[WestG] [AKT] LWL sammelt Grußkarten zu Weihnachten und Neujahr
Alexander Schmidt
Alexander.Schmidt at lwl.org
Mi Dez 13 11:36:27 CET 2006
Von: "LWL-Pressestelle" <presse at lwl.org>
Datum: 07.12.2006, 15:23
AKTUELL
Kitsch, Komik und Kartenflut: LWL sammelt Grußkarten zu
Weihnachten und Neujahr
"Als ich noch ein Kind war, haben sich meine Eltern einmal einen
Orientteppich geleistet. Von da an erhielten wir jedes Jahr eine
Weihnachtskarte aus der Heimat des Teppichhändlers", erinnert
sich Christiane Cantauw, Volkskundlerin beim Landschaftsverband
Westfalen-Lippe (LWL). Wer kennt sie nicht, die mehr oder
weniger einfallsreich gestalteten Weihnachts- und Neujahrskarten,
die alle Jahre wieder ins Haus flattern. Aber wer weiß schon,
dass diese Druckerzeugnisse auf eine durchaus lange Tradition
zurückblicken? Um die aktuelle Tradition für die Zukunft zu
dokumentieren, ruft der LWL dazu auf, die Weihnachtskarten den
LWL-Volkskundlern zur Verfügung zu stellen.
Schriftliche Neujahrswünsche waren bereits im Mittelalter weit
verbreitet. Im 14. Jh. versandte man in adeligen und geistlichen
Kreisen Neujahrsbriefe, in denen persönliche Wünsche nicht
selten mit Darstellungen des Jesuskindes verbunden wurden.
Goethe und Schiller schickten sich ebenso Neujahrsbriefe wie
Theodor Fontane seiner Schwester.
Auch Neujahrsbriefe von Kinder an Eltern, Paten oder den Herrn
Pastor finden sich im Archiv der LWL-Volkskundler. Sie waren vor
allem im 19. Jahrhundert weit verbreitet. Im Grunde handelte es
sich um Schönschreibübungen, die unter Anleitung des Lehrers in
der Schule gefertigt wurden und die neben Glück- und
Segenswünschen oft recht unterwürfige Dank- und
Entschuldigungsfloskeln enthielten.
Breits in der Biedermeierzeit bot sich mit aufwändig gestalteten
Transparent-, Klapp-, Zug- und Hebelzugkarten eine Alternative
zu den Neujahrsbriefen. Die Gestaltung der Karten ließ keine
Wünsche offen: Nachdem zunächst kollageartig Goldrahmen, dünne
Bleche, Farbpapiere, Flitter und reliefierte Pappmachéauflagen
kombiniert worden waren, wurden in der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts vor allem Karten mit Oblaten hergestellt, jenen
geprägten und gestanzten farbigen Glanzbildchen, die man mit
Papierspitzen rahmte.
Die in den 1875er Jahren aufkommende Bildpostkarte trug dazu bei,
dass die Flut an Grußkarten zu Weihnachten und Neujahr weiter
wuchs. Während einige Autoren von Benimmbüchern der
Jahrhundertwende diese durchaus empfehlen ("Es gibt übrigens
schöne Neujahrsglückwunschkarten in den mannigfachen
Ausstattungen im Handel, die man zum Versenden an Freunde
benutzen kann"), raten andere eher dazu, einen Brief zu
schreiben als "seine Lieben (...) mit einer einfachen
Glückwunschkarte abzuspeisen".
Die Motive der Grußkarten entsprachen dem Zeitgeist, wenn sich
auch die biedermeierlichen Motive wie Engelchen, Blumen,
christliche Symbole, Allegorien und Glückssymbole lange Zeit
halten konnten. Um 1900 kamen darüber hinaus Witzkarten in Mode,
von deren Verwendung in Benimmbüchern jedoch abgeraten wurde:
"Nicht genug kann die jeder guten Lebensart Hohn sprechende
Unsitte gegeißelt werden, am Neujahrstage häßliche oder
unanständige Karten oder solche Karten zu verschicken, die auf
einen körperlichen Fehler, auf eine Eigentümlichkeit oder gar
auf sittliche Mängel des Empfängers hindeuten".
Heute ist die Angebotsvielfalt enorm: Da werden die guten
Wünsche zu Weihnachten und zum Jahreswechsel mit winterlichen
Motiven oder mannigfachen Glückssymbolen wie Schweinen,
Kleeblättern und Hufeisen zum Ausdruck gebracht. Auch Karten mit
Karikaturen, Fotokollagen oder mit Konfetti und Musik sind
überall erhältlich. Selbstverständlich können Grüße in der
heutigen Zeit auch per E-Mail oder SMS versendet werden. Wer
hier noch um passende Worte oder Abbildungen verlegen ist, kann
sich einen geeigneten Spruch und die Abbildung seiner Wahl (auf
Wunsch auch animiert) auf einschlägigen Internetseiten
aussuchen.
Alljährlich stöhnen die Zusteller über die Flut von Weihnachts-
und Neujahrskarten, die der Mode und der Sitte entsprechend zum
Jahresende versandt werden. In den Privathaushalten, aber auch
in Firmen sammeln sich teils wahre Stapel von Grußkarten und zu
Beginn des Jahres stellt sich regelmäßig die Frage: Aufbewahren
oder Wegwerfen? Wer die schönen Druckerzeugnisse nicht wegwerfen
möchte, aber keinen Platz hat, um sie aufzubewahren, kann seine
Weihnachts- und Neujahrskarten an die Volkskundliche Kommission
für Westfalen schicken, Adresse: Volkskundliche Kommission für
Westfalen, Scharnhorststraße 100, 48151 Münster. "Wir freuen uns
über alle Formen von Weihnachtskarten, sei es ein persönlicher
Gruß oder eine massenhaft verschickte Karte, die mehr für das
absendende Unternehmen wirbt, als dass sie persönlichen
Charakter hat", so Cantauw.