auftragen. Erst danach kann er den nächsten halben 
Quadratzentimeter in Angriff nehmen.

Museumsleiter Dr. Alfred Hendricks: "Bereits jetzt ist erkennbar,
dass die Wirbelsäule einschließlich der Fortsätze zum Teil gut 
erhalten ist. Die übrigen acht Blöcke werden in der nächsten 
Zeit nach Absprache mit Prof. Sander ebenfalls komplett 
freigelegt." Erst danach lasse sich sagen, wie viele Teile des 
Skeletts tatsächlich erhalten geblieben seien. Prof. Dr. Martin 
Sander von der Universität Bonn, ein anerkannter Saurierfachmann,
wird auf Empfehlung der internationalen Vereinigung 
"Paläontologische Gesellschaft" nach der Präparation das Fossil 
wissenschaftlich erforschen.

Die Präparation wird zirka ein bis zwei Jahre in Anspruch nehmen,
weil die Knochen in einem sehr schwierigen Erhaltungszustand 
sind. Hendricks: "Die Knochensubstanz ist teilweise so weich, 
dass sie schon vom kleinsten Luftzug weggeblasen werden kann. 
Das Gestein zwischen den Knochen ist dagegen manchmal äußerst 
hart und mit dem Spezialstichel kaum zu durchdringen."

Hohe wissenschaftliche Bedeutung

Der Fund hat nach Angaben von Hendricks hohe wissenschaftliche 
Bedeutung für Nordrhein-Westfalen, denn in der Vergangenheit 
wurden aus der Jura-Zeit in NRW lediglich vereinzelte 
Skelettelemente von Schwimmsauriern gefunden. Beim Fund aus dem 
Kreis Höxter dagegen handele es sich um eine vier Meter lange, 
zusammenhängende Wirbelsäule eines Schwimmsauriers. Außerdem 
seien einige Extremitäten fossil erhalten. Daher hat das 
LWL-Museums für Naturkunde bei der Stadt Nieheim als Untere 
Denkmalbehörde beantragt, das Fossil in die Liste der 
beweglichen Bodendenkmäler einzutragen. Fossile Schwimmsaurier 
der Jura-Zeit sind aus Süddeutschland bekannt, so wurden 
beispielsweise in Holzmaden (Baden-Württemberg) zahlreiche Funde 
gemacht.

Mögliche Gefahr für den Saurier

Gefahr könnte dem Fund durch das Mineral Pyrit (Fe S2) drohen, 
das die fossilen Knochen des Schwimmsauriers durchzieht. Das 
Mineral hat die unangenehme Eigenschaft, dass einige 
Modifikationen des Minerals an der Luft zerfallen und mit dem in 
der Luft enthaltenen Wasser reagieren. Dabei bildet sich 
Schwefelsäure, die benachbarten Körner des Sedimentes angreift 
und zersetzt. Fossilien, die diese Form des Pyrits enthalten, 
können innerhalb weniger Jahre zu Pulver zerfallen. Auf einigen 
Knochenoberflächen des Schwimmsauriers hat der LWL-Fachmann 
bereits Zerfallspuren gefunden, konnte die Zersetzungsprodukte 
und das Pyrit aber entfernen.

"Wo im Fall des fossilen Schwimmsauriers diese Form von Pyrit 
vorliegt, können wir nur durch permanente wissenschaftliche 
Beobachtung feststellen", so Hendricks. Dann müssen die 
Wissenschaftler Gegenmaßnahmen ergreifen, zum Beispiel das Pyrit 
an der Oberfläche entfernen oder die Knochen mit einer 
chemischen Substanz tränken, die die Schwefelsäure 
neutralisiert. Außerdem müssen die Knochen sehr trocken gelagert 
und regelmäßig auf Zerfallspuren untersucht werden.