[WestG] [LIT] Sveva Gai/Karl Heinrich Krueger/Bernd Thier: Die Klosterkirche Corvey. Geschichte und Archaeologie

Alexander Schmidt Alexander.Schmidt at lwl.org
Fr Nov 9 10:55:33 CET 2012


Von: "LWL-Pressestelle" <presse at lwl.org>
Datum: 08.11.2012, 13:56


LITERATUR

Die Geschichte und Archäologie Corveys 
Erstmals in einem Band - pünktlich zum Weltkulturerbe-Verfahren

Rund 3,5 Kilo, 766 Seiten, 471 Abbildungen, fast 200 Rubriken 
für Kapitel, Anhänge und Beilagen: Der neue Band "Die 
Klosterkirche Corvey. Geschichte und Archäologie", publiziert 
vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), "ist gewichtig", 
so LWL-Direktor Dr. Wolfgang Kirsch am Donnerstag (8.11.) bei 
der Präsentation in Corvey. Gewichtig, weil er "ein wichtiger 
Baustein der Antragstellung für das UNESCO-Weltkulturerbe ist", 
für die am 15. November die Entscheidung der Vorprüfung 
erwartet wird. Gewichtig, weil zwischen den LWL-Buchdeckeln 
"auch ganze Forscherleben, mehr als 40 Jahre 
Forschungsgeschichte und ein wissenschaftlicher Schwerpunkt der 
LWL-Archäologie für Westfalen stecken", so Kirsch.

Mit diesem Band liegen erstmals alle archäologischen 
Erkenntnisse über die Wurzeln des berühmten 
Benediktinerklosters, das sich jetzt um den 
Weltkulturerbestatus bewirbt, in einem Guss vor. An die 100 
Aktenordner wurden mit dokumentiertem Wissen gefüllt, tausende 
Fotos und Zeichnungen aus fast zwei Generationen Forschung 
archiviert.

Die LWL-Archäologen Dr. Uwe Lobbedey und Dr. Hilde Claussen 
haben über ihr Berufsleben hinaus Fachwissen in die 
Klosterkirche investiert, in der die Wurzeln Corveys verborgen 
liegen. Dr. Sveva Gai hat die Fülle der Ergebnisse nach dem 
Ausscheiden der beiden Archäologen zusammengetragen und 
dokumentiert damit die wechselvolle Entwicklungsgeschichte des 
844 eingeweihten und heute barock überbauten Bauwerks.

Ergänzt wird die Dokumentation der Ausgrabungsergebnisse in 
einem geschichtlichen Abriss von Karl Heinrich Krüger und einer 
Übersicht über das Fundmaterial von Bernd Thier.

Der LWL-Band erscheint in der LWL-Reihe "Denkmalpflege und 
Forschung in Westfalen" und ergänzt als Band 1 die bereits 2007 
veröffentlichte Publikation "Die Klosterkirche Corvey. 
Wandmalerei und Stuck aus karolingischer Zeit". Geplant ist ein 
weiteres wissenschaftliches Werk über die Baustruktur der 
Kirche und des berühmten Westwerks.

"Der jetzt erschienene Band dokumentiert auf nachhaltige Weise 
die Bedeutung Corveys nicht nur für die westfälische 
Archäologie, sondern auch die historische und kulturelle 
Bedeutung des Ortes für Westfalen und darüber hinaus", betonte 
Dr. Thomas Otten, Referatsleiter Denkmalschutz und 
Denkmalpflege im NRW-Bauministerium bei der Buchpräsentation. 
Ludger Eilebrecht, Pfarrdechant des Pfarrverbundes Höxter, hob 
die Bedeutung der Ausgrabungen für ein besseres Verständnis der 
Ursprünge des einstigen Klosters hervor, das auch ein 
geistliches Zentrum über die Region hinaus war. Auch für 
Landrat Friedhelm Spieker untermauert der neue LWL-Band die 
Bedeutung Corveys mit Blick auf den Weltkulturerbe-Antrag: "Die 
Archäologie führt nachhaltig die Entstehungsgeschichte des 
Klosters vor Augen und zeigt, wie wichtig es ist, dieses 
kulturelle Erbe zu vermitteln und zu erhalten."

Für Prof. Dr. Michael Rind, Chefarchäologie des LWL, ist mit 
diesem Band eine "weitere Etappe des langwierigen 
Erarbeitungsprozesses der Untersuchungsergebnisse an der 
Klosterkirche" erfolgreich abgeschlossen. Das Buch sei auch für 
die LWL-Archäologie eine Herzensangelegenheit, bilde Corvey 
doch seit Beginn der archäologischen Denkmalpflege in Westfalen 
einen wesentlichen Schwerpunkt der Arbeit. Der jetzt 
erschienene Band sei deshalb auch "ein Spiegel der Entwicklung 
der westfälischen Archäologie und Bodendenkmalpflege".

Acht Bauphasen

Der Band dokumentiert zunächst, was aus den Quellen bekannt 
ist: Das Benediktinerkloster Corvey entwickelte sich im 9. 
Jahrhundert zu einem bedeutenden Zentrum der abendländischen 
Kultur. Davon zeugt noch heute der so genannte Westbau als 
einziger vollständig erhaltener karolingischer Bau dieser Art 
überhaupt. Acht Bauphasen konnten die Fachleute für die 
Klosterkirche und ihre Entwicklung von der Gründung bis zum 
letzten Umbau Ende der Barockzeit nachzeichnen. Sie sind 
gleichsam das Gerüst für ein bedeutendes Beispiel europäischer 
Kulturgeschichte.

Die LWL-Archäologen kamen im Verlauf der Jahrzehnte den Wurzeln 
Corveys auf die Spur. Bis dahin gab es nur schriftliche 
Überlieferungen und Forschungen an der sichtbaren, aufgehenden 
Bausubstanz. Die Ergebnisse lassen nachvollziehen, wie das 
Kloster von zwei Mönchen an seinem Standort neu gegründet wurde 
und zwischen 822 und 844 eine dreischiffige Basilika mit sehr 
schmalen Seitenschiffen entstand. Sie enthielt bereits das Grab 
des heiligen Vitus, das Corvey zu einem wichtigen Pilgerort und 
Anziehungsort für die Menschen im Mittelalter machte.

Neue Erkenntnisse über architektonische Besonderheiten

Der Chor wurde erneuert, bevor in den 870er Jahren das berühmte 
Westwerk vor der Kirchenfassade errichtet wurde. 885 geweiht, 
versammelten sich in dem fünfschiffigen und mehrgeschossigen 
Bau Kaiser und Könige. Die Ausgrabungen korrigierten und 
ergänzten die bis dahin gültigen Theorien über den Westbau und 
wiesen nicht nur eine, sondern drei karolingische Phasen nach. 
Sie zeigten, dass auch im Anschluss daran mehr bauliche 
Eingriff in die Kirche und die Klosteranlage vorgenommen wurden,
 als bis dahin vermutet wurde. Ganze neue Ergebnisse konnten so 
für die Phasen der Romanik und Renaissance bis zum Anfang des 
Barock festgehalten werden.

Die Forschungen haben außerdem dazu beigetragen, 
architektonische Besonderheiten wie Gräber, Kapellen und 
memoriae im Kircheninneren deutlicher fassen und zeitlich 
zuordnen zu können. Ein wichtiges Ergebnis ist die Existenz 
eines Atriums nach römischem Vorbild. Die Sondierungen 
außerhalb des Kirchenraums halfen dabei, ein besseres Bild von 
der Gesamtgestalt der Klosteranlage mit Spuren eines 
karolingischen Kreuzgangs nördlich der Kirche zu bekommen.

Auch die von Bernd Thier dokumentierten Funde geben Einblicke 
in das Klosterleben. Darunter finden sich Objekte aus dem 
liturgischen Bereich wie Fragmente von Reliquienbehältern, die 
viel über den Lebensalltag der Klosterbewohner und der Besucher 
aus der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts berichten.

Erstmalig präsentiert werden in dem neuen Band außerdem die von 
Karl Heinrich Krüger vollständig ausgearbeiteten Schriftquellen,
 darunter viele bisher nicht publizierte Hinweise wie die 
Skizze barocker Gräber. Eine anthropologische Auswertung der 
Skelettfunde rundet die vorgelegten Forschungsergebnisse ab. 
Was mit komplizierten naturwissenschaftlichen Methoden in 
Zahlenkolonnen und Diagrammen erscheint, vermittelt Aussagen 
über das Geschlecht, das Sterbealter, die Körperhöhe, 
Verwandtschaft und Krankheiten der Verstorbenen.


INFO

Sveva Gai/Karl Heinrich Krüger/Bernd Thier: 
Die Klosterkirche Corvey. Geschichte und Archäologie
Denkmalpflege und Forschung Westfalen 43.1.1, 
Darmstadt 2012
Verlag Philipp von Zabern
Band 1: 766 Seiten, 471 Abbildungen
Band 2: Schuber mit 18 Beilagen
ISBN 978-3-8053-4546-0
Preis: 98 Euro


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