[WestG] [AUS] Die erste Kommunalwahl vor 60 Jahren, Muenster, Buergerhalle Rathaus, ab 03.10.2006
Marcus Weidner
Marcus.Weidner at lwl.org
Don Okt 5 10:35:28 CEST 2006
Von: "Presse- und Informationsamt der Stadt Münster"
<info at presse-service.de>
Datum: 02.10.2006, 15:10
AUSSTELLUNG
Mangel an Holz gefährdete Kommunalwahlen 1946 in Münster
Ausstellung in der Bürgerhalle des Rathauses dokumentiert den
politischen Neubeginn in Münster vor 60 Jahren / "Was wir zu tun haben,
sagen uns die Trümmer"
Inständig bat der Mitarbeiter der Stadtverwaltung den britischen
Stadtkommandanten, bei der anstehenden Lieferung von Holz zu
vermitteln. Hatte er doch allen Grund zur Nervosität: Knapp drei Wochen
vor der Wahl mangelte es noch an 250 Stimmkabinen. Die Hilfe kam
rechtzeitig: Am 13. Oktober 1946 wählten die Münsteraner erstmals nach
13 Jahren wieder ein freies Parlament.
Der Aufbruch in einen demokratischen Neubeginn ist Anlass für eine
umfassende Rückschau. Das Stadtarchiv dokumentiert in seiner
Ausstellung im Rathaus die Wiederbelebung der kommunalen
Selbstverwaltung nach dem Krieg am Beispiel der Stadt Münster.
"Die ehrenamtlich tätigen Kommunalpolitiker Münsters haben damals
entscheidende Weichenstellungen bis heute vorgenommen", rief
Oberbürgermeister Dr. Berthold Tillmann in der Ausstellung
wegweisende Entscheidungen wie den Wiederaufbau der Altstadt in den
historischen Strukturen ins Gedächtnis. Trotz erheblicher persönlicher
Sorgen - auch viele Ratsmitglieder mussten wieder bei Null anfangen -
engagierten sie sich für die Stadt. Der Oberbürgermeister: "Diese Frauen
und Männer der ersten Stunde stehen beispielhaft für den Willen zum
Wiederaufbau der Kriegsgeneration".
Demokratie "von unten"
Schritt für Schritt hatte die britische Besatzungsmacht die
Verantwortung zurück in deutsche Hände übertragen. Die zivile Verwaltung
setzte sie in Münster mit Führungskräften aus der Weimarer Zeit wieder
in Gang. Zahlreiche Parteien und Persönlichkeiten drängten schon wenige
Monate nach Kriegsende auf Mitgestaltung des öffentlichen Lebens. Ein
Wunsch, der sich mit der englischen Vorstellung des Aufbaus
demokratischer Strukturen "von unten" deckte. Schon im September 1945
ließ die Besatzungsmacht Parteien und Versammlungen wieder zu.
54.000 Münsteraner sind 1946 wahlberechtigt
Wer durfte wählen? Wer konnte sich wählen lassen? Wie ging die Wahl
aus? Texte, Fotografien und Schriftstücke aus Archivbeständen
dokumentieren in der Ausstellung detailreich die Chronologie der
Kommunalwahl. Fünf Parteien warben um die Gunst von 54 000
wahlberechtigten Münsteranern - CDU, SPD, FDP, Zentrum und - als
einzige Partei dann nicht im Rat vertreten - die KPD. Als überlegener
Sieger ging die CDU hervor. Das nach der Gemeindereform der Briten neu
geschaffene Amt des Oberstadtdirektors übernahm bis 1952
Ex-Oberbürgermeister Karl Zurhorn. An der Spitze der Politik stand
Oberbürgermeister Franz Rediger (bis 1948). Mit Berta Hüffer und Dr.
Idamarie Solltmann schafften zwei Frauen den Sprung in den Rat.
"Es sind vor allem Plakate, an denen sich der politische Neustart
ablesen lässt in einer Stadt, die noch immer in Trümmerbergen versank",
erläutert Ausstellungskuratorin Anja Gussek-Revermann. Kaum jemand
besaß ein Radio. Auch im Pressewesen mussten die Weichen neu gestellt
werden. Nur unregelmäßig erschien die *Neue Westfälische Zeitung", ab
August 1946 dann zweimal wöchentlich die Westfälischen Nachrichten.
Plakate übernahmen in diesen medienarmen Zeiten die Kommunikation.
Militärregierung und Stadtverwaltung nutzten sie für Aufrufe,
Bekanntmachungen, Verordnungen. Parteien boten sie die weitgehend
einzige Chance, Menschen im Wahlkampf zu erreichen. An öffentlichen
Anschlagstellen holen sich die Bürger auch die Informationen zur Wahl.
Öffentlich ist 1946 auch nachzulesen, wie die Wahlkosten davon
galoppieren. Der Ansatz von 6000 Reichmark (4192 Euro) kann nicht
annähernd gehalten werden - am Ende muss der Kämmerer 20 000
Reichsmark finanzieren.
71,4 Prozent Wahlbeteiligung
Die Wahlbeteiligung lag bei 71, 4 Prozent. Anja Gussek-Revermann:
"Ein beachtlich hoher Wert in einer Zeit, in der die Menschen um ihr
tägliches Überleben ringen". Die Wahlen vollziehen sich vor dem Kampf
gegen Hunger, Kälte und Not. Trümmerberge müssen abgetragen werden.
Epediemien drohen. Die Menschen haben kein Dach über dem Kopf oder
leiden unter erbärmlichen Wohnverhältnissen. Von der Versorgung mit
Lebensmitteln, Kleidung, Wasser und Energie ganz zu schweigen. Die
Lösung dieser Probleme, auch das spiegelt die Ausstellung, ist
wichtigste Herausforderung von Politik und Verwaltung. Sie formulieren
einhellig im Herbst des Jahres 1946: "Was wir zu tun haben, sagen uns
die Trümmer".
INFO
Ausstellung "Die erste Kommunalwahl vor 60 Jahren". 3. bis 15. Oktober
2006, Bürgerhalle des Rathauses am Prinzipalmarkt. (Öffnungszeiten:
dienstags bis freitags: 10 - 17 Uhr, samstags/sonntags 10 - 16 Uhr); vom
16. bis 26. Oktober 2006 im Foyer des Stadthauses 1, Klemensstraße
(Öffnungszeiten: montags bis donnerstags 7 - 18 Uhr, freitags bis 13
Uhr, samstags 8 - 12 Uhr.