[WestG] [LIT] Mecking/Wirsching (Hg.): Stadtverwaltung im Nationalsozialismus

Marcus Weidner Marcus.Weidner at lwl.org
Mon Mai 23 09:08:28 CEST 2005


Von: "Sabine Mecking", <sabine.mecking at lwl.org>
Datum: 22.05.2005, 18:07


LITERATUR

Sabine Mecking/Andreas Wirsching (Hg.), Stadtverwaltung im Nationalsozialismus. Systemstabilisierende Dimensionen kommunaler Herrschaft (Forschungen zur Regionalgeschichte, Bd. 53), Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn u.a. 2005, 425 S., geb., ISBN 3-506-79608-9, 44 Euro.

In dem von Sabine Mecking und Andreas Wirsching herausgegebenen Sammelband "Stadtverwaltung im Nationalsozialismus" werden Tätigkeitsfelder und Handlungsspielräume der Kommunen im "Dritten Reich" beleuchtet. Insbesondere rückt die Frage nach deren Bedeutung für die Funktionsfähigkeit und Stabilität des NS-Staates in den Mittelpunkt der Betrachtung. Der Band stützt sich dabei sowohl auf Untersuchungen aus Westfalen und Rheinland als auch auf zahlreiche Fallbeispiele aus anderen Regionen des Deutschen Reiches.

Neben der Polizei, der Wehrmacht, dem Parteiapparat und zahlreichen Sonderbehörden bildete auch die städtische Verwaltung einen integralen Bestandteil des nationalsozialistischen Herrschafts- und Terrorsystems. Während die Regellosigkeit und Unüberschaubarkeit der Macht- und Entscheidungsstränge im NS-Staat in den vergangenen Jahrzehnten intensiv diskutiert wurden, sind die ordnenden Strukturen in der Forschung bisweilen vernachlässigt worden.

Die Beiträge des Sammelbandes gruppieren sich um drei große Themenkomplexe: die Personalpolitik, die Gestaltungsspielräume kommunaler Aufgabenwahrnehmung und die von städtischen Dienststellen vollzogenen Verfolgungsmaßnahmen. Die Aufsätze zeigen, wie die Kommunen mit ihrer funktionalen Verwaltung erheblich zur Stabilisierung des NS-Regimes beitrugen. Von städtischen Einrichtungen gingen entscheidende Impulse für die Ausgrenzungs- und Verfolgungspolitik aus. Zu- und Sachbearbeiter, Amts- und Dienststellenleiter waren als Verwaltungsfachleute an der Schnittstelle von "Normen- und Maßnahmenstaat" tätig. Dabei stellte die wechselseitige Dynamisierung zwischen lokaler und staatlicher Ebene einen entscheidenden Faktor der nationalsozialistischen Kraftentfaltung dar. Dass dieser Mechanismus nahezu bis Ende des Krieges funktionierte, verweist zum einen auf den erheblichen Anteil der Gemeinden an der Ressourcenmobilisierung des Regimes. Zum anderen wird deutlich, dass die Deutschen überaus gut verwaltet in den Untergang marschierten.


Die Beiträge:

Sabine Mecking/Andreas Wirsching
Stadtverwaltung als Systemstabilisierung? Tätigkeitsfelder und Handlungsspielräume kommunaler Herrschaft im Nationalsozialismus

I. Personalpolitik und -verwaltung

Bernhard Gotto
Stabilisierung von unten. Die Personalpolitik der Stadtverwaltung Augsburg 1933 bis 1939

Bettina Tüffers
Politik und Führungspersonal der Stadtverwaltung Frankfurt am Main. Die personelle Zusammensetzung des Frankfurter Magistrats

Sabine Mecking
"Beamte mit sportgestähltem Körper, hellem Geist und einem soldatischen Herzen"? Städtische Personalpolitik während des Krieges in Münster


II. Konsolidierung und Versorgung

Christoph Schmidt
Gelsenkirchener Kulturverwaltung im "Dritten Reich". Gestaltungsspielräume und Grenzen kommunaler Selbstbestimmung

Yvonne Wasserloos
Damnatio memoriae. Die städtische Kulturpolitik und die Demontage des Mendelssohn-Denkmals in Leipzig

Roland Schlenker
Vom Personalmangel zur Zwangsarbeit. Aufgabenstellung und Beschäftigungssituation rheinischer und westfälischer Kommunen 1936-1945

Jörn Brinkhus
Auftragsverwaltung der Gemeinden im Krieg. Das Beispiel rheinischer und westfälischer Städte

Katrin Bortenschlager
Gestaltungsspielräume kommunaler Steuerpolitik 1930 - 1945 in Augsburg und Memmingen


III. Verfolgung

Maren Janetzko
Die Verdrängung jüdischer Unternehmer und die "Arisierung" jüdischen Vermögens durch die Stadtverwaltungen Augsburg und Memmingen

Doris Eizenhöfer
Die Stadtverwaltung Frankfurt am Main und die "Arisierung" von Grundbesitz

Rüdiger Fleiter
Das Städtische Gesundheitsamt Hannover und die Umsetzung der nationalsozialistischen Erb- und Rassengesetzgebung

Karl Reddemann
Zwischen Widerspruch und Anpassung. Eine Fallanalyse zur politischen Disziplinierung in der Stadtverwaltung Münster