[WestG] [AUS] Explosion der Roburit-Fabrik vor 100 Jahren, 24.09.2006-28.01.2007, Witten

Alexander Schmidt Alexander.Schmidt at lwl.org
Mon Sep 25 15:35:59 CEST 2006


Von: "LWL-Pressestelle" <presse at lwl.org>
Datum: 22.09.2006, 10:32


AUSSTELLUNG

"Sprengstoff!" im Westfälischen Industriemuseum Zeche Nachtigall: 
Ausstellung erinnert an Explosion der Roburit-Fabrik vor 100 Jahren

Am Abend des 28. November 1906 brach im Mischgebäude der 
Wittener Roburit-Fabrik ein Feuer aus. Kurze Zeit später 
erschütterten zwei gewaltige Explosionen den Stadtteil. Die 
Fabrik, die ausgerechnet Sicherheitssprengstoffe für den 
Bergbau herstellte, flog in die Luft. 41 Menschen kamen ums 
Leben, mehrere hundert wurden verletzt und über 2000 obdachlos. 
100 Jahre später erinnert der Landschaftsverband Westfalen-Lippe
(LWL) in seinem Westfälischen Industriemuseum Zeche Nachtigall mit 
der Ausstellung "Sprengstoff!" (24.9.06 - 28.1.07) an das Ereignis. 
"Die Katastrophe war nicht nur ein lokales Ereignis, sie löste im
gesamten
Kaiserreich Bestürzung aus", so Projektleiterin Ingrid Telsemeyer
heute (22.9.) bei der Vorstellung der Schau in Witten.

Über 120 Exponate hat das Ausstellungsteam zusammengetragen 
und in Szene gesetzt; mehr als die Hälfte davon sind Leihgaben. 
Die größte unter ihnen ist die  Annener Feuerglocke, die damals 
die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr zum Einsatz rief. 

Unmittelbare Eindrücke aus der Zeit der Katastrophe vermitteln mehr 
als 40 Ansichtspostkarten vom Unglücksort sowie Plakate mit Hilfs-
angeboten. Zentrales Exponat ist ein repräsentatives Fotoalbum 
der Fabrikbesitzer aus dem Jahr 1903, in das später Unglücksfotos 
eingeklebt wurden. Jahre nach der Explosion gelangte es in den
Besitz des Polizisten und Unglücksopfers Ludwig Wahl. Sein Gehör 
wurde durch die enorme Druckwelle schwer geschädigt, und er 
erhielt 1909 eines der ersten Hörgeräte, die es auf dem Markt gab.
Die Kosten von 90 Mark wurden aus den reichsweit gesammelten
Spendengeldern erstattet. "Die Geschichte von Ludwig Wahl ist 
ein typisches Beispiel dafür, wie wir den Blick in der Ausstellung
immer 
wieder auf einzelne Menschen lenken", so Ingrid Telsemeyer.

Einen anschaulichen Eindruck von Größe und Lage der Fabrik vermittelt 
ein Modell, das in den Werkstätten des LWL-Industriemuseums nach
historischen Plänen und Fotografien gebaut wurde. Feuerwehr- und
Polizeiutensilien, medizinische Hilfsmittel wie Krücken und
Beinprothesen,
historische Fotografien und andere Dokumente ergänzen die 
Schilderungen von Zeitzeugen. Über Hörstationen vermitteln sie 
einen lebendigen Eindruck vom Verlauf des Unglücks und von den 
Debatten um die Ursache und die juristische und moralische Schuld. 
Medien-Stationen regen zum Nachdenken über die eigene Einstellung 
zum Thema an. Das umfangreiche Begleitprogramm (s.u.) reicht von 
Vorträgen über Sicherheitstrainings mit der Feuerwehr Witten bis zu 
einer Tagung.

Die Ausstellung beschränkt sich aber nicht auf die Katastrophe allein.

"Wir nehmen auch die gesellschaftlichen Reaktionen auf das Unglück
 in den Blick", betont Telsemeyer. Unter den Überschriften "Sensation 
und Solidarität" sowie "Erinnern und Vergessen" geht es um die 
Zeitungsberichterstattung zum Unglück, um Angst, Anteilnahme und 
Hilfsbereitschaft der Menschen sowie die Aufarbeitung des Falls durch 
die Gerichte bis hin zur späteren Erinnerungskultur. "Zu den
Jahrestagen 
war das Unglück in Witten immer wieder präsent. Heute erinnert in 
Witten nur noch wenig an das große Unglück. Jetzt nach 100 Jahren 
wurde die Katastrophe für die Ausstellung erstmals gründlich
erforscht",
erläutert Dr. Martina Kliner-Fruck, Leiterin des Stadtarchivs Witten,
das 
zahlreiche Dokumente zur Ausstellung beisteuerte. Das Stadtarchiv, 
die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Dortmund 
sowie der Geschichtsverein Annen sind Kooperationspartner des 
Projektes.

Am Ende zieht die Schau auch Parallelen zur heutigen Katastrophen-
bewältigung und den nach wie vor vorhandenen Risiken der industriellen
Produktion. Telsemeyer: "Jüngere Unglücke wie Bhopal, Tschernobyl 
oder die Explosion in der Feuerwerksfabrik im niederländischen Enschede

im Mai 2000 zeigen, dass das Risiko einer Katastrophe heute so aktuell

wie damals ist."

Begleitprogramm

So, 24.9.	Eröffnung
12-18 Uhr: Die Feuerwehr der Stadt Witten mit dem Infomobil und 
einem Löschfahrzeug
Vorstellung der Jugendfeuerwehr
14 Uhr: Offizielle Eröffnung der Ausstellung 
ab 15 Uhr	freie Ausstellungsbesichtigung


Vorträge im Westfälisches Industriemuseum Zeche Nachtigall

Mi, 27.9.06	19.30 Uhr
"Nur drei Arbeiter machten einen gesunden Eindruck *"
Die Roburit-Fabrik in Witten 1886-1906. 
Von Dr. Frank Ahland, Historiker & Publizist, Witten
und Stefan Nies, Historiker, Dortmund

Mi, 15.11. 	19.30 Uhr
Vom Schwarzpulver zum Sicherheitssprengstoff. 
Von Dr. Ralf Zimmermann, Holzwickede 

Mi, 22.11.06	19.30 Uhr
Der Mensch ist immer schuld! - Wie menschlich ist "menschliches
Versagen"?
 Von Dr. Karl-Ernst Poppendick, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und
Arbeitsmedizin, Dortmund

Di, 28.11.06	19.30 Uhr
Analyse von Unfällen beim Umgang mit Sprengstoff. 
Von Dr. Thomas Lehmann, Bundesanstalt für Materialforschung 
und -prüfung, Berlin

Mi, 10.1.07	19.30 Uhr
Die Produktion und Sicherheit des Wettersprengstoffs Roburit heute. 
Von Dr. Burkhard Eule-ring WASAG Chemie Sythen, Haltern


Vorträge an anderen Orten

Mi, 25.10.06 	19 Uhr
"Ganz Annen liegt sozusagen in einem Trümmerhaufen".
Die Explosion der Roburit-Fabrik und ihre Folgen für Annen.
Dr. Frank Ahland, Historiker & Publizist, und Stefan Nies, Historiker,

Haus Witten, Ruhrstraße

Mi, 17.1.07 	ab 18 Uhr
12. Wittener Archivforum mit Führung durch die Feuer- und Rettungs-
wache Witten, Dortmunder Straße (18 Uhr) und Vortrag (19 Uhr):
"* mindestens die moralische Verpflichtung des Staates *" 
- Konsequenzen aus der Roburit-Explosion vom 28.11.1906 in Witten, 
von Dr. Frank Ahland, Witten und Stefan Nies, Dortmund, 
Vortragsraum der Feuerwehr

Fr, 19.1.07 	10-18 Uhr
Jahrestagung des Vereins Historikerinnen und Historiker vor Ort
Thema: "Gott sei Dank ist Dortmund noch eben verschont geblieben *" 
Vom Umgang mit industriellen Risiken vor Ort. 
Infos unter www.historiker-vor-ort.de 



Außerdem

Sicherheits-Training für Kinder und Erwachsene mit der Feuerwehr
Witten
(Anmeldung erforderlich)
- Brandschutz mit "Fridolin Brenzlich" max. 15 Kinder 
- Sicherheits- und Brandschutztraining für max. 30 Erwachsene

Termine: 
05.11.2006 	15-17 Uhr
26.11.2006 	15-17 Uhr
07.01.2007 	11-13 Uhr
Gruppenführungen
Auf den Spuren der Roburit-Katastrophe unterwegs 
(Gruppenführung auf Anfrage)

Begleitbuch
Unter dem Titel Sprengstoff! erscheint eine Begleitpublikation zur
Ausstellung, 
die die dort angesprochenen Themen, über das lokale Beispiel
hinausgehend 
vertieft.


INFO

Sprengstoff! - Die Explosion der Wittener Roburit-Fabrik 1906
24. September 2006 bis 28. Januar 2007
Westfälisches Industriemuseum Zeche Nachtigall
Nachtigallstraße 35, 58452 Witten
Geöffnet Di - So 10 - 18 Uhr