[WestG] [LIT] Glei, Reinholf F.: Ironie. Griechische und lateinische Fallstudien

Alexander Schmidt Alexander.Schmidt at lwl.org
Do Okt 1 11:01:56 CEST 2009


Von: "Josef König" <josef.koenig at presse.ruhr-uni-bochum.de>
Datum: 01.10.2009, 10:24


LITERATUR

Arminius entzaubert
Heldenschöpfer Ulrich von Hutten schrieb ironisch
RUB-Wissenschaftler holt den Hermann vom Sockel

Bisher galt der deutsche Humanist Ulrich von Hutten (1488-1523) 
als Urheber des Arminius-Kults und des Mythos vom deutschen 
"Nationalhelden". Der Bochumer Literaturwissenschaftler Prof. 
Reinhold Glei weist jetzt in einer Studie, die pünktlich zum 
2000-jährigen Jubiläum der Varus-Schlacht erschienen ist, 
erstmals nach, dass Hutten ein eher ironisches Arminius-Bild 
gezeichnet hat. Nachzulesen ist die vollständige Argumentation 
in einem gerade erschienenen Sammelband eines Bochumer 
Kolloquiums über den Ironiebegriff.

Nach dem Vorbild des Spötters Lukian

In seinem wohl zu Studentenzeiten in Italien (1515-17) 
verfassten Dialog "Arminius" lässt Hutten den Cheruskerfürsten 
in der Unterwelt auf die berühmten antiken Feldherren Alexander,
 Hannibal und Scipio stoßen. Die drei waren bereits Gegenstand 
eines Dialogs des von den Humanisten verehrten Sophisten Lukian 
(2. Jh. n. Chr.) gewesen, wo sie sich in komisch-ironischer 
Weise über den Vorrang gestritten hatten. Bei Hutten kommt nun 
Arminius hinzu und beansprucht seinerseits den ersten Platz 
unter den Feldherren.

Ungehobelter Machtmensch

Durch zahlreiche komische Elemente - Arminius wird z.B. als 
besonders unhöflicher und ungehobelter Barbar eingeführt - 
trifft Hutten sehr genau den Geist des Spötters Lukian, was 
auch zu einer deutlichen Ironisierung der Arminius-Gestalt 
führt. So lässt der Unterweltsrichter den römischen Historiker 
Tacitus als Zeugen aufrufen und aus den "Annalen" vorlesen, die 
1515 erstmals im Druck erschienen waren. Peinlicherweise liest 
Tacitus die Stelle vor (Buch 2, Kap. 88), in der Arminius zwar 
als "Befreier Germaniens" erscheint, aber auch berichtet wird, 
dass er später wegen maßlosen Machtstrebens einer Intrige 
seiner eigenen Verwandten zum Opfer fiel. "Auch die antiken 
Feldherren rücken das aufgeblasene Selbstlob des Arminius 
gründlich zurecht", erklärt Prof. Glei: "Alexander z.B. wirft 
ihm vor, dass er als Römer mit germanischem 
Migrationshintergrund seine (neuen) Mitbürger nicht hätte 
verraten dürfen. Sieht so ein deutscher Nationalheld aus?"


INFO

Titelaufnahme

"Ironie. Griechische und lateinische Fallstudien", hrsg. von 
Reinhold F. Glei. Trier 2009 (Bochumer 
Altertumswissenschaftliches Colloquium, Bd. 80)

Weitere Informationen

Prof. Dr. Reinhold F. Glei
Seminar für Klassische Philologie der RUB
Tel.: 0234/32-22761
E-Mail: reinhold.glei at rub.de


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