[Rechtsfr.] § 72a SGB VIII Diverses: U.a. erweitertes Führungszeugnis für Kinder- und Jugendhilfe geplant u.a.
Alfred Oehlmann
Alfred.Oehlmann at lwl.org
Di Dez 2 17:37:55 CET 2008
Sehr geehrte Damen und Herren,
1. Wegen gewisser Schwächen in bislang vorzulegendes
Führungszeugnissen plant die Bundesjustizministerin ein umfassenderes
Führungszeugnis für Personen, die in der Kinder- und Jugendhilfe tätig
sind oder mit Kindern- und Jugendlichen in Kontakt kommen. Dies soll in
einem neuen § 30a BZRG geregelt werden. Damit wird wohl ein Kompromiss
in einem Streit gefunden, bei denen einige die Vorlage einer
unbeschränkten Auskunft aus dem Bundezentralregister forderten. Über
einen entsprechenden Antrag des Bundeslandes Hamburg im Bundesrat war
bislang nicht entschieden worden. Die vollständige Presserklärung
hierzu ist angehängt.
2. Unabhängig hiervon wird ab 1.1.2009 das bisherige
Auskunftsverfahren auf ein automatisiertes Verfahren umgestellt, mit
dem wesentlich schneller ein Führungszeugnis erteilt und einem
Arbeitgeber vorgelegt werden kann. Dem hat der Bundesrat in seiner
Sitzung vom 28.11.2008 mit wenigen Änderungen zugestimmt. Danach sollen
die Betreffenden ab 2009 erheblich schneller an das Führungszeugnis
kommen, da die Rückübermittlung nach Anforderung an
beim Bundezentralregister demnächst elektronisch erfolgen wird.
Zwischen Antragstellung bei den örtlichen Meldbehörden und Versendung
des Führungszeugnisses durch das Zentralregister soll in der Regel
nur
noch ein Arbeitstag liegen. Wenn es so umgesetzt wird, wäre diese
sicher
eine Erleichterung für Bürger und auch für potentielle Arbeitgeber,
die
schneller sicher sein können, dass keine Einstellungshindernisse
vorliegen. Auskünfte erteilen die Meldebehörden.
3. Der Vollständigkeit halber seid darauf verwiesen, dass im Rahmen des
KiFöG der § 72a SGB VIII ebenfalls zum 01.01.2009 geändert wird. Zum
einen wurden die aufgenommenen Straftaten im Zusammenhang mit einer
Ergänzung der Strafgesetzbuches erweitert/angepasst. Zum anderen wird
aus der Soll Regelung eine verpflichtende Regelung, d.h. bei Vorliegen
der in § 72 a SGB VIII genannten Straftaten kommt es quasi zu einem
Beschäftigungsverbot in der Kinder- und Jugendhilfe.
4.. Nur nochmals zur generellen Einschätzung der gespeicherten und
abgefragten Daten:
Zur Zeit sind in dem Bundeszentralregister Eintragungen über etwa 6,3
Millionen Personen mit rund 15,3 Millionen Entscheidungen gespeichert.
Arbeitstäglich werden knapp 10.000 Entscheidungen zum Register
mitgeteilt. Durchschnittlich gehen pro Arbeitstag ca. 40.000
Auskunftsersuchen von Gerichten, Staatsanwaltschaften,
Polizeidienststellen und anderen Verwaltungsbehörden sowie
Führungszeugnisanträge von Privatpersonen ein, die grundsätzlich
"tagfertig" erledigt werden. Jährlich werden rund 9,6 Millionen
Auskünfte durch das Bundeszentralregister erteilt. Die Anforderungen
hinsichtlich der Einheitlichkeit und der Schnelligkeit an ein Register
dieser Größenordnung können dabei nur mit Hilfe der Informationstechnik
erfüllt werden. Daher wird das BZR seit 1975 ausschließlich als
Datenbank auf elektronischen Datenverarbeitungsanlagen geführt.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Alfred Oehlmann-Austermann
LWL-Landesjugendamt
Westfalen/Münster
Anlage
Mehr Kinder- und Jugendschutz durch erweitertes Führungszeugnis
Berlin, 26. November 2008
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hat heute einen Gesetzentwurf
auf den Weg gebracht, mit dem ein erweitertes Führungszeugnis eingeführt
wird. Künftig sollen Führungszeugnisse dem Arbeitgeber in weit größerem
Umfang Auskunft darüber geben, ob Stellenbewerber wegen bestimmter
Sexualdelikte an Kindern und Jugendlichen vorbestraft sind.
"Kinder und Jugendliche müssen ganz besonders vor Straftaten -
insbesondere vor Sexualdelikten - geschützt werden. Aus der
kriminologischen Forschung wissen wir, dass solche Taten oft
traumatisierende und lang anhaltende Auswirkungen auf die weitere
Entwicklung der Kinder haben. Deshalb muss alles getan werden, um solche
Taten zu verhüten.
Häufig suchen sich Täter mit pädophilen Neigungen gezielt Arbeits- und
Beschäftigungsfelder im Umfeld von Kindern. Künftig wird daher allen
Personen, die im kinder- und jugendnahen Bereich beschäftigt werden
wollen, ein erweitertes Führungszeugnis erteilt, in dem die relevanten
Verurteilungen zu Sexualstraftaten auch im untersten Strafbereich
aufgenommen sind. Denn nicht selten sind Täter, die wegen Vergewaltigung
oder sexuellem Missbrauch straffällig werden, bereits zuvor wegen
anderer Sexualstraftaten wie beispielsweise dem Herunterladen von
Kinderpornographie zu geringeren Strafen verurteilt worden. Mit dem
erweiterten Führungszeugnis stellen wir sicher, dass sich potenzielle
Arbeitgeber über sämtliche Vorverurteilungen wegen Sexualdelikten
informieren können und gewarnt sind. So können sie verhindern, dass
Bewerber mit einschlägigen Vorstrafen im kinder- und jugendnahen Bereich
als Erzieher in Kindergärten, aber auch als Schulbusfahrer, Bademeister,
Sporttrainer oder Mitarbeiter im Jugendamt beschäftigt werden", sagte
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries.
Das Bundeszentralregistergesetz (BZRG) regelt, dass jeder Person ab 14
Jahren auf Antrag und ohne Angaben von Gründen ein Führungszeugnis
erteilt wird. Ob eine Verurteilung in ein Führungszeugnis aufgenommen
wird, richtet sich grundsätzlich nach der Höhe des Strafmaßes; das
zugrundeliegende Delikt spielt dabei in der Regel keine Rolle. Nach
geltendem Recht erscheinen im Führungszeugnis Erstverurteilungen nur bei
einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe
von mehr als 3 Monaten, um dem verfassungsrechtlich verankerten
Resozialisierungsgebot Rechnung zu tragen. Von diesen Grenzen sind
derzeit nur bestimmte schwere Sexualstraftaten (§§ 174 bis 180 oder 182
StGB, insb. Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen und
Vergewaltigung) ausgenommen, nicht aber alle anderen kinder- und
jugendschutzrelevante Sexualdelikte. Lässt sich ein Arbeitgeber bei der
Einstellung ein Führungszeugnis vorlegen, erlangt er von diesen
Erstverurteilungen bis zu 90 Tagessätzen oder 3 Monaten Freiheitsstrafe
keine Kenntnis und kann nicht verhindern, dass der betroffene Bewerber
im kinder- und jugendnahen Bereich beschäftigt wird.
Künftig soll durch eine Änderung des BZRG sichergestellt werden, dass
im Interesse eines effektiven Kinder- und Jugendschutzes
sexualstrafrechtliche Verurteilungen auch im niedrigen Strafbereich in
einem sogenannten erweiterten Führungszeugnis aufgenommen werden.
Der Gesetzentwurf sieht zielgerichtet die Einführung eines erweiterten
Führungszeugnisses für kinder- und jugendnahe Tätigkeiten vor. Personen,
die bei ihrer beruflichen oder ehrenamtlichen Beschäftigung mit Kindern
und Jugendlichen regelmäßig keinen Kontakt aufnehmen können, sind daher
von den neuen Regelungen nicht erfasst.
"Wer als Erzieher, Jugendfußballtrainer oder Schreibkraft im Jugendamt
arbeiten möchte, muss künftig damit rechnen, dass alle einschlägigen
Vorstrafen in seinem Führungszeugnis vermerkt sind. Das gebietet der
Jugend- und Kinderschutz. Anders verhält es sich, wenn es um einen
Arbeitsplatz als Fliesenleger, Automechaniker oder Architekt geht, weil
diese Tätigkeiten nicht in vergleichbarer Weise geeignet sind, Kontakt
zu Kindern oder Jugendlichen aufzunehmen. Nähme man - gleich für welche
Beschäftigung - generell alle Vorstrafen - also auch die geringen
Ausmaßes - in ein Führungszeugnis auf, würde dies praktisch dazu
führen, dass die verfassungsrechtlich gebotene Wiedereingliederung
von Straftätern erheblich erschwert würde. Mit unserem Vorschlag
schaffen wir deshalb zielgenau einen vernünftigen und gerechten
Ausgleich zwischen dem Resozialisierungsinteresse von Straffälligen und
der besonderen Verantwortung, wenn es um den Schutz von Kindern und
Jugendlichen vor Sexualstraftaten geht", erläuterte Zypries.
Im Einzelnen
Betroffener Personenkreis
Das erweiterte Führungszeugnis wird nach dem neuen § 30a BZRG erteilt,
wenn dies in einem Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist.
Beispiele: Die praktisch bedeutsamste Vorschrift ist § 72a des Achten
Buches Sozialgesetzbuch - Kinder- und Jugendhilfe - (SGB VIII). Sie
richtet sich an die Träger der öffentlichen Jugendhilfe, die für die
Wahrnehmung der Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe keine Person
beschäftigen oder vermitteln dürfen, die rechtskräftig wegen einer
bestimmten Straftat verurteilt worden ist (in der ab 1. Januar 2009
geltenden Fassung: Straftaten nach den §§ 171, 174 bis 174c, 176 bis
180a, 181a, 182 bis 184f oder den §§ 225, 232 bis 233a, 234, 235 oder
236 StGB). Ein vergleichbares Beschäftigungsverbot enthält auch § 25
Jugendarbeitsschutzgesetz für Personen, die Lehrlinge ausbilden.
demjenigen, der eine Tätigkeit ausüben will, die geeignet ist, Kontakt
zu Minderjährigen aufzunehmen, wie die berufliche oder ehrenamtliche
Beaufsichtigung, Betreuung, Erziehung oder Ausbildung Minderjähriger.
Beispiele: Erzieher in Kindergärten, Kinder- oder Jugendheimen,
Pflegepersonen für die Kindertages- und Vollzeitpflege, Lehrer in
Privatschulen, Schulbusfahrer, Bademeister in Schwimmbädern,
Jugendsporttrainer, Leiter von Kinder- und Jugendfreizeitgruppen.
Inhalt des erweiterten Führungszeugnisses
Bereits nach geltendem Recht werden in ein Führungszeugnis regelmäßig
alle Verurteilungen - unabhängig vom Strafmaß - wegen bestimmter
schwerer Sexualstraftaten nach den §§ 174 bis 180 und § 182 StGB
aufgenommen. Für das erweiterte Führungszeugnis wird dieser Katalog um
weitere kinder- und jugendschutzrelevante Verurteilungen wegen
Straftaten nach den §§ 171, 180a, 181a, 183 bis 184f, 225, 232 bis 233a,
234, 235 oder 236 StGB erweitert. Künftig wird daher auch beispielsweise
eine Verurteilung zu 60 Tagessätzen wegen Verbreitung von
Kinderpornographie oder Exhibitionismus im erweiterten Führungszeugnis
erscheinen. Bislang erhielt der Arbeitgeber von einer solchen
Verurteilung durch ein Führungszeugnis keine Kenntnis.
Frist zur Aufnahme in das Führungszeugnis
Derzeit werden Verurteilungen bei einer Freiheits- oder Jugendstrafe
von mehr als einem Jahr wegen schwerer Sexualstraftaten nach den §§ 174
bis 180 und § 182 StGB mindestens 10 Jahre lang in das Führungszeugnis
aufgenommen. Künftig wird diese Frist auch für entsprechende
Verurteilungen wegen Straftaten nach den §§ 171, 180a, 181a, 183 bis
184f, 225, 232 bis 233a, 234, 235 oder 236 StGB gelten, die in ein
erweitertes Führungszeugnis aufgenommen werden.
Der Gesetzentwurf ist heute an die Ressorts zur Stellungnahme versandt
worden. Das Bundeskabinett wird sich voraussichtlich im Januar 2009
damit befassen. Das Vorhaben verwirklicht einen vom Bundesministerium
der Justiz vorbereiteten Beschluss des zweiten Kindergipfels der
Bundeskanzlerin mit den Regierungschefs der Länder vom 12. Juni 2008,
der diese Regelung als wichtigen Baustein für die Umsetzung seiner
Anliegen vorsieht.
2008 BMJ.
Herausgegeben vom Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des
Bundesministeriums der Justiz
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