[WestG] [AKT] Rede des Oberbuergermeisters der Stadt Dortmund zum Karfreitaggedenken in der Bittermark 2015
Pawlitta, Pascal
Pascal.Pawlitta at lwl.org
Mi Apr 8 08:29:10 CEST 2015
Von: "Frank Bußmann" <fbussmann at stadtdo.de>
Datum: 02.04.2015, 13:16
AKTUELL
Rede des Oberbürgermeisters zum Karfreitaggedenken in der Bittermark 2015
- ES GILT DAS GESPROCHENE WORT -
Sehr geehrter Herr Chaize,
sehr geehrte Frau Antoine,
sehr geehrter Herr Giacobbi,
sehr geehrter Herr Biatin,
sehr geehrte Frau Marschefski,
sehr geehrter Herr Söder,
sehr geehrter Herr Pieper,
verehrte Gäste aus dem In- und Ausland,
liebe Dortmunderinnen und Dortmunder,
die schrecklichen Verbrechen, derer wir heute gedenken, liegen 70 Jahre zurück. Über 300 Männer und Frauen wurden damals von der Gestapo und der SS ermordet. Ihre genaue Zahl kennen wir nicht, von vielen nicht einmal den Namen. Ihr Tod war grausam und sinnlos. In den letzten Tagen des verheerenden Zweiten Weltkrieges zeigte Nazi-Deutschland nochmals sein gewalttätiges und menschenverachtendes Gesicht. Denn auch kurz vor Ende des Krieges, der für Dortmund offiziell am 13. April 1945 um 16.30 Uhr endete, gab es sie ja noch: Die überzeugten Nationalsozialisten, die fanatisch der verbrecherischen Ideologie anhingen. Die Schergen des Systems, die große Schuld auf sich geladen hatten, die in den Jahren seit 1933 zu Schlächtern und Henkern geworden waren. Jene Menschen, die in 12 Jahren der Nazi-Herrschaft die Länder und Völker Europas und der Welt mit Gewalt, Tod und Elend überzogen hatten und die dabei zu millionenfachen Mördern geworden waren.
Für sie waren der Zusammenbruch ihres Systems und die militärische Niederlage Deutschlands ein absoluter Alptraum. Nicht allein, weil ihr menschenverachtendes Weltbild zusammenbrach, sondern auch, weil sie fürchteten, dass man Rechenschaft und Sühne für ihre Gräueltaten von ihnen fordern würde. Leider war ihre Angst unberechtigt. Denn die Mörder der Bittermark wurden für ihre Taten, wenn überhaupt, nur sehr unzureichend bestraft. Sie hatten unendliches Leid verursacht und doch musste sich nur ein Teil der Täter dafür vor Gericht verantworten. Nach heutigen Maßstäben fielen die Strafen recht milde aus, wegen Mordes wurde jedenfalls kein Täter verurteilt. Das ist ein historischer Makel, den wir heute nicht mehr ändern können und mit dem unser Land für immer wird leben müssen. Das, was wir jedoch beeinflussen können ist unsere Zukunft. Wir müssen heute dafür Sorge tragen, dass das Versprechen: "Nie wieder Faschismus" eingehalten wird. Wir sind in der Pflicht, aktiv gegen Rechtsextremisten, gegen den Ungeist der Nazi-Diktatur, vorzugehen. Die Feinde unserer Demokratie müssen wir abwehren.
Meine Damen und Herren,
ein Ort der besonderen Begegnung und des schmerzhaften Erinnerns ist die Bittermark. Vor allem für die Frauen und Männer des Verbandes französischer Zwangs- und Arbeitsdeportierten, von denen heute einige anwesend sind und die ich sehr herzlich im Namen Dortmunds willkommen heiße. Für uns ist es eine große Freude und Ehre, dass Sie sich auf den weiten Weg gemacht haben, um mit uns den 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs und der Nazi-Diktatur zu begehen. Ich weiß, aufgrund Ihres Alters ist Ihnen der Weg nicht leicht gefallen, umso mehr bewegt und ehrt uns Ihre Teilnahme. Ihre Teilnahme, auch in den vielen Jahren zuvor, ist nach den Verbrechen, die hier begangen wurden, nicht selbstverständlich. Und schon gar nicht selbstverständlich ist es, dass Sie uns Deutschen die Hand zur Versöhnung gereicht haben. Ebenso sind unter den Freundinnen, Freunden und Mitgliedern des Fördervereins Steinwache/Internationales Rombergpark-Komitee Menschen, deren Angehörige hier vor 70 Jahren von den Nationalsozialisten ermordet wurden und auch sie grüße ich ganz herzlich.
Die Mahn- und Gedenkstätte in der Bittermark ist ein wichtiger Teil unserer Identität als demokratische, solidarische und tolerante Stadt. Unser Kampf für Vielfalt, Toleranz und Demokratie und gegen Rechtsextremismus fußt auf mehreren Säulen. Die Erinnerungskultur ist dabei von zentraler Bedeutung. Und so ist diese Mahn- und Gedenkstätte nicht nur Ruhestätte der Ermordeten, Ort des Erinnerns für Angehörige, Kameraden und Freunde der hier Ruhenden. Diese Mahn- und Gedenkstätte ist auch zu dem Ort geworden, an dem wir alle mit dem Blick auf die Vergangenheit unser Auge und unsere Wachsamkeit für die Gegenwart und die Zukunft schärfen: Was vor 7 Jahrzehnten geschah ist kein vergangenes, endgültig abgeschlossenes Kapitel Geschichte. Fanatismus, politische Verblendung, Hass und Gewalt sind nicht mit dem nationalsozialistischen Staat untergegangen. Denn es gibt sie immer noch: Diejenigen, die die Verbrechen Deutschlands von 1933 bis 1945 zu relativieren versuchen und sich damit als geistige und moralische Erben der Nationalsozialisten entlarven. Diejenigen, die durch Fackelaufmärsche vor Flüchtlingsunterkünften eine neue Pogromstimmung erzeugen wollen. Diejenigen, die Anfragen im Rat der Stadt Dortmund nach Anzahl und Wohnort vom Bürgerinnen und Bürgern jüdischen Glaubens in Dortmund stellen oder gutheißen. Es sind die, die mit Einschüchterung und Drohungen versuchen, Menschen, die für Vielfalt, Toleranz und Freiheit eintreten, von ihrem Engagement abzuhalten. Und es sind die, die als Täter oder zumindest als geistige Brandstifter, Gewalt gegen Menschen ausüben, die nicht ihrem menschenverachtenden Weltbild entsprechen. Deshalb ist es nötig, dass wir uns hier treffen, uns daran erinnern wohin Rechtextremismus führt und aus der direkten Konfrontation mit der Vergangenheit unsere Sensibilität und Aufmerksamkeit für heutige Vorgänge stärken. Und ich bin ich sehr froh, dass wir mit den Botschafterinnen und Botschaftern der Erinnerung ein weiteres Format für die Erinnerungskultur gefunden haben. Sie sind unsere Brücke in die Zukunft. Und ich denke, wir können stolz sein auf diese jungen Menschen und auf die Arbeit, die sie leisten. Liebe Botschafterinnen und Botschaftern der Erinnerung - für Euer Engagement und für die wunderbare Gestaltung der heutigen Gedenkveranstaltung, einen ganz herzlichen Dank.
Meine Damen und Herren,
unsere Stadtgesellschaft wird sich von den brauen Umtrieben nicht einschüchtern lassen. Wir werden ihnen weiter als breites politisches und zivilgesellschaftliches Bündnis entgegentreten. Von der Vielfalt des Engagements Dortmunder Bürgerinnen und Bürger, Parteien, Vereine, Institutionen, Initiativen und Religionsgemeinschaften zeugt die aktuelle Broschüre der städtischen Koordinierungsstelle für Vielfalt, Toleranz und Demokratie. Das ist ein eindrucksvoller Beleg für Dortmund als Hochburg des Widerstands gegen Rechtsextremismus. Doch, auch wenn die Rechtsextremisten in Dortmund nur eine verschwindend gering Minderheit sind, so kann das menschenverachtende Verhalten der Rechtsextremisten für eine wehrhafte Demokratie nur eine Konsequenz haben: Ein Verbot der Partei "Die Rechte". Die Mahnung, die von der Bittermark ausgeht, hat von ihrer Dringlichkeit nichts verloren. Sie lautet: Haltet die Erinnerung an die hier ermordeten Menschen wach, damit sich solche Verbrechen niemals wiederholen. Und so schließe ich mit den Worten von Jean-Louis Forest, dem leider schon verstorbenen Ehrenpräsident des Verbandes der französischen Zwangs- und Arbeitsdeportierten: "Niemals vergessen - Freundschaft!"
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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