[WestG] [PROJ] Historische Computerspiele auf dem Pruefstand, Historisches Institut der Uni Paderborn
Alexander Schmidt
Alexander.Schmidt at lwl.org
Mi Jul 11 11:56:59 CEST 2007
Von: "Rainer Pöppinghege" <rainer.poeppinghege at uni-paderborn.de>
Datum: 11.07.2007, 10:39
PROJEKT
Für Hitler den Krieg gewinnen
Historische Computerspiele auf dem Prüfstand
Sie heißen Anno 1701, Rome Total War oder Blitzkrieg. Gemeinsam
ist ihnen, dass sie historische Themen für den Spielspaß am
Computer aufbereiten. "Wer aber meint, in den Strategie- oder
Aufbauspielen historisch abgesichertes Wissen präsentiert zu
bekommen, dürfte bei näherem Hinsehen enttäuscht sein", so der
Historiker PD Dr. Rainer Pöppinghege von der Universität
Paderborn.
Zusammen mit einigen seiner Studenten hat er solche Spiele auf
ihren historischen Gehalt hin analysiert. Das Ergebnis:
Teilweise werden falsche Fakten präsentiert, teilweise
unrealistische Szenarien entworfen. Mal stimmen Jahreszahlen
nicht, mal kann man als Hitlers bester General den Ausgang des
Zweiten Weltkriegs nachträglich ändern. "Aufgrund der komplexen
Strukturen des Vergangenen ist es völlig ausgeschlossen, so
etwas wie historische Realität am Bildschirm zu rekonstruieren.“
Als Beispiel nennt der Historiker den Einfluss der Religion auf
das Alltagsleben im Mittelalter, der von keinem Spiel auch nur
annähernd korrekt dargestellt würde. Prinzipiell davon abraten,
sich mit derartigen Spielen zu beschäftigen will Pöppinghege
aber nicht, denn für ihn ist klar: "Der Spielspaß steht im
Vordergrund der Nutzer. Mit der Absicht, sein Geschichtswissen
aufzufrischen dürfte ohnehin niemand die Spiele kaufen."
Dennoch sollte sich jeder darüber im Klaren sein, dass in den
Spielen ein autoritäres Gesellschaftsverständnis und meistens
gewaltsame Konfliktlösungen vorherrschen.
Neun von zehn Jungen spielen häufig am PC Angesichts einer
unbefriedigenden empirischen Basis zum Bekanntheitsgrad
historischer PC-Spiele und zur Spielhäufigkeit von Jugendlichen
haben die Paderborner Historiker eine eigene Befragung von mehr
als 530 Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen zwischen 13 und 23
Jahren an verschiedenen weiterführenden Schulen in Westfalen
durchgeführt. Demnach spielen fast alle Jungen (95,6 Prozent)
mindestens 2-3 mal wöchentlich, wogegen vier von fünf Mädchen
(79,8 Prozent) so gut wie nie spielen. Tendenziell scheinen die
jüngeren Befragten häufiger zu spielen als die älteren
Jugendlichen. Insbesondere die Reihe der Anno-Spiele sowie das
Serienspiel Age of Empires erfreuen sich großer Beliebtheit und
sind mehr als der Hälfte der Kinder und Jugendlichen (55-60
Prozent) bekannt. Als kritisch bewertet die Arbeitsgruppe, dass
diese Spiele von den Befragten noch am ehesten als historisch
authentisch bewertet wurden.
INFO
Informationen zur Umfrage und zu Vortragsterminen:
PD Dr. Rainer Pöppinghege, rainer.poeppinghege at upb.de
Tel. 05251/60-2446/-2438
Kontakt:
PD Dr. Rainer Pöppinghege
Historisches Institut der Uni Paderborn
E-Mail: rainer.poeppinghege at upb.de