[WestG] [KONF] 4. Geschichtskonvent Ruhr: Die Bedeutung von Zeitzeugen fuer die Narration der Ruhrgebietsgeschichte, Essen, 24.10.2014

Pawlitta, Pascal Pascal.Pawlitta at lwl.org
Do Sep 25 09:06:28 CEST 2014


Von: "Geschichtskultur Ruhr" <geschichtskultur-bounces at hclist.de>
Datum: 24.09.2014, 10:01
Übernahme aus der Liste "Geschichtskultur Ruhr"


KONFERENZ
  
VIERTER GESCHICHTSKONVENT RUHR: Die Bedeutung von Zeitzeugen für die Narration der Ruhrgebietsgeschichte 

Zeitzeugen erfahren im Umgang mit der Vergangenheit eine hohe Wertschätzung. Ihre Erinnerungen und Berichte werden oft als authentisch, wahrhaftig und unmittelbar geschätzt. Doch gilt der Zeitzeuge, so das Bonmot, zugleich als "natürlicher Feind" des Historikers. Diese Skepsis an der Zuverlässigkeit persönlicher Erinnerungen resultiert daraus, dass Erleben und Erinnern immer individuell geprägt sind. Zeitzeugen erzählen ihre Geschichte(n) aus einem persönlichen Blickwinkel, der subjektives Erleben, subjektive Erfahrungen und eine subjektive Geschichtskonstruktion umspannt und nicht notwendigerweise mit der allgemeinen Geschichtsschreibung übereinstimmt. 

Für den Umgang mit lebensgeschichtlichen Erinnerungen und Zeitzeugenberichten sind die Forschungen von Lutz Niethammer und Alexander von Plato maßgeblich. Sie haben die Methode der Oral History in Deutschland etabliert und zur vollen Anerkennung gebracht. Nachdem das Institut für Zeitgeschichte in den 1950er Jahren erste Zeitzeugenberichte der NS-Zeit gesammelt hatte, erschienen Mitte der 1980er Jahre die Ergebnisse ihres umfangreichen Oral-History-Projektes "Lebensgeschichte und Sozialkultur im Ruhrgebiet 1930-1960" (LUSIR). Zur selben Zeit etwa begannen die NS-Gedenkstätten, für ihre pädagogische Vermittlungsarbeit mit Überlebenden des Holocaust zu arbeiten. Die Arbeit mit Zeitzeugen wurde in den folgenden Jahrzehnten vor allem von den Industriemuseen im Ruhrgebiet aufgegriffen und - den Themen und befragten Personen entsprechend - weiterentwickelt. 

Museen, Gedenkstätten, Geschichtswerkstätten und andere Akteure der historisch-politischen Bildung setzen auf die großen Potentiale der Zeitzeugenschaft und ihr Vermögen, durch eigene Erlebnisse und Erfahrungen Dinge "zum Sprechen" zu bringen. Geschichte wird so für den Besucher unmittelbar lebendig und emotional beeindruckend. Dabei reicht Zeitzeugenschaft heute von den Opfern von Holocaust und NS-Diktatur, über Vertriebene und Migranten bis hin zu Menschen, deren Arbeitswelt sich stark verändert hat beziehungsweise verschwunden ist. 

Auch viele der im Ruhrgebiet ansässigen Museen und Vereine greifen bei ihrer pädagogischen Vermittlungsarbeit auf Zeitzeugen zurück. Vor allem Führungen durch frühere Stätten der Montanindustrie mit dort ehemaligen Beschäftigten erfreuen sich großer Beliebtheit beim Publikum. Dabei stellt sich die Frage nach der Balance zwischen attraktiver emotionaler Präsentation, inszenierter Geschichtsvermittlung und pädagogischer Motivation einerseits sowie historischer Faktizität und kritischer Geschichtswissenschaft andererseits. 


Der vierte Geschichtskonvent des Forums Geschichtskultur widmet sich diesem Themenkomplex und stellt dazu folgende Fragen: 

- Worin liegt der "Mehrwert" und was sind die Fallstricke bei dem Einsatz von Augen- und Zeitzeugen im eigenen Arbeitskontext? 
- Welche methodischen Bewertungskriterien liegen der Arbeit mit Zeitzeugen zu Grunde? Nach welchen Kriterien werden zum Beispiel Zeitzeugen ausgewählt und - bei Filmaufzeichnungen - museal präsentiert? 
- Was passiert, wenn der letzte Zeitzeuge ? zum Beispiel der letzte Kumpel der Zeche im Betrieb ? nicht länger für Führungen zur Verfügung stehen wird? Wie kann der Verlust von persönlichen Erfahrungen und Erinnerungswelten im Ruhrgebiet aufgefangen werden? Wer oder was vermittelt dann den Eindruck von Authentizität? 


Eingeladen zur Teilnahme an diesem Konvent und zum Informationsaustausch sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Museen, historischen Vereine, Geschichtswerkstätten, Bürgerinitiativen, wissenschaftlichen Einrichtungen, Universitäten und Schulen, die mit Zeitzeugen oder Zeitzeugenberichten arbeiten, sowie alle an diesem Thema Interessierten. 


ABLAUF 

15:00 Uhr	Begrüßung & Einführung 

15:15 Uhr	Prof. Dr. Alexander von Plato: Zeitzeugenschaft. Tradition und Entwicklungslinien von LUSIR bis heute 

15:45 Uhr	Zeitzeugen in der Archiv- und Museumsarbeit: 

		Clemens Heinrichs, Gedenkhalle Oberhausen: Die Rolle des Zeitzeugen für die Arbeit der Gedenkstätten 
		Dr. Dagmar Kift & Dr. Olaf Schmidt-Rutsch, LWL-Industriemuseum: Industriearbeit Migration und Digitalisierung. Das biographische Archiv des LWL-Industriemuseums 
		Dr. Michael Farrenkopf & Dr. Stefan Moitra, montan.dok/DBM: Authentifizierungstrategien von Bergbau-Zeitzeugen im Deutschen Bergbau-Museum Bochum und Zeitzeugenprojekte des 			Montanhistorischen Dokumentationszentrums (montan.dok) 

17:00 Uhr    PAUSE 

17:30 Uhr 	Zeitzeugen in den Medien: 

		Beate Schlanstein, Westdeutscher Rundfunk (WDR) 
		Justus Herrmann, Projektbüro migration-audio-archiv 
  

Die Veranstaltung ist gebührenfrei, um Anmeldung unter forum at geschichtskultur-ruhr.de bis zum 20. Oktober 2014 wird gebeten. 

Eine Weiterleitung und Verbreitung dieser Einladung ist ausdrücklich erwünscht. 


INFO

Veranstaltungsort: 

Haus der Essener Geschichte / Stadtarchiv 
Ernst-Schmidt-Platz 1
45128 Essen


Mehr Informationen über die Mailingliste Westfaelische-Geschichte