[WestG] [LIT] Scharte/Wörner, Fussball in Westfalen, Muenster 2006

Marcus Weidner Marcus.Weidner at lwl.org
Mit Mar 29 12:17:20 CEST 2006


Von: "Ulrike Schulze Schwienhorst" <schulze-schwienhorst at ardey-verlag.de>
Datum: 29.03.2006, 11:42


LITERATUR

Sebastian Scharte und Martin Wörner
Fußball in Westfalen
Seine Geschichte in 200 Bildern
Volkskundliche Kommission für Westfalen (Hg.)
Alltagsgeschichte in Bildern, Bd. 4
Münster 2006
Erscheint im April im Ardey-Verlag, Münster, 19,90 Euro,
ISBN 3-87023-265-X


"Ich warne euch, ihr Brüder Jahns, vor dem Gebrauch des Fußballwahns!" Diese
Worte stammen aus einem Gedicht von Joachim Ringelnatz aus dem Jahr 1919.
Angesichts der Fußballeuphorie zur Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland ist
es kaum zu glauben, dass es Zeiten gab, in denen das Fußballspiel in Frage
gestellt wurde, oder - was noch unvorstellbarer erscheint - es kaum bekannt
war.

Am Anfang des 20. Jahrhunderts musste sich der Fußball seine Stellung als
Massensportart erst noch erobern. Bekannt waren Vorläufer des heutigen
Fußballs im Mittelalter schon von England und Frankreich ausgehend in vielen
Teilen Europas. Veränderte Lebensbedingungen und Verbote der Obrigkeit
führten um 1800 zu einem Rückgang dieser Spiele. Lediglich in Schulen,
insbesondere in England, wurde dieser Sport weiter kultiviert.
In Deutschland eroberte der englische "Sports" die Turnerlandschaft durch
Bemühungen einzelner Pädagogen. Die von "Turnvater" Jahn geförderte Bewegung
stand dem "Kampfspiel zunächst skeptisch gegenüber, jedoch war die
Popularität des Fußballs in Deutschland nicht mehr aufzuhalten. Ab den
1880er Jahren entstanden Vereine, in denen sich zunächst Schüler, Studenten,
Angestellte und Akademiker, später auch Arbeiter zusammenschlossen.
Der Fußball fand seinen Weg auch nach Westfalen. Der Wittener FC, der
1891/92 aus einer Schülermannschaft gegründet wurde, ist sogar der
fünftälteste Verein in ganz Deutschland. Vor allem das Ruhrgebiet wurde
zum "Fußballrevier" und viele Arbeiter verschafften sich einen sportlichen
Ausgleich zur monotonen Arbeitswelt und stürmten aus den Kohlengruben in den
Fußballhimmel.

Aber nicht nur die bekannten großen Vereine aus Dortmund und Gelsenkirchen -
letztgenannter zunächst auf "Westfalia Schalke" getauft - spielen in
Westfalen eine Rolle. Fußball eroberte die Freizeit vieler Menschen. Egal ob
mit Lederball, Lumpenbällen oder Blechdosen, das "Fußballfieber" erreichte
alle Bevölkerungsschichten, nicht nur in den Städten, sondern auch auf dem
Land.

Die beiden Volkskundler Sebastian Scharte und Martin Wörner berichten in
ihrem in Kürze erscheinenden Bildband über Fußball in Westfalen unter
anderem von einem Fußballmatch in Lavesum (heute Stadt Haltern am See) um
1910. Auf die Frage, was den Fußball so populär machte, nennen die beiden
Autoren eine wachsende Kommerzialisierung, die Etablierung zum
Medienereignis, staatliche und pädagogische Fördermaßnahmen sowie den
Wettkampfcharakter und die einfachen Regeln.

Die Weimarer Republik war die Zeit der großen Fußballstadien. 1926 begann
der Bau der "Kampfbahn Rote Erde" in Dortmund, und 1928 wurde
die "Glückaufkampfbahn" auf Schalke errichtet, wo man drei Jahre später bei
einem Spiel rund 70000 Zuschauer zählte. Der Stadionbau belegt, welche große Rolle der
Fußball auch für die "passiven Spieler" hatte, von denen sich viele fortan
mit "ihrem" Verein identifizierten. Auch der Hörfunk übertrug bald die
wichtigen Fußballspiele. Die erste deutsche Fußballübertragung wurde 1925
von einem Spiel zwischen Preußen Münster und Arminia Bielefeld aus Münster
gesendet.

Und heute? Die "Fußballgötter" sind nicht mehr allein am Himmel, sondern
bekommen Konkurrenz von "Göttinnen" mit Weltmeisterklasse, von denen auch
einige in Westfalen bei "Heike Rheine" zu Hause sind und zu den
erfolgreichsten deutschen Fußballspielerinnen zählen.
Jutta Nunes Matias