[WestG] [AKT] Erstmals Nachfahren Bocholter Juden in Bocholt: Wolfgang Euler mit seiner Familie im Rathaus empfangen
Alexander Schmidt
Alexander.Schmidt at lwl.org
Di Mai 25 09:09:11 CEST 2010
Von: "Stadt Bocholt" <info at presse-service.de>
Datum: 21.05.2010, 18:37
AKTUELL
Erstmals Nachfahren Bocholter Juden in Bocholt
Wolfgang Euler mit seiner Familie im Rathaus empfangen
Bürgermeister Peter Nebelo empfing am Freitag, 21. Mai 2010,
mit Wolfgang Euler erstmalig einen Nachfahren Bocholter
jüdischen Glaubens im Rathaus. Wolfgang Euler war gemeinsam mit
seiner Frau, seinen Neffen und Ehegattin sowie einer
Enkeltochter nach Bocholt gekommen.
Trude Euler, die Großmutter von Wolfgang Euler, ist die Tochter
des Ehepaares Amalie und Leopold Markus, die im Jahr 1937 von
Duisburg nach Bocholt zogen. Die Mutter von Amalie Markus geb.
Meyer war in Bocholt geboren. Nach dem Verkauf des Hauses zog
das Ehepaar Markus am 8. Dezember 1939 nach Köln und kehrte
bereits am 11. Januar 1940 nach Bocholt in das Judenhaus
Bahnhofstraße 16 zurück. Am 18. Oktober 1941 erließ die
Staatspolizeileitstelle Münster u. a. an den Oberbürgermeister
Bocholt die Aufforderung, dass 26 Juden am 10. Dezember 1941
nach Münster zu bringen seien.
Hievon würden sie "nach dem Osten" deportiert. Am Vortag
unternahm Amalia Markus den Versuch eines Freitodes. Sie trank
aus Angst vor dem Ungewissen, das die Deportation für sie
bedeutete, essigsaure Tonerde. Hieran starb sie am 16. Dezember
1941 im Krankenhaus Rhede. Am 10. Dezember 1941 wurde Leopold
Markus nach Riga deportiert. Er überlebte das mörderische Leben
im Ghetto 16 Monate. Im März 1943 erlag er den im Ghetto Riga
herrschenden unmenschlichen Lebensverhältnissen.
Das Kind des Ehepaares, Trude Euler, verzog vor 1938 nach
Duisburg und floh von dort aus über die Niederlande nach Cali,
Kolumbien. Dort lebt heute noch Wolfgang Euler, der Sohn von
Trude Euler, mit seiner Gattin.
Diese und viele weitere Informationen, die der Familie Euler
zum Teil bekannt oder auch unbekannt waren, wurden an diesem
Morgen ausgetauscht. Insbesondere berichtete Wolfgang Euler
über die schreckliche Situation der Familie bei der Ankunft in
Südamerika. In Zelten lebten sie zunächst, so Euler, und das
gemeinsam mit Nazis, die ebenfalls aus Deutschland gekommen
waren.
Bürgermeister Peter Nebelo machte in seiner Begrüßung deutlich,
dass die Stadt Bocholt der Aufarbeitung und der Erinnerung der
Geschichte zur Verfolgung der Juden eine große Bedeutung -
gerade für junge Menschen - beimisst. So berichtete er der
Familie Euler, dass Schülerinnen und Schüler sich für die
Aktion "Stolpersteine", die vor den Häusern der ehemaligen
Mitbürgerinnen und Mitbürger jüdischen Glaubens liegen,
eingesetzt haben.
Auch die Gedenkveranstaltungen zum 9. November auf dem Platz,
wo die Bocholter Synagoge gestanden hat, werden, so Nebelo,
maßgeblich von jungen Menschen mit gestaltet. Bei dem Empfang
waren auch Reinhold Sprinz, Hermann Oechtering und Josef Niebur
von der Arbeitsgemeinschaft Synagogenlandschaft der
Volkshochschule anwesend.
Nach dem Empfang im Rathaus besuchte die Familie Euler zunächst
das Haus in der Ludgerusstraße 4, in der Amalie und Leopold
Markus wohnten, und kamen kurz am Haus Nr. 7 in der gleichen
Straße, in der das Ehepaar Markus vom 2. Mai bis zum 8.
Dezember 1939 von Nachbarn aufgenommen wurde, da das Haus Nr. 4
- wohl unter Zwang - verkauft wurde, vorbei.
Anschließend besuchten sie den Standort der Bocholter Synagoge
und zeigten sich tief betroffen über die Zerstörung der
Synagoge in der Reichsprogromnacht. Ein Abstecher zum jüdischen
Friedhof im Rahmen einer Stadtrundfahrt beschloss den Besuch.
"Wir kommen wieder", sagte Juan Carlos Mera Euler, der diese
Begegnung maßgeblich mit organisiert hatte zu Josef Niebur.
Dieser freute sich sehr über die Zusage und hofft nun, dass ein
erneuter Besuch zum 9. November 2010 erfolgen kann. Dann könnte
die Gedenkveranstaltung auch um einen musikalischen Beitrag
erweitert werden, denn Juan Carlos ist nicht nur Nachfahre der
Familie Markus, sondern auch ein bekannter Opernsänger, der
seit vielen Jahren in Deutschland lebt und arbeitet.
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