[WestG] [AKT] Roemisches Militaerlager an der Lippe entdeckt: LWL-Film dokumentiert erste Grabungsarbeiten
Alexander Schmidt
Alexander.Schmidt at lwl.org
Mi Okt 26 09:25:36 CEST 2011
Von: "LWL-Pressestelle" <presse at lwl.org>
Datum: 25.10.2011, 11:16
AKTUELL
Römisches Militärlager an der Lippe entdeckt
LWL-Film dokumentiert erste Grabungsarbeiten
Archäologen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL)
haben im Münsterland bei Olfen (Kreis Coesfeld) ein über fünf
Hektar großes, 2.000 Jahre altes römisches Militärlager
entdeckt. Vom Lager aus kontrollierten die Römer in der Zeit
von 11 bis 7 vor Christus den Fluss-Übergang über die Lippe -
und damit eine der wichtigsten logistischen Landmarken der
römischen Eroberer.
Die Archäologen fanden Keramik, Münzen, Gewandspangen und
wiesen einen Graben rund um das Lager sowie eine Holzmauer nach,
die rund 1.000 Legionäre auf einer Fläche von sieben
Fußballfeldern vor Angriffen schützen konnte. Das letzte Mal
war im Jahr 1968 ein fest ausgebautes, winterfestes Römerlager
in Anreppen an der Lippe entdeckt worden.
"Es ist der Sensationsfund für die Römerforschung in Westfalen",
freut sich LWL-Direktor Dr. Wolfgang Kirsch. "Dieses
Römerlager suchen die Archäologen seit mehr als 100 Jahren, es
ist das fehlende Glied in der Kette römischen Militärlager an
der Lippe." LWL- Chefarchäologe Prof. Dr. Michael Rind: "Olfen
war für die Legionäre während der Drusus-Feldzüge in Germanien
strategisch von größter Bedeutung."
Jahrzehntelange Schnitzeljagd
Die Suche nach dem Olfener Lager erinnert an eine
jahrzehntelange Schnitzeljagd, die eigentlich am Ende des 19.
Jahrhundert beginnt: In der Lippe bei Olfen wurde schon um 1890
ein römischer Bronze-Militärhelm entdeckt, der sich heute im
LWL-Römermuseum in Haltern befindet. Dieser erste Hinweis ließ
die Altertumswissenschaftler aufhorchen - denn sie suchten
Römerlager entlang der Lippe.
2011 endlich entdeckten ehrenamtliche Mitarbeiter der
LWL-Archäologie für Westfalen bei Suchgängen auf einem Acker
bei Olfen römische Keramikscherben und lösten damit ein
"Maßnahmen-Paket" der LWL-Archäologen aus. Luftbildarchäologen
der Ruhr-Universität Bochum machten Aufnahmen des Geländes aus
einigen hundert Metern Höhe, um anhand von Veränderungen am
Boden Hinweise auf eventuelle Baustrukturen unter der Erde zu
erhalten.
Ein Suchschnitt von 13 Metern Länge und 2,5 Metern Tiefe wurde
angelegt. Die Wissenschaftler forschten mit der sogenannten
magnetischen Prospektion nach Magnetfeldstörungen, die auf
Bodeneingriffe hindeuten können. Sondengänger, die mit den
Fachleuten zusammenarbeiteten, suchten im Auftrag der
LWL-Archäologen das Gelände nach Metallfunden ab.
Was als vager Verdacht begann, wurde im Laufe weniger Wochen
zur Gewissheit: Es handelte sich tatsächlich um ein römisches
Militärlager. Die Archäologen können den Spitzgraben, der die
Anlage umgab, ebenso nachweisen wie die Fundamentspuren einer
Holz-Erde-Mauer. Einzelfunde römischer Keramik, über 100 Münzen
und Gewandspangen lassen eine sehr genaue Datierung des Lagers
in die Zeit des Kaisers Augustus zu. Das Lager hatte eine
Ausdehnung von zirka 230 mal 250 Metern. Es ist damit im
Vergleich zu anderen römischen Lippelagern eine kleinere Anlage
mit festen Baustrukturen.
Versorgungslager und Etappenstation
Die Größe des Lagers, die Beschaffenheit der Holz-Erde-Mauer
und die Lage an der Lippe lassen die Wissenschaftler vermuten,
dass es sich um ein Versorgungslager handelt, also eine Anlage,
in der Nachschub bevorratet und gleichzeitig der Lippe-Übergang
kontrolliert wurde. Das Lager Olfen könnte als Etappenstation
zu den zirka 20 Kilometer entfernten Militärlagern in
Beckinghausen und Oberaden gedient haben. Die Römer versorgten
ihre Truppen hauptsächlich über den Wasserweg - hierzu mussten
die Schiffe allerdings die Lippe flussaufwärts getreidelt, das
heißt vom Ufer aus von Menschen oder Zugtieren gegen den Strom
gezogen werden. Niedrigwasser an der Lippefurt bei Olfen konnte
eine Weiterfahrt für die Plattbodenschiffe unmöglich machen und
eine Zwischenlagerung der Waren nötig werden lassen. Maximal
zwei Kohorten, ungefähr 1.000 Legionäre, könnten in Olfen
stationiert gewesen sein - bis das Lager vermutlich nach rund
vier Jahren wieder aufgegeben wurde.
Nicht nur historisch, sondern auch archäologisch ist der Fund
vielversprechend: Denn nur in wenigen Fällen blieb das Gelände
eines Römerlagers von moderner Überbauung nahezu verschont.
"Das Denkmal dürfte daher seit über 2.000 Jahren weitgehend
ungestört im Boden liegen - eine absolute Seltenheit und aus
archäologischer Sicht absolut ideal. Unser wichtigstes Anliegen
ist es, dieses Denkmal zu schützen und für die Zukunft zu
erhalten - und nicht, es möglichst schnell komplett zu
ergraben", meint Rind. Die Erforschung des Lagers werde
wahrscheinlich einige Jahrzehnte in Anspruch nehmen.
Hintergrund
Entdeckungen von Römerlagern an der Lippe
Dorsten-Holsterhausen
Zeit:
ca. 12 v. Chr. - ca. 16 n. Chr. (militärische Gesamtsituation
zur Zeit der römischen Feldzüge, Münzen, Terra Sigillata =
moderne Bezeichnung für das rotglänzende Tafelgeschirr der Römer)
Entdeckung:
1952 ("großes Lager"), 1998 (Marschlager am Kreskenhof)
Grabungen:
1952-1953, 1970, 1996 ff.
über 150.000m2 Flächengrabung: größte Grabung in Westfalen
Maße:
Spuren von bis zu 10 Marschlagern in verschiedenen Arealen,
Marschlager nicht vollständig erhalten (moderne Überbauung,
Lippeerosion)
Baustruktur:
keine Innenbebauung, Legionäre campierten in Zelten
Belegung:
Lagergröße wohl ausreichend für 1-2 Legionen plus Auxiliartruppen
Funktion:
mehrere Marschlager mit kurzer Verweildauer der Truppen von
wenigen Tagen bis Wochen, Zelte als Unterkünfte für die
Soldaten (keine festen Innenbauten)
Haltern am See:
Zeit:
Hauptlager ca. 7/1 v. Chr. - 9/16 n. Chr. (Münzen, Terra
Sigillata militärische Gesamtsituation zur Zeit der römischen
Feldzüge), außerdem mehrere ältere Marschlager, die in die
Zeit der Drususfeldzüge datieren könnten
Entdeckung:
1838
Grabungen:
ab 1900 bis heute
Maße:
560 x 380 m
Baustruktur:
Umwehrung mit 2 Spitzgraben (Breite bis 5,5-6 m, Tiefe bis 3 m)
und Holz-Erde-Mauer (Breite 3 m, Länge ca. 2 km) mit Türmen und
Toren, Innenbebauung (Fachwerkbauten)
Belegung:
max. 1 Legion (= ca. 6000 Legionäre)
Funktion:
mehrere Anlagen unterschiedlicher Funktion und Zeitstellung am
Stützpunkt Haltern
sog. Hauptlager als fest ausgebautes Standlager (Fachwerkbauten),
nach Auflassung des Lagers Oberaden wird Haltern
Hauptquartier der in Germanien stehenden Truppen
- mehrere Marschlager mit kurzer Verweildauer der Truppen
(keine festen Innenbauten, Zeltunterkünfte), einige Marschlager
sind älter als das Hauptlager und könnten in die Zeit der
Drususfeldzüge datieren
- diverse weitere Anlagen (z. B. Uferkastell mit Schiffshäusern)
Bergkamen-Oberaden:
Zeit:
11 v. Chr. - ca. 8/7 v. Chr., Drusus (dendrodatiert, antike
Schriftquellen, militärische Gesamtsituation zur Zeit der
römischen Feldzüge, Münzen, Terra Sigillata)
Entdeckung:
1905
Grabungen:
1906-1914, 1938-1947, 1962-1964, 1977 ff.
Maße:
840 x 680 m, Innenfläche 54 ha
Baustruktur:
Umwehrung: Spitzgraben (4-5 m Breite, 2-3 m Tiefe),
Holz-Erde-Mauer (Breite 3 m, Länge 2,7 km), Türme und Tore,
Innenbebauung (Fachwerkbauten)
Belegung:
2 Legionen und div. Auxiliareinheiten
Funktion:
fest ausgebautes Standlager, Truppenstandort während
der Feldzüge des Drusus
Lünen-Beckinghausen
Zeit:
11-8/7 vor Chr. (Fundmaterial, militärische Gesamtsituation zur
Zeit der römischen Feldzüge, Lage: gehört logistisch zu Oberaden)
Entdeckung:
1906
Grabungen:
1911-1914, 1995-1998
Maße:
Innenmaß 200 x 100 m, Innenfläche 1,6 ha
Baustruktur:
Umwehrung mit 3 Spitzgräben (Breite 1,8-4,5 m, Tiefe 1,2-1,7 m)
und Holz-Erde-Mauer (Breite 3 m), Innenbebauung (Fachwerkbauten)
Belegung:
unbekannt
Funktion:
Uferkastell an der Lippe, Versorgungslager mit Speicherbau
Delbrück-Anreppen:
Zeit:
4 n Chr. - ca. 6 n. Chr., Tiberiusfeldzug (Münzen, Terra
Sigillata, zur Zeit der römischen Feldzüge; antike
Schriftquelle: Velleius Paterculus berichtet vom Bau eines
Winterlagers am Oberlauf der Lippe am Ende des Jahres 4 n. Chr.)
Entdeckung:
1968
Grabungen:
1968-1969, 1988-2004
Maße:
ca. 750 x 330 m = Innenfläche ca. 23 ha
Baustruktur:
Umwehrung mit Spitzgraben (Breite bis 7 m, Tiefe 2,3-2,4 m) und
Holz-Erde-Mauer (Breite 3 m, Länge ca. 1,9 km) mit Türmen und
Toren, Innenbebauung (Fachwerkbauten)
Belegung:
1 Legion, evtl. Auxiliareinheiten
Funktion:
fest ausgebautes Standlager, Truppenstandort und Sicherung
des Nachschubs für Feldzüge des Tiberius
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URL:
http://www.lwl.org/LWL/Der_LWL/PR/tv_audioservice/Filme_Kultur/roemerlager-olfen
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