[WestG] [LIT] Vom Fossil bis zum Kriegsgefangenenlager: Neue Publikation praesentiert Forschungsergebnisse der LWL-Archaeologie in Westfalen
Holtrup, Sandra
Sandra.Holtrup at lwl.org
Mo Jan 7 10:28:53 CET 2019
Von: "LWL-Pressestelle" <presse at lwl.org>
Datum: 21.12.2018, 10:35
LITERATUR
Vom Fossil bis zum Kriegsgefangenenlager: Neue Publikation präsentiert Forschungsergebnisse der LWL-Archäologie in Westfalen
Der älteste Nachweis von Bienenwachs, ein rauchender Verhüttungsofen aus der Eisenzeit, zwei römische Helme und ein mittelalterlicher Kamm aus Elfenbein - das Jahr 2017 bot eine Fülle herausragender Funde, Ausgrabungen und Experimente. Das alles zeigt die neue Publikation "Archäologie in Westfalen-Lippe 2017" des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL). In 74 Beiträgen informieren 97 Autoren über die aktuellen Forschungsergebnisse aus Archäologie und Paläontologie und Ausstellungen Westfalens im Jahr 2017.
Auf 312 Seiten laden die LWL-Archäologie für Westfalen und die Altertumskommission für Westfalen zu einer Reise an die verschiedensten Fundplätze in der Region ein. Die Spanne reicht von paläontologischen Fossilienfunden im Sauerland bis zu den Zeugnissen der jüngsten Vergangenheit. Vieles wird hier zum ersten Mal präsentiert, aber auch Altbekanntes in neuem Licht betrachtet. "Wir erleben nun schon seit einiger Zeit einen enormen Bauboom", erläutert Prof. Dr. Michael Rind, Chefarchäologe des LWL. "Noch nie gab es so viele Ausgrabungen in Westfalen-Lippe wie 2017. Sie tragen dazu bei, das Bild von unserer Vergangenheit immer weiter zu verdichten."
"Archäologie ist weit mehr als das einfache Freilegen von Objekten", erläutert Dr. Aurelia Dickers, Vorsitzende der Altertumskommission. "Ob mit Magnetometer-Messungen, Laservermessungstechnik oder dem Blick aus der Luft: Erst die Zusammenarbeit mit hochspezialisierten Wissenschaftlern und Einrichtungen ermöglicht es, die archäologischen Funde in einen größeren Kontext zu stellen und damit Geschichte zu rekonstruieren."
So erregte der bislang älteste Nachweis von Bienenwachs an einem altsteinzeitlichen Fischspeer über die Fachwelt hinaus Aufsehen. Die heute bedrohte Europäische Honigbiene war demnach bereits deutlich früher hier heimisch als vermutet und wurde vom Menschen lange genutzt, bevor er sesshaft wurde.
Als weiterer Höhepunkt gelten die Verhüttungsexperimente mit dem Nachbau eines eisenzeitlichen Ofens im LWL-Freilichtmuseum Hagen. In schweißtreibender Arbeit wurde die Anlage rund um die Uhr mit Erz und Brennholz bestückt, um am Ende das heißbegehrte Eisen zu erhalten. Die teilweise meterhohen Stichflammen und weithin sichtbaren Rauchschwaden lockten eine große Zahl von Museumsbesuchern an.
Der aktuelle Band ist im Buchhandel, in den LWL-Museen in Herne, Haltern und Paderborn sowie im Internet unter www.archaeologie-und-buecher.de zum Preis von 19,50 Euro erhältlich. Die Beiträge des Bandes stehen nach einem Jahr auch online über Open Access kostenfrei zur Verfügung, wo ab sofort auch die Beiträge des Jahresrückblicks 2016 als Download bereitstehen. Weitere Informationen gibt es unter www.lwl-archaeologie.de.
Auswahl von Beiträgen
Bei Minden (Kreis Minden-Lübbecke) ist bereits 2014 ein Krokodilschädel mit Unterkiefer entdeckt worden. Aktuelle Analysen zeigen, dass das Fossil ein Alter von zirka 165 Millionen Jahren besitzt und einem "Tyrannoneus lythrodektikus" zuzuweisen ist. Mit dem sehr gut erhaltenen Schädel liegt nunmehr der erste Nachweis dieser speziellen Tierart in Deutschland vor.
Der altsteinzeitliche Fischspeer aus der Seseke bei Bergkamen-Oberaden (Kreis Unna) befand sich seit den 1930er-Jahren im Magazin des Gustav-Lübcke-Museums Hamm. Aufschluss über sein genaues Alter sollte eine naturwissenschaftliche Datierung (11.000 v. Chr.) liefern, wobe schwarze Anhanftungen am Schaft auffielen. Bei der Analyse zeigte sich, dass die Reste den bisher ältesten bekannten Nachweis für Bienenwachs darstellen. Die Honigbiene war also nach der letzten Eiszeit schon deutlich früher wieder heimisch geworden als man bisher angenommen hatte.
Während der diesjährigen Grabungskampagne im Römerlager von Haltern am See (Kreis Recklinghausen) konnte zwei ineinandergesteckte Eisenhelme aus einer Grube geborgen werden. Ihr Zustand lässt annehmen, dass sie noch nicht fertiggestellt waren, als sie in den Boden gelangten. Die beiden Helme wurden vermutlich im Innern des Lagers nahe dem Westtor produziert.
2017 gingen die Grabungen in der Holsterburg bei Warburg (Kreis Höxter) in ihrer achte und letzte Runde. Dabei kam ein flacher Elfenbeinkamm zutage, der aus dem Stoßzahn eines Elefanten gefertigt ist. Auf der einen Seite sind zwei Pfauen zu erkennen, die andere Seite zeigt einen Hund im Sprung, der einen flüchtenden Hasen schlägt. Derartige Kämme stammen zumeist aus Kirchenschätzen, aus Burgen sind hingegen nur äußerst wenige Exemplare nachgewiesen.
Im Sommer 2017 hat die Stadtarchäologie Soest auf dem Gebiet der ehemaligen belgischen Kaserne "Colonel BEM Adam" in Soest gegraben. Während des Zweiten Weltkrieges hatte das Gelände als Kriegsgefangenenlager für französische Offiziere gedient, das offiziell als "Oflag VI A" bezeichnet wurde. Die zahlreichen Funde geben einen geschlossenen Überblick über das Lagerleben und stellen einen wichtigen Befund aus dieser Zeit für Westfalen dar.
Das Großsteingrab "Große Sloopsteene" bei Lotte-Wersen (Kreis Steinfurt) steht seit Langem im Fokus der archäologischen Forschung. Im Rahmen des Projektes "Megalithik in Westfalen" der Altertumskommission für Westfalen wurde das Grabmal digital vermessen. Anhand dieser Daten konnte ein Modell erstellt werden, das nicht nur den heutigen Zustand der Findlinge dokumentiert, sondern in der Rekonstruktion auch einen virtuellen Eindruck vom Inneren der ehemaligen Grabkammer und dem Erscheinungsbild der unversehrten Anlage in der Landschaft liefert.
Archäologische Grabungen haben gezeigt, dass im Siegerland während der Eisenzeit große Verhüttungsöfen im Einsatz waren, deren Funktionsweise bisher nicht geklärt ist. In einem archäologischen Experiment wurde eine solche Anlage im LWL-Freilichtmuseum Hagen nachgebaut und unter Einsatz von naturwissenschaftlicher Messtechnik zur Erzeugung von Eisen genutzt. Die Versuche lassen wichtige Rückschlüsse auf die Eisenverhüttung, den großen Rohstoffbedarf und die damit verbundene Nutzung der Landschaft während der Eisenzeit zu.
INFO
Archäologie in Westfalen-Lippe 2017
Herausgegeben von der LWL-Archäologie für Westfalen und der Altertumskommission für Westfalen
312 Seiten, durchgehend farbig bebildert
Langenweißbach 2018
ISBN 978-3-95741-096-2
ISSN 2191-1207
19,50 Euro
LWL-Archäologie für Westfalen
An den Speichern 7
48157 Münster
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