[WestG] [AUS] Donnerschlag 1956: Das neue Theater in Muenster, 05.02.-14.05.2006, Muenster
Alexander Schmidt
Alexander.Schmidt at lwl.org
Mit Feb 1 12:15:54 CET 2006
Von: "Wibke Becker" <BeckerW at stadt-muenster.de>
Datum: 27.01.2005, 14:49
AUSSTELLUNG
Donnerschlag 1956
Das neue Theater in Münster
Am 4. Februar 1956 fand die feierliche Eröffnung des neuen
Theaters in Münster, des ersten Theaterneubaus in
Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, statt. Vier junge
Architekten hatten dieses außergewöhnliche Gebäude
entworfen, das damals weltweites Interesse und Aufsehen
erregte und bis heute als herausragendes Theatergebäude
der 1950er Jahre nichts von seiner Bedeutung und Wirkung
verloren hat.
Langwierige Planungen
Das 1895 erbaute Stadttheater Münsters befand sich neben
dem Romberger Hof, einem klassizistischen Adelspalais, dessen
Pferdestall diesem Theater als veränderter Vorbau diente. Es
wurde im Zweiten Weltkrieg im Sommer 1941 von einer Bombe
getroffen und brannte vollständig aus. Nach dem Krieg wurde
im weitgehend erhalten gebliebenen Foyer der benachbarten
Stadthalle eine Notbühne eingerichtet und bis zur Fertigstellung
des neuen Theaters genutzt.
Überlegungen für einen Theaterneubau gab es noch während
des Krieges; angesichts der großen Zerstörung der Innenstadt
kam es jedoch erst Ende der 1940er Jahre zu konkreten
Planungen. Im März 1950 fasste der Rat den einstimmigen
Beschluss zum Bau des Theaters nach Entwürfen des städtischen
Baurats Edmund Scharf. Das Gebäude sollte auch als Konzert-,
Kongress- und Festhalle dienen und die erhaltene rückwärtige
Fassade des Romberger Hofes einbeziehen. Doch fehlten zu
diesem Zeitpunkt die finanziellen Mittel, um die Pläne zu realisieren.
Die Haushaltskrise der Stadt und eine leidenschaftliche Debatte in
der Öffentlichkeit hielten die Theaterfrage im Gespräch. Aus der
münsterischen Architektenschaft erhoben sich Stimmen, die eine
Ausschreibung des Theaterneubaus forderten. Die Verwaltung
setzte daraufhin fest, dass weitere Pläne bis zum 1. Juli 1952
eingereicht werden konnten. Die Ausstellung der drei eingereichten
Entwürfe bewirkte ein großes öffentliches Interesse unter anderem
von jungen Architekten, die sich gegen die traditionalistische
Formensprache der ausgestellten Pläne wandten. Im Oktober 1952
verlängerte der Rat die Einreichungsfrist. Zwei neue Entwürfe
darunter der des jungen Architektenteams Harald Deilmann, Max
Clemens von Hausen, Ortwin Rave und Werner Ruhnau gingen
ein. Der Rat beauftragte vier Gutachter mit der Prüfung aller
Entwürfe. Deren Urteil war ebenso einhellig wie für viele
überraschend: Der Entwurf des jungen vierköpfigen
Architektenteams wurde mit Abstand als bester angesehen und
hoch gelobt. Der Rat folgte diesem Votum und beauftragte nach
weiteren Planungsschritten das Architektenteam endgültig mit dem
Neubau des Theaters. Wegen der schwierigen Finanzierung konnte
jedoch erst am 16. Mai 1954 der Grundstein gelegt werden. Am
4. Februar 1956 fand die feierliche Einweihung des neuen Theaters statt.
Nach den kurzen Intendanzen von Bruno von Niessen (1955*1957)
und Leon Epp (1957*1960) begann unter dem Intendanten
Alfred Erich Sistig (1960*1968) eine lang anhaltende Blütezeit des
neuen Theaters.
"Donnerschlag" aus Stahl, Glas und Beton
Im Urteil der Fachwelt stellte das neue Theater in Münster einen
ebenso genialen wie kompromisslos eigenständigen Bau der Moderne
ohne zwanghafte Anpassung an regionale oder historische Traditionen
dar. Wegen des engen Grundstücks richteten die Architekten das
Gebäude mit seinem schwungvollen Lamellenkranz um den Zuschauerraum
und Bühnenturm diagonal aus, so dass der Eingang zur Kreuzung
von Voßgasse und Neubrückenstraße weist. Fassadengliederung und
Höhenstaffelung lassen außen die innere Funktion von Eingang, Foyer,
Zuschauerraum und Bühnenturm klar erkennen. Die Ruine des Romberger
Hofes wird mit den beiden Platanen im Innenhof des Foyers zu einer
"natürlichen Theaterkulisse".
Im Zuschauerraum mit dem ansteigenden Parkettbereich, über dem sich
fast übergangslos drei Ränge erheben, wurde auf prunkvolle Ausstattung
verzichtet. Das transparente Treppenhaus führt zu allen Plätzen wie auch
zu dem Foyer, in dem alle Theatergäste ohne Rangunterschied
zusammenkommen.
Innen und außen findet sich eine bis dahin in Münster ungewohnte
Farbpalette: Die äußere Verkleidung des Betonbaus besteht aus hellblauen
und weißrosafarbenen Glasmosaik-Bändern und grauen Rustico-
Marmorriemchen. Im Zuschauerraum setzen sich die fliederfarbenen Polster
der Bestuhlung mit ihrer weißen Stahlrohrkonstruktion von den schwarzen
Wänden ab. Im Treppenhaus waren die Wände ursprünglich mit einer
weinroten englischen Velour-Tapete bespannt, Treppen und Fußböden
trugen einen ockergelben Teppich. Das weitläufige Foyer ist mit gebrochenem
weißen Marmor ausgelegt, der Eingangs- und Garderobenbereich zeigt
schwarz-weißen Terrazzoboden. Im zur Neubrückenstraße gelegenen
Restaurant kamen zu den schwarz-weißen Möbeln braune Teppiche und
gelbe Vorhänge und Körbe um die Lampen hinzu.
In seiner Transparenz und Öffnung nach außen wie auch in der klassenlosen
Anlage von Treppenring und Foyer ist das münsterische Theater ein
anschauliches Beispiel demokratischer Architektur in der noch jungen
Bundesrepublik.
Zur Ausstellung
Am Anfang der Ausstellung stehen historische Fotos und Pläne, die die
Entwicklung von Stadttheater und -halle sowie Romberger Hof von der
Vorkriegszeit über die Zerstörung bis in die 1950er Jahre zeigen. Einen
breiten Raum nehmen die verschiedenen Entwürfe zu dem geplanten
Theaterneubau ein. Im Mittelpunkt stehen dabei Skizzen und Pläne des
Architektenteams Deilmann, von Hausen, Rave und Ruhnau. Das
Theatermodell, professionelle Architekturfotos und frühe Farbaufnahmen
des Theaters aus dem Jahr 1956 veranschaulichen die architektonische
Bedeutung dieses Bauwerks. Die einzigen erhaltenen Sitzmöbel aus
Foyer und Restaurant geben einen Eindruck der ursprünglichen
Einrichtung und Farbigkeit.
Eine Auswahl aussagekräftiger Ereignisfotos und zeitgenössischer Dokumente
hält den Bau des Theaters von der Grundsteinlegung bis zur feierlichen
Eröffnung und dem Besuch prominenter Gäste aus dem Ausland fest.
Einen Höhepunkt der Ausstellung stellen ausgewählte Entwürfe des
damaligen Bühnenbildners Carl Wilhelm Vogel dar, die auf einer inszenierten
Theaterbühne präsentiert werden.
INFO
Stadtmuseum Münster
5. Februar bis 14. Mai 2006
In Kooperation mit
Städtische Bühnen Münster
Das Museum ist dienstags bis freitags von 10 bis 18 Uhr und
samstags und sonntags von 11 bis 18 Uhr geöffnet.
Dr. Wibke Becker
Stadtmuseum Münster
Salzstraße 28
48143 Münster
Telefon: +49(0)251/492-4514
Telefax: +49(0)251/492-7726
eMail: BeckerW at stadt-muenster.de
Web: http://www.stadtmuseum-muenster.de