[WestG] [AKT] Mindener Museum - Objekt im Fokus in den Monaten Juli und August, Segelmacherhandschuh, nach 1900
WGO
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Mo Jul 1 11:00:59 CEST 2024
Von: "Museum, Volontariat (Museum Stadt Minden)" <volontariat-museum at minden.de>
Datum: 28.06.2024, 10:53
AKTUELLES
Mindener Museum - Objekt im Fokus in den Monaten Juli und August, Segelmacherhandschuh, nach 1900
In der Sammlung des Mindener Museums werden rund 60.000 Objekte bewahrt. Trotz Dauer- und Sonderausstellungen oder Leihgaben an andere Museen lagern 95% der Sammlung verborgen im Magazin. Die Vielfalt und die Geschichte der Sammlung und das Wissen über die Objekte stellt das Museumsteam regelmäßig in Kabinettausstellungen vor. Alle zwei Monate wird außerdem ein "Objekt im Fokus" im Foyer des Museums ausgestellt und dort seine Geschichte erzählt.
Das Objekt im Fokus im Juli und August ist ein Handschuh eines Segelmachers. Dieser kam im Frühjahr 2024 als Schenkung in die Sammlung des Mindener Museums. Über das Handwerk des Segelmachens ist heute nur noch wenig bekannt. Zum einen lösten seit den 1950er Jahren neue Techniken die alte Handwerkskunst ab. Zum anderen ist es bisher nur wenig erforscht. Daher ist dieses Werkzeug ein wichtiges Zeugnis dieses historischen Handwerks.
Der Segelmacherhandschuh besteht aus festem Leder. Es handelt sich hier um einen einfachen Lederriemen mit Daumenlasche. Ein klassischer Handschuh umfasst dagegen die gesamte Handfläche. Auf der innenliegenden Handfläche des Segelmacherhandschuhs findet sich stattdessen ein angeschrägter Aufbau aus runden Lederplättchen. Darauf befindet sich eine etwa 3 cm breite Metallplatte. Diese hat eine vertiefte kachelartige Oberfläche. Auf das Leder des Handriemens ist in großen Druckbuchstaben "Hamburg" eingeprägt. Vermutlich handelt es sich dabei um den Herstellungsort.
Die Segelmacher verwendeten den Handschuh ähnlich wie einen Fingerhut. Beim Nähen des Segels setzten sie die Nadel in die vertiefte Oberfläche des Metallstücks ein. Dadurch konnten sie diese mit hohem Kraftaufwand durch den dicken Segelstoff drücken. Um sich beim Straffziehen des Garns nicht zu verletzen, führte der Segelmacher das harte Hanfgarn über die Daumenlasche zurück. Abriebspuren an dieser Stelle im Leder zeugen noch von diesem Vorgang.
Die Handschuhe wurden je nach Funktion in zwei Kategorien eingeteilt. Mit dem "Lapphandschuh" vernähten die Segelmacher die einzelnen Stoffstücke zum Segeltuch. Die einzelnen Stücke nannten sie auch "Segelkleider". Bei dem Objekt aus der Sammlung des Mindener Museums handelt es sich jedoch um einen sogenannten "Liekhandschuh". Mit diesem wurden Taue am Rand des Segelstoffs, dem "Liek", angebracht. Dieser Vorgang wird auch als "Einlieken" bezeichnet. Über Taue wird der Segelstoff mit der Takelage, der Oberkonstruktion des Schiffes, verbunden. So kann das Segel später aufgespannt werden.
Beim Einnähen war höchste Präzision und Erfahrungswissen gefragt. Sie beeinflusste entscheidend die Qualität des Segels. Wurde das Segeltuch zu eng an die Taue genäht, so saß es beim Aufspannen zu straff. Dadurch verteilte sich der Wind nicht richtig. Das Segel konnte durch die zu hohe Beanspruchung so beschädigt werden. War das Tau jedoch zu locker angebracht, blieb zu viel Stoff über. Das Segel verformte sich beim Aufspannen bauchig. Dadurch benötigte das Schiff deutlich mehr Wind, um fahren zu können. Das "Einlieken" beeinflusste daher als Handwerkstechnik maßgeblich die aerodynamischen Eigenschaften und damit die Qualität des Segels.
Genäht wurde meist mit dem Kreuz- oder Konterstich. Dabei entsteht eine belastungsfähige doppelreihige Verstärkung der Naht. Die Segelmacher verwendeten traditionell Hanfgarn. Damit es einer starken Witterung standhalten konnte, wurde es zuvor mit Holzteer imprägniert. Etwa ab 1831 lösten Drahttauwerke das Hanfgarn ab.
Der Segelmacherhandschuh stammt sehr wahrscheinlich aus dem Besitz eines ehemaligen Heringsfängers. Es handelt sich um einen Zufallsfund im Elternhaus der Schenkerin. Sowohl ihr Großvater, Wilhelm Bleke (*1896), als auch dessen Schwager Heinrich Beneking (unbekannt) fuhren eine Zeit lang als Heringsfänger zur See. Dieser Beruf war im Nord-Osten des alten Amtes "Windheim zu Lahde" in der heutigen Stadt Petershagen sehr verbreitet. Da sich im Elternhaus der Schenkerin noch andere Zeugnisse mit Bezug zum Heringsfang fanden, spricht vieles für die Herkunft aus der Familie. Für eine genauere Herkunftsgeschichte bedarf es jedoch weiterer Forschung.
INFO
Mindener Museum
Ritterstraße 23-33, 32423 Minden
Kontakt: Tel. 05719724020; E-Mail: museum at minden.de
URL: www.mindenermuseum.de
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