[WestG] [AUS] Vier Spielsteine aus dem Mittelalter im LWL-Museum fuer Archaeologie, ab dem 24.04.2007, Herne

Alexander Schmidt Alexander.Schmidt at lwl.org
Di Apr 24 10:44:37 CEST 2007


Von: "LWL-Pressestelle" <presse at lwl.org>
Datum: 23.04.2007, 14:43


AUSSTELLUNG

Spielsteine aus dem Mittelalter jetzt im LWL-Museum für 
Archäologie

Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) erweitert sein 
LWL-Museum für Archäologie in Herne mit vier außergewöhnlichen 
Spielsteinen aus dem 12. Jahrhundert. Sie gehören zu den 
ältesten und aufwändigsten ihrer Art in Europa und waren 2004 
bei Ausgrabungen in Sendenhorst (Kreis Warendorf) gefunden 
worden.

Ab dem 24. April zeigt das Museum je zwei Schachfiguren und 
Backgammonsteine aus dem 12. Jahrhundert. Sie finden ihren Platz 
in einem neu eingerichteten Bereich in der unterirdischen 
Dauerausstellung des Landesmuseums. "Mit dieser Aktualisierung 
der Dauerausstellung bleibt unser Museum seinem 
Selbstverständnis als zentrales Schaufenster der Archäologie in 
Westfalen treu," sagte LWL-Kulturdezernent Prof. Dr. Karl Teppe 
bei der Präsentation der Spielevitrine. "Tagtäglich fördern 
Archäologen neue Quellen zu Tage und verändern damit das Bild 
der Geschichte. Daran muss eine archäologische Dauerausstellung 
immer wieder angepasst werden, was in Herne möglich ist. Mit 
seiner Konzeption und Gestaltung positioniert sich das Haus als 
ein besonderer Markstein der Kulturarbeit des 
Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe hier mitten im Ruhrgebiet".

Die Schachfiguren, eine Dame und ein Bauer, sind in Westfalen 
bisher einmalige Funde. Ihre Formen besitzen kaum Ähnlichkeit 
mit den heutigen Figuren, sondern sind abstrahiert und verweisen 
auf den Orient, das Ursprungsgebiet des Schachspiels: Die Dame 
lässt sich aus der ursprünglichen Darstellung eines Elefanten 
mit Thron und König ableiten. Die fingerhutförmige Form des 
Bauern entstand aus der Darstellung eines Fußsoldaten. Alle 
Steine sind aus Tierknochen gearbeitet, doch nur für die Dame 
gelang es den Experten von der Johannes-Gutenberg-Universität 
Mainz die Tierart zu bestimmen, nämlich Pferd. "Deshalb sind sie 
wohl in der Region hergestellt worden", vermutet Dr. Stefan 
Eismann, der Ausgräber von der LWL-Archäologie für Westfalen.

"Von den runden Spielsteinen gibt es in Westfalen zwar noch ein 
paar mehr, doch sind die Sendenhorster Exemplare mit ihrer 
aufwändigen Verzierung die wertvollsten. Für den größeren der 
beiden Steine mit seiner Textileinlage gibt es in Europa bislang 
überhaupt keine vergleichbaren Stücke", erläuterte Eismann. Mit 
ihnen konnte man nicht nur Backgammon, sondern auch Mühle oder 
Dame spielen - wie heute benutzte man dafür dieselben Steine.

Die runden Spielsteine bestehen jeweils aus zwei Scheiben 
Knochen mit einem Bronzeblech dazwischen, die durch Bronze- 
beziehungsweise Eisennieten zusammengehalten werden. Bei einem 
Stein lag zwischen der Bronze und dem Knochen noch eine textile 
Einlage, von der sich Reste erhalten haben. Die oberen 
Knochenscheiben sind mit geometrischen Mustern durchbrochen, 
durch die die goldfarbene Bronze und die Textilie schimmerte, 
die Ränder sind mit Kreisaugen und Linien verziert.

Die Spielsteine haben die LWL-Archäologen 2004 bei der 
Ausgrabung eines Adelshofes am Rande von Sendenhorst gefunden. 
Der fingerhutförmige Bauer aus dem Schachspiel und die 
Backgammon-Steine lagen im Keller eines ungefähr zehn Meter 
breiten und mindestens 30 Meter langen Holzhauses. Die Dame aus 
dem Schachspiel hatte man schon im Mittelalter wegen einer 
Beschädigung in den Schlamm einer nahegelegenen Viehkoppel 
geworfen.

Zu der Anlage gehörten neben der Viehkoppel noch ein Grubenhaus 
und mehrere Speicher. "Das Gehöft an sich könnte auch ein großer 
Bauernhof sein. Aber gerade Schach und ähnliche Spiele waren im 
Mittelalter eine Sache der Elite, deshalb müssen hier Adelige 
gewohnt haben", erklärt Eismann. Auch andere Funde wie ein 
goldverzierter Bronzeanhänger, Pferdegeschirrteile aus Bronze, 
eine Knochenflöte und einige wenige Scherben eines dunkelblauen 
Glasbechers zeugen noch von der gehobenen Lebensweise der 
Bewohner.

"Die Fundstücke sind ohne Frage sehr bedeutend für die Fachwelt, 
aber auch für die interessierte Öffentlichkeit. Und deshalb 
freue ich mich ganz besonders, dass die Präsentation im 
archäologischen Landesmuseum in Herne nun erfolgt. Die 
historisch überaus bedeutsame Ausgrabung erfolgte auf dem Gebiet 
von Sendenhorst. Unsere Stadt reiht sich damit ein in die 
bedeutenden Fundorte Westfalens, die Geschichte machten und man 
hier in der Dauerausstellung erleben kann", freute sich 
Bürgermeister Berthold Streffing bei der Präsentation der 
Spielsteine.

Im Museum finden die Besucher die Spielsteine in zwei, mehr als 
mannshohen Vitrinen auf dem Weg von der frühen Kirche zur Burg. 
"Dank des Baukastensystems, mit dem unsere Grabungslandschaft im 
Museum konstruiert ist, war es ohne großen technischen Aufwand 
möglich, den neuen Bereich zu realisieren", so Museumsleiterin 
Dr. Barbara Rüschoff-Thale. "Den Besuchern wird nicht auffallen, 
dass es sich um nachträgliche Einbauten handelt."

INFO

LWL-Museum für Archäologie
Europaplatz 1
44623 Herne
Tel. 02323 94628-0
URL: www.museum-herne.de 

Öffnungszeiten: 
Dienstag, Mittwoch, Freitag 9 Uhr bis 17 Uhr
Donnerstag 9 Uhr bis 19 Uhr
Samstag, Sonntag, Feiertag 11 Uhr bis 18 Uhr